Gesundheit von Kühen: Bio ist kein Allheilmittel
Entzündete Euter, kaputte Beine – eine Studie zeigt, wie schlecht es auch Öko-Tieren geht. Forscher fordern konkrete Vorgaben für Krankheitsfälle.
Die Wissenschaftler prüften, wie häufig die Kühe auf mehr als 200 Ökobetrieben in Deutschland, Frankreich, Schweden und Spanien in einem Jahr zum Beispiel an Euterproblemen oder Lahmheiten litten. „Die Ergebnisse der Studie sind ernüchternd“, so die Forscher. Zu ähnlichen Schlüssen waren zuvor auch Untersuchungen zu anderen Tierarten gekommen.
Wer Bio kauft, will damit aber meist eine „artgerechte Tierhaltung“ unterstützen, die er bei der konventionellen Landwirtschaft nicht vermutet. Das belegt etwa die Umfrage Ökobarometer 2016. Dazu passen keine entzündeten Euter und Kühe, die humpeln, weil sich ihre Klauen schmerzhaft verändert haben.
In der Studie variierten die Erkrankungsraten zwischen den Betrieben enorm. Die Bandbreite „lasse sich weder durch regionale Gegebenheiten noch durch die Betriebsgröße erklären“, so die Wissenschaftler.
Kein Anreiz zur Pflege
Wenn das Futter nicht die nötigen Nährstoffdosen enthält, könne das das Immunsystem belasten und Euterentzündungen begünstigen, sagt Forscherin Susanne Hoischen-Taubner, die an der Studie beteiligt war. Schlechte Stallhygiene könne Lahmheiten verursachen.
Vielen Milchviehhaltern fehlt laut den Forschern aber der Anreiz, in die Gesundheit ihrer Tiere zu investieren. Denn die Molkereien zahlen den höheren Biopreis weitgehend unabhängig davon, wie es den Tieren geht. Zwar geben kranke Kühe oft auch weniger Milch und müssen früher geschlachtet werden. Doch ist es oft immer noch teurer, in die Gesundheit der Tiere zu investieren. Also sind Bauern im Vorteil, die billiger produzieren, indem sie ihre Kühe schlechter behandeln. Die Forscher kritisieren das als „eine unfaire Wettbewerbssituation“.
Um Landwirte zu motivieren, Krankheiten vorzubeugen, haben die Wissenschaftler ein Computerprogramm entwickelt. Damit können die Bauern ausrechnen, welche Maßnahmen sich in ihrem Betrieb am ehesten rentieren. Dabei geht es um häufigere Klauenpflege, trockeneres Stroh für die Liegeboxen oder mehr Gruppen, in denen die Kühe individueller gefüttert werden können.
Nicht ohne Antibiotika
Nicht viel halten die Wissenschaftler von homöopathischen und pflanzlichen Medikamenten. „In wissenschaftlichen Studien mangelt es weiterhin an belastbaren Nachweisen der Wirksamkeit“. Zudem fehle vielen Landwirten die Kompetenz, um solche Mittel effizient einzusetzen. „Ganz ohne Antibiotika wird auch die ökologische Landwirtschaft künftig nicht auskommen“, so Forschungsleiter Sundrum.
Die Wissenschaftler verlangen deshalb konkrete Vorgaben für die Landwirte, wie häufig die wichtigsten Krankheiten vorkommen dürfen. „Die Bioverbände könnten das in ihre Richtlinien aufnehmen oder die EU in die Ökoverordnung“, sagte Hoischen-Taubner der taz.
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft ist bereit, darüber zu diskutieren. Es sei aber schwierig, „eine genaue und nachvollziehbare Grenze“ zu ziehen, ab der Bauern sanktioniert werden sollen. Die EU-Kommission ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme zunächst unbeantwortet.
Trotz der Mängel hält Forscherin Hoischen-Taubner Bio-Viehhaltung für sinnvoll: „Die Lebensbedingungen der Tiere sind von den Voraussetzungen her erheblich besser.“ Ein Ökoschwein habe mehr Möglichkeiten, sein normales Verhalten auszuleben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links