Getötete Radfahrerin in Berlin: Mahnwache und offene Fragen
Der ADFC und Changing Cities haben ein Geisterfahrrad für die verstorbene Radfahrerin aufgestellt. Die Polizei meldet den nächsten Rad-Toten.
Die Demonstrierenden legten das vollkommen zerstörte Rennrad der Verstorbenen auf die abgesperrte Fahrbahn und kritisierten, dass eines bei der großen medialen und politischen Aufmerksamkeit an dem Fall viel zu kurz gekommen sei: „Es ist ein Mensch gestorben!“
Aufmerksamkeit hatte der Unfall auch bei weiten Teilen der Öffentlichkeit erregt, die sich sonst eher wenig für getötete Radfahrer*innen interessieren. Allen voran die Bild-Zeitung sowie Spitzenpolitiker*innen aus Opposition und Regierung hatten die Klima-Aktivist*innen der „Letzten Generation“ mitverantwortlich gemacht für den Unfall, weil ein großes Spezialfahrzeug der Feuerwehr in einem Stau auf der A100 stecken geblieben sein soll.
Das Spezialfahrzeug hätte bei der Rettung aber nicht geholfen, wie mittlerweile klar scheint: Die behandelnde Notärztin hätte laut einem mittlerweile bekannt gewordenen internen Vermerk der Feuerwehr den Rüstwagen ohnehin nicht zur Versorgung hinzugezogen, wie die SZ am Freitag berichtete.
Stau hatte keinen Einfluss auf Versorgung
Der Stau hatte demnach keinen Einfluss auf die Versorgung. Nach Einschätzung der Rettungskräfte vor Ort wäre der Einsatz des Spezialfahrzeugs medizinisch nicht angezeigt gewesen. Der dreiseitige Vermerk ist laut Bericht vom ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes unterzeichnet und soll am Dienstagabend auch an die Spitze der Feuerwehr geschickt worden sein. Offen ist, warum die Feuerwehr nicht darüber informierte. Eine Anfrage dazu ließen sowohl Innenverwaltung als auch Feuerwehr bisher unbeantwortet.
Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft eine Obduktion angeordnet – sie prüft auch „Aspekte fahrlässiger Tötung“ gegen zwei Klima-Aktivist*innen. Die Klima-Aktivist*innen hatten sich ihrerseits schockiert vom Tod der Radfahrerin gezeigt, Verantwortung dafür aber von sich gewiesen und sich nach viel Hetze medienkritisch geäußert. Ihre Blockaden setzten die Aktivist*innen auch am Montag unbeirrt fort.
Am Montag teilte die Polizei mit, dass erneut ein Radfahrer verstorben ist – ein 85-Jähriger, der von einem Linksabbieger angefahren wurde. Das Interesse an der Meldung ist deutlich kleiner. Changing Cities kündigte derweil eine Mahnwache für den Toten an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Die Wahrheit
Der erste Schnee