Gewalt gegen Frauen in Deutschland: NGOs wollen mehr Schutz für Frauen
Juristinnenbund und DaMigra legen Berichte zur Umsetzung der Istanbul-Konvention vor. Gewalt gegen Frauen wird nicht ausreichend bekämpft.
Die Istanbul-Konvention ist ein Menschenrechtsabkommen des Europarats gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Seit Februar 2018 ist die Bundesregierung durch das völkerrechtliche Dokument verpflichtet, Gewalt gegen Mädchen und Frauen auf allen Ebenen zu bekämpfen und zu bestrafen. Der Bericht der Bundesregierung vom September allerdings, der die Maßnahmen zum Gewaltschutz von Bund und Ländern beschreibt, kommt zum Schluss: Rechtlich sei die Konvention in Deutschland bereits umgesetzt. Man müsse nur nachsteuern.
Das sehen Juristinnenbund und DaMigra anders. „Der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt ist kein Luxus, sondern eine Pflichtaufgabe“, sagte Leonie Steinl, die Vorsitzende der Strafrechtskommission im Juristinnenbund. In Deutschland aber würden bestimmte Formen von Gewalt kaum anerkannt, digitale Gewalt zum Beispiel. Zudem gebe es kein ausreichendes öffentliches Bewusstsein über das Ausmaß von Gewalt gegen Frauen: Mehr als einmal pro Stunde werde eine Frau hierzulande von ihrem Partner oder Ex-Partner angegriffen.
„Wir haben geschaut: Welche Gesetze fehlen, welche reichen nicht aus?“, sagte Steinl. Besonders dringenden Handlungsbedarf gebe es in den beiden Bereichen des strafrechtlichen Umgangs mit sexualisierter Gewalt und dem Opferschutz, insbesondere vor Gericht. Die Forschung und Datenerhebung müsse ausgebaut werden. Frauenschutzhäuser und Fachberatungsstellen müssten abgesichert, der rechtliche Schutz vor Stalking verbessert werden. „Gewalt gegen Frauen gehört ganz oben auf die politische Agenda, nicht nur am 25. November“, so Steinl.
„Ohne erkennbaren Masterplan“
Der Dachverband der Migrantinnenorganisation DaMigra kritisierte, dass ein unabhänginges Monitoringbüro fehlt, was die Umsetzung der Konvention in Deutschland überprüft. Zwischen der Zivilgesellschaft und der Regierung gebe es deshalb nur eine „unzureichende Kommunikation“. Gewaltschutz im Bereich Migration und Asyl sei „ein Flickenteppich ohne roten Faden oder einen erkennbaren bundesdeutschen Masterplan“.
Für Frauen mit Migrationsgeschichte oder prekärem Aufenthaltstitel seien präventive Maßnahmen, Gewaltschutz und Strafverfolgung nicht ausreichend zugänglich. Eine Trennung aufgrund von häuslicher Gewalt wirke sich zum Beispiel nicht selten negativ auf das Ergebnis eines Asylverfahrens aus. Zudem werde Migrantinnen, die von Gewalt betroffen sind, zum Teil das Recht auf Strafverfolgung verwehrt.
DaMigra fordert deshalb einen umfänglichen Gewaltschutz für alle in Deutschland lebenden Frauen, unabhängig von Aufenthaltstiteln. Außerdem sollen Gewaltschutzgesetze vor aufenthaltsrechtlichen Auflagen wie der Residenzpflicht priorisiert werden, so der Dachverband. Wenn die körperliche oder psychische Unversehrtheit einer migrierten oder geflüchteten Frau bedroht ist, müsse das Recht auf einen humanitären Aufenthaltstitel ermöglicht werden.
Noch bis nächstes Jahr sind Vertreter:innen der Zivilgesellschaft aufgerufen, eigene Berichte beim Europarat einzureichen. Voraussichtlich im September 2021 wird eine Expert:innengruppe der internationalen Organisation nach Deutschland reisen, um zu beurteilen, wie es um die Umsetzung der Konvention steht. Dafür stehen auch Gespräche mit Vertreter:innen der Zivilgesellschaft auf dem Programm. Der Bericht der Gruppe namens Grevio ist bislang für September 2022 angesetzt.
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