Radfahren in Berlin: Gefühlte Sicherheiten

Laut einer Umfrage lässt Berlins Radinfrastruktur aus NutzerInnen-Sicht viel zu wünschen übrig. Die Zahlen sind allerdings interpretationsbedürftig.

Straße mit Autos links und Radfahrenden rechts, dazwischen Warnbaken

Wie sicher ist sicher? Hier: die mittlerweile verstetigte Pop-up-Radspur am Halleschen Ufer Foto: dpa / Paul Zinken

BERLIN taz | Berlin ist aus Sicht seiner Radfahrenden noch weit davon entfernt, allen eine sichere Infrastruktur zu bieten – aber immerhin geht es gefühlt voran. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die von der Allianz pro Schiene, dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Auftrag gegeben wurde. Das bundesweit erhobene „Mobilitätsbarometer“, das auch die Zufriedenheit mit dem ÖPNV-Angebot messen soll, wurde am Freitag erstmals vorgelegt und soll künftig im Abstand von zwei Jahren wiederholt werden.

„Stehen Ihnen ausreichend sichere Radwege zur Verfügung?“ Auf diese Frage antworteten laut der Erhebung nur 40 Prozent der befragten BerlinerInnen mit „Ja“, was die Hauptstadt im untersten Drittel des Bundesländerrankings platziert. Interessant dabei: Bremen, wo traditionell sehr viel Rad gefahren wird, kommt hier mit 80 Prozent Ja-Stimmen auf einen unangefochteten Spitzenplatz, Hamburg als dritter Stadtstaat bildet mit 34 Prozent das Schlusslicht. Im Flächenland Brandenburg sind 46 Prozent der Ansicht, es gebe schon eine ausreichend sichere Radinfrastruktur – was in etwa dem Bundesdurchschnitt von 47 Prozent entspricht.

Gleichzeitig ergab die Befragung, dass sich 48 Prozent der Radfahrenden auf ihren Fahrten durch Berlin „sicherer als noch vor fünf Jahren“ fühlen. Für Martin Schlegel, Mobilitätsexperte des BUND Berlin, ist das ein Hinweis darauf, dass sich „die in der Corona-Pandemie eingeführten Pop-up-Radwege, die Ausweisung von zusätzlichen Fahrradstraßen und teilweise Verkehrsberuhigungen seit Antritt von Koalitionen aus SPD, Grünen und Linke im Jahr 2016“ auswirken. Schlegel fordert vom Senat Druck auf Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), „eine echte Reform des Straßenverkehrsgesetzes jetzt umzusetzen, damit die nötige weitere Neuaufteilung des Straßenraums zugunsten des Umweltverbundes wirklich Fahrt aufnehmen kann“.

Allerdings scheint auch bei der Methodik des „Mobilitätsbarometers“ noch Luft nach oben zu sein. Zum einen gibt die „repräsentative zufallsbasierte Telefon- und Online-Befragung“ durch das Forschungsinstitut Kantar lediglich die Einschätzung von 2.000 Menschen im gesamten Bundesgebiet wieder, im Schnitt also von 125 Personen pro Bundesland. Zum Vergleich: Am letzten Fahrradklimatest des ADFC haben sich bundesweit 230.000 Personen beteiligt. Allerdings erfüllt dieser nicht das Kriterium der Repräsentativität, weil er allen Interessierten offen steht. Entsprechend schlägt sich hier vor allem die Sicht von Menschen nieder, die ein ausgeprägtes politisches Interesse an der Thematik haben.

Auch die vom Mobilitätsbarometer vorgelegte Auswertung der Daten wirft teilweise Fragen auf: Zu den 40 Prozent der BerlinerInnen, die demnach mit der Rad-Infrastruktur zufrieden sind, kommen 20 Prozent, die unzufrieden sind – die fehlenden 40 Prozent sind diejenigen, die laut Erhebung das Fahrrad gar nicht nutzen. Sprich: Der Anteil der Zufriedenen unter denen, die Rad fahren, liegt deutlich höher – nämlich bei zwei Dritteln.

Mit Bus und Tram gut angebunden

In Bezug auf den ÖPNV ergab die Umfrage, dass sich 93 Prozent der BerlinerInnen mit Bus und Bahn „gut angebunden“ fühlen. Damit liegt die Hauptstadt knapp hinter Hamburg (97 Prozent) und Bremen (98 Prozent), aber weit vor Brandenburg (66 Prozent). Unzufrieden mit den Takten von Bussen und Bahnen an ihrer nächstgelegenen Haltestelle sind in Berlin lediglich 14 Prozent (Hamburg 11 Prozent, Bremen 28 Prozent, Brandenburg 37 Prozent). Auch hier lässt die kleine Zahl der Befragten offen, wie aussagekräftig diese Werte sind.

Für den BUND-Experten sind sie jedenfalls ein Anlass, auf den von Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) angekündigten „Hauptstadttakt“ zu verweisen – ein Mindestangebot von Trams und Bussen alle 10 Minuten, auch auf vielen Linien außerhalb des Rings. Schlegel: „Fahrpersonalmangel vor allem im Oberflächenverkehr und eklatanter Fahrzeugmangel bei der U-Bahn wegen jahrelang verschleppter Beschaffungen sorgen für teilweise zu geringe Kapazitäten. Nur mit einem guten Angebot kann der ÖPNV zum Rückgrat der Mobilitätswende werden.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.