Gesetz für Kinderschutz im Auto: Viel Rauch im Raum

Das Rauchen im Auto soll künftig verboten sein – wenn Kinder oder Schwangere an Bord sind. Wäre es da nicht besser, gleich das Auto zu verbieten?

Raucherin im Auto.

Im Auto rauchen ist erlaubt – noch Foto: dpa

Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm folgt der Eintrag „Verbot“ auf den für „Verböserung“. Diese ist eindeutig beschrieben („was böse macht“), jenes klar gefasst als „ein befehl, durch den etwas untersagt wird“. Als Adjektiv „verboten“ klingt es dann aber schon viel netter: „einem durch boten mittheilung machen“ – und in diesem Spannungsfeld bewegt sich die Sache mit dem Verbieten bis heute.

Der demokratische Mensch reagiert unleidlich, wenn ihm die „weltliche Obrigkeit“ (Grimm) etwas verbietet – denn letztlich ist er die ja selber –, kann aber durch das allgemeine Laissez-faire der liberalen Gesellschaft auch leicht in eine totalitäre Verböserung geraten, in welcher er seinem Nachbarn untersagen möchte, was ihn selbst stört, schädigt oder lediglich in seinem moralischen Empfinden verletzt.

Das Auto sei ein nichtöffentlicher Raum, ist der Einwand des ADAC

Aktuell geht es um eine Gesetzesinitiative, die mehrere Bundesländer am Freitag in den Bundesrat einbringen wollen. Wenn Schwangere und Kinder im Auto sitzen, sollen künftig der Konsum traditioneller Rauchwaren tabu sein, von Verdampfern liest man (noch) nichts. Schwangere, die selbst rauchen, können im Rahmen der grundgesetzlich garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit nicht daran gehindert werden, teilt das niedersächsische Gesundheitsministerium auf Anfrage mit – und das ist ja erstmal beruhigend.

Auf der richtigen Spur

Der gesellschaftlich interessantere Einwand kommt denn auch vom ADAC. Der verweist darauf, dass das Auto ein nichtöffentlicher Raum sei, in dem die Insassen selbstverantwortlich handeln sollten. Dabei verstünde es sich von selbst, dass man nicht rauche, wenn Kinder im Auto seien.

Anzumerken wäre hier, dass zuletzt ein Porsche Macan im Berliner Stadtteil Mitte gezeigt hat, welch zerstörerische Kraft die Überschneidung von vermeintlich nichtöffentlichem und öffentlichem Raum entfalten kann: Vier Menschen kamen ums Leben, weil der Fahrer die Kontrolle über sein SUV verlor. Die Porschewerbung für den Macan lautet übrigens immer noch: „Wir haben bewiesen, dass wir uns nichts diktieren lassen“ – eine so klare wie geschmacklose Abgrenzung gegen jede Verbotskultur.

Wo also beginnt, wo endet er, der nichtöffentliche Raum? Hat das Auto überhaupt noch irgendeinen Nutzen oder besser: Nichtschaden vorzuweisen als den des reinen Gefühls der Unantastbarkeit seines Nutzers?

Und müssen wir insofern nicht, vom ADAC hier dankenswerterweise auf die richtige Spur gebracht, das Auto einen nichtsozialen Raum nennen, einen Wutraum, in dem und mit dem der Einzelne genau die Regeln, die selbstverständlich sein sollten, tagtäglich außer Kraft setzt: nicht lärmen, nicht vergiften, nicht die eigene Stärke gegen Schwächere ausnutzen, nicht im grotesken Übermaß das allgemeine Straßenland für sich beanspruchen – und nicht zuletzt: nicht töten?

Im Wutraum verschanzt

Anfang 2019 kamen in der Bundesrepublik auf 1.000 Einwohner 567 Pkws – ein historischer Höchststand, meldete am Dienstag Spiegel Online. Man wird diese Zahlen so interpretieren müssen, als dass es eben die wohl vielfältigste und öffentlichen Nahverkehr im Höchstmaß zur Verfügung stellende Gesellschaft in der deutschen Geschichte ist, auf die der Autofahrer reaktionär und soziopathisch reagiert, indem er sich aus ihr herauszieht und in seinem Vernichtungsraum verschanzt.

Dass das nicht so bleiben kann, ist klar; und zwar nicht nur, weil unser aller Lebensgrundlagen durch das gegen die Wand gefahrene Projekt Auto auf dem Spiel stehen; sondern auch in dem Sinn, dass man sich wirklich und ehrlich um die Autofahrer kümmern, sie als Bedürftige, als Schutz, Abenteuer, Selbstverwirklichung Suchende ernst nehmen muss – also letztlich als Kranke oder jedenfalls schwer Gekränkte.

Man kann also, sollte es tatsächlich zur gewünschten Verschärfung des Nichtraucherschutzes im Privatauto kommen, mit einiger Spannung den gerichtlichen Auseinandersetzungen entgegensehen, die sich daraus ergeben werden. Wäre ich regelmäßiger Autofahrer und Raucher – was als Kombination übrigens wunderbar-romantische Erinnerungen hervorruft –, ich würde sagen: Wenn ihr das Autofahren erlaubt oder jedenfalls das Transportieren von Kindern im asozialen Raum Auto – dann könnt ihr das Rauchen dort als sehr viel kleineres Übel nicht verbieten.

Als Gesellschaft müssen wir – und das gilt für alle Verbotsdebatten einen Weg finden, die ursprüngliche Bedeutung des Verbotenen lebendig zu machen: Wir müssen Boten werden, die Nachrichten überbringen und die gehört werden, die überzeugen. Dafür braucht es Zuwendung, Wissen, Selbstbewussten, Einfühlungsvermögen – eben das, was der ADAC vielleicht zu optimistisch für „selbstverständlich“ erachtet.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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