Gewalt gegen Flüchtlinge: Ein Wochenende voller Hass
Meerane, Dresden, Pirna, Magdeburg, Wismar, Freital, Jena, Sehnde, Dippoldiswalde: Die Gewalt gegen Asylsuchende erreicht einen neuen Höhepunkt.
Wie ein Polizeisprecher am Montag auf Nachfrage sagte, hatten sich bereits am Nachmittag rund 200 Demonstranten am Bahnhof eingefunden, darunter auch erkennbar Rechtsgerichtete. Polizisten hätten 83 Platzverweise ausgesprochen.
Vor einer Woche war es bereits im sächsischen Freiberg bei der Ankunft eines Flüchtlingszuges zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen gekommen. Am Wochenende wurden bei einer ganzen Serie von Anschlägen auf Asylsuchende in mehreren deutschen Städten mehrere Menschen verletzt. In Magdeburg und Wismar griffen jeweils größere Gruppen von Unbekannten Asylbewerber aus Syrien an – zum Teil mit Baseballschlägern.
Im niedersächsischen Sehnde legte ein Mann einen Brand in einem Fachwerkhaus, in dem Asylbewerber untergebracht waren. Bei einem Anschlag auf eine Asyl-Unterkunft im sächsischen Freital wurden in der Nacht zum Sonntag mindestens drei Fenster von bewohnten Zimmern im Erdgeschoss beschädigt. Ein Bewohner erlitt Verletzungen im Gesicht. Eine rechtsextreme Motivation sei „sehr wahrscheinlich“, teilte die Polizei mit.
In der Nacht zum Samstag brannten zudem im sächsischen Dippoldiswalde mehrere Wohncontainer, in denen Flüchtlinge untergebracht werden sollten. Auch hier geht die Polizei von Brandstiftung aus. Der Schaden beläuft sich nach Schätzungen auf 300.000 Euro.
In Jena wurde ein 27-jähriger Syrer am Sonntagmorgen von drei Männern an einer Straßenbahnhaltestelle zusammengeschlagen, wie die Polizei mitteilte. Anschließend seien sie unerkannt geflüchtet. Das Opfer erlitt den Angaben nach leichte Verletzungen, die in der Notaufnahme behandelt wurden.
In der Straßenbahn beschimpft und bespuckt
Auch in Dresden und Pirna sind bei offensichtlich fremdenfeindlichen Angriffen vier Menschen verletzt worden. Wie die Polizei am Montag mitteilte, wurden in Pirna bereits am Freitagabend ein 21 Jahre alter Marokkaner und ein 25 Jahre alter Libyer von etwa 25 teils vermummten Angreifern umstellt und bedrängt. Als die beiden in einen Hauseingang flohen, wurden sie von der Gruppe verfolgt, geschlagen und getreten. Sie mussten ärztlich behandelt werden.
Ebenfalls am Freitagabend wurden in Dresden in einer Straßenbahn zwei Syrer von vier Männern zunächst beschimpft und geschubst. Schließlich schlugen die Männer dem 26 Jahre alten Syrer so hart ins Gesicht, dass er ins Krankenhaus gebracht werden musste.
Im Dresdner Stadtteil Gorbitz wurde am Samstagabend ein 20 Jahre alter Eritreer vor einem Haus von drei bis vier Männern beschimpft und geschlagen. Zwei Männer hielten ihn fest, während ein dritter auf ihn einschlug. Als ein Bewohner von seinem Balkon aus die Täter anschrie und nach unten eilte, flohen die Schläger. Der 20-Jährige musste ebenfalls im Krankenhaus behandelt werden.
Rechtsextremismus in der Mitte der Gesellschaft
Politiker, Experten und Sicherheitsbehörden warnen angesichts der Entwicklung vor einem Erstarken rechter Gewalt. Politik und Polizei unterschätzten die Gefahr durch Rechtsextremisten vollkommen, sagte der Vorstandsvorsitzende der Initiative „Gesicht zeigen!“, Uwe-Karsten Heye, am Montag. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte auf Twitter, alle Bürger müssten Gewalt entschieden entgegentreten: „Jede Attacke auf Flüchtlinge ist ein Angriff auf unsere Demokratie.“
Heye sagte dazu: „Es hat sich bereits beim Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) gezeigt, dass und wie sehr ignoriert wird, dass die größte innenpolitische Herausforderung der Bundesrepublik der Rechtsextremismus ist.“ Wer hier weggucke, lasse diesen Rechtsextremismus bis in die Mitte der Gesellschaft wandern.
Heye kritisierte insbesondere die Polizei. Zahlreiche Taten würden nicht aufgeklärt. „Wer rechtsextremistisch denkt und disponiert ist in Deutschland, muss die wenigste Befürchtung vor der Polizei haben“, sagte er. Eine organisierte Form des „Kampfes gegen Flüchtlinge“ beobachtet Heye dort, wo die rechtsextreme NPD in Stadträten oder anderen demokratischen Gremien vertreten ist. Die Partei begebe sich zwar nicht an die „Front“, schaffe aber die organisatorischen Voraussetzungen dafür.
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