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Gescheiterte KlimaklageDeutschland ist nicht Holland

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klima-Klage von Greenpeace und Biobauern abgelehnt. Dafür gibt es gute Gründe.

Ein Kabinettsbeschluss ist nun mal kein Gesetz, das musste nun auch Greenpeace erfahren Foto: Sebastian Willnow/zb/dpa

D ie Klima-Klage von Greenpeace und drei Biobauern-Familien gegen die Bundesregierung ist schon im Ansatz gescheitert. Das Verwaltungericht (VG) Berlin hat die Klage am Donnerstagnachmittag als unzulässig abgelehnt.

Bei dieser Zulässigkeitsprüfung ging es nicht um Formalia und Verfahrensfragen, sondern um den Kern der Sache. Besteht überhaupt eine Rechtsnorm, auf die sich die Kläger berufen können? Das Gericht hat dies verneint. Die Klage wäre also auch nicht begründet gewesen. Der Gang vor Gericht ist damit in erster Instanz umfassend gescheitert.

Greenpeace sieht es zwar als Teilerfolg, dass das Gericht die Klimapolitik für grundsätzlich „justiziabel“ erachtete. Tatsächlich hatte das Umweltministerium von Svenja Schulze (SPD) dies bestritten. Doch damit stand das Ministerium auf aussichtslosem Posten. Der Staat hat immer eine Schutzpflicht für die Grundrechte, deren Einhaltung auch gerichtlich überprüfbar ist. Dies hat das VG Berlin jetzt bestätigt. Doch das ist kein Durchbruch, sondern eine Selbstverständlichkeit.

Für Klimaklagen ist damit auch noch nicht viel gewonnen, denn bei der Erfüllung dieser Schutzpflicht hat die Politik stets einen weiten Gestaltungsspielraum. Deshalb versuchte Greenpeace zunächst, die Klimaprogramme und -ziele der Bundesregierung zu verbindlichen Rechtsakten zu erklären, die nun von Bürgern eingeklagt werden können. Doch das ist gescheitert. Ein Kabinettsbeschluss ist nun mal kein Gesetz. In der Berliner Verhandlung ging es dann schnell nur noch um die allgemeine staatliche Schutzpflicht.

Die Urgenda-Klage taugt nicht als Vorbild

Das Gericht sah nun den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers noch nicht verletzt. Daran änderte auch der wiederholte Hinweis der Kläger auf die erfolgreiche Urgenda-Klimaklage in den Niederlanden nichts. Im Gegenteil: Wenn die niederländische Regierung durch dortige Gerichte verpflichtet wird, den CO2-Ausstoß um 25 Prozent (gegenüber 1990) zu reduzieren, dann kann die in Deutschland tatsächlich erfolgte Reduzierung um 32 Prozent nicht so verkehrt sein.

Wer wie Greenpeace das niederländische Urgenda-Urteil mit seiner 25-Prozent-Reduzierung als wegweisend lobt, aber zugleich für Deutschland eine 40-Prozent-Reduzierung als allerunterste rechtliche Grenze propagiert, wirkt nicht sehr überzeugend.

Es ist nur schwer vorstellbar, dass ein Gericht in Deutschland derzeit eine Schutzpflichtverletzung durch die Klimapolitik annimmt, solange diese nicht völlig untätig ist. Insofern sind die Klima-Klagen bis auf weiteres eher Mittel der Öffentlichkeitsarbeit und der politischen Auseinandersetzung. Das gilt auch für die Klage, die der BUND im Vorjahr vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht hat.

Was aber im Berliner Prozess auch deutlich wurde: Je länger die Politik von ihrem Gestaltungsspielraum zu Lasten des Klimas Gebrauch macht, umso härter werden in einigen Jahren die Maßnahmen ausfallen müssen. Und wenn sich die Politik dann nicht traut, kann es wirklich auf Gerichte ankommen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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14 Kommentare

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  • Merke:



    Es gibt nur ein Rechtsnorm, die Klima- und Umweltzerstörung als "Nebenprodukt" von Profitmaximierung und Bequemlichkeit legalisiert. Die Rechtsnorm heißt Kapitalismus. Für den Erhalt eines lebensfreundlichen Klimas und Ökosysteme, der Lebensgrundlage für den Menschen, geschweige denn für das Tier, gibt es keine Rechtsnorm.

    • @Uranus:

      Sorry „Kapitalismus“ ist keine Rechtsnorm oder eine Biersorte. Auch stimmt es nicht, dass null Rechtsnormen für Tiere bestehen.

    • @Uranus:

      Das zeigte ja auch deutlich der Zustand der Umwelt in der DDR und in der Sowjet-Union. Ich denke da mal an Bitterfeld, Wolfen, Aue...

      • @Der Erwin:

        Da gab es Staatskapitalismus, Konkurrenz mit dem "westlichen System", Fortschrittsideologie usw.. Zum einen - was hat das aber mit den hiesigen/jetzigen Verhältnissen zu tun? Zum anderen - wenn mensch Kapitalismus und hiesige Eigentumsordnung kritisiert, heißt das nicht automatisch, dass mensch DDR & Co gutheißt. Es gibt auch Kritik in verneinender Form.

        • @Uranus:

          Nö. Das weltweit von allen Kommunisten jubelnd begrüßter Kommunismus.

          Und übrigens: ist ihnen aufgefallen, dass bei Ihrer Logik zu Ende gedacht, die Gegner des Stalinismus, die bei Pseudolinken i.d.R. als üble Antikommunisten fungieren logischerweise zu besten Antikapitalisten und die Befürworter seinerzeit in der Weimarer Demokratie, die KPD, zu pösen Antikommunisten?

          • @Rudolf Fissner:

            Sorry, aber Quark. Weil die das als Kommunismus bezeichnen, muss es noch lange keiner sein. ist aber unwichtig denn:



            In einem Sozialismus kann man umweltverträgliche Politik machen, oder auch nicht. Das hat mit diesem System nichts zu tun.



            Aber im Kapitalismus kann man das nicht, da er auf endloses Wachstum setzt (das behaupten die Kapitalisten immer schon selbst). Und endloses Wachstum steht im Gegensatz mit Reduktion, Nachhaltigkeit, Ökologie.

    • @Uranus:

      Ergänzung: verwundern sollte dies nicht.

  • Möglich ist -zu horrenden Kosten- die Reduktion der CO2 Emmissionen. Nicht möglich ist es, den Wandel des Klimas zu stoppen. Das Klima wandelt sich, seit es die Erde gibt.

  • Ergänzt

    Es geht sehr wohl um drohende Schutzpflichtverletzungen wie es Greenpeace gerichtlich als Mittel seiner Öffentlichkeitsarbeit und politischen Auseinandersetzung adressiert. Da stimme ich dem Autor zu.

    Es geht aber vor allem um eine Klimaschuldenbremse durch das Pariser Klimaabkommen 2016, die die Bundesregierung mit ihrem Klimapaket offensiv zu brechen vorgibt, d. h. im Grundtext gegen die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse willentlich verstoßen will, in dem dieses ungesetzliche Berliner Regierungshandeln ab 2020 Milliarden € an Strafen durch Brüssel auslösen wird, die im vorliegenden durch den Bundestag abgestimmt Berliner Staatshaushalt 2020 meines Wissens noch nicht einmal eingestellt sind.

    Weshalb die AfD sich ja als Dieselgate, Klimawandel durch Menschenhand Leugner die Aufkündigung Pariser Abkommens 2016 wie Donald Trump, absehbar auch Brexiteers, voran Boris Johnson propagandistisch populistisch lauthals auf ihre Wahlkampf Fahnen schreibt.

    Der Mangel der GREENPEACE Klimaklage diese Klimaschuldenbremse Problematik gerichtlich nicht als Verstoß gegen die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse, das Bundeshaushaltsgesetz mit adressiert zu haben sollte schleunigst von Greenpeace, BUND geheilt werden

  • Nächstes Jahr wird die Niederlande ihr gerichtlich festgestelltes Ziel verfehlen. Was dann?



    Muss die Regierung an den Staat Strafe zahlen?



    Oder wird die Regierung weggesperrt?



    Und dann solange gewählt, bis eine Regierung, die das Ziel des Gerichts vertritt, etabliert wird?

  • "Insofern sind die Klima-Klagen bis auf weiteres eher Mittel der Öffentlichkeitsarbeit und der politischen Auseinandersetzung"

    In erster Linie, ja.

    Aber da befindet sich nunmal unsere Auseinandersetzung. Solange genug WählerInnen entweder glauben, dass "Klima ein Märchen" sei (AfD) oder dass "man nix machen muss" (FDP, CDU und teilweise SPD) werden wir nicht die nötigen Gesetze zusammenkriegen.

  • Stimme grundsätzlich zu.

    Nur - Herr Christian Rath - Geht’s noch?! 👻

    “ Tatsächlich hatte das Umweltministerium von Svenja Schulze (SPD) dies bestritten. Doch damit stand das Ministerium auf aussichtslosem Posten. Der Staat hat immer eine Schutzpflicht für die Grundrechte, deren Einhaltung auch gerichtlich überprüfbar ist. Dies hat das VG Berlin jetzt bestätigt. Doch das ist kein Durchbruch, sondern eine Selbstverständlichkeit.…“

    Dieser salto mortale - ihnen selbstverständlich - unbemerkt - Gellewelle.



    In zweieinhalb Sätzen - sollte doch mehr als zu Denken geben - wa. Get it? Fein.



    &



    Schön - wenn das selbstverständlich würde.



    &



    Die Exekutive - sich rechtsaffinem Denken als selbstverständlich verpflichtet.



    Verfassungsgemäß - Fühlen - Denken & vor allem - Verhalten würde.



    &



    Nicht - wg Vollstreckung von rechtskräftigen Urteilen!!



    Der Bayrische VGH München - eine Vorlage beim EuGH machen muß!

    kurz - Allseits - Dank im Voraus 🗽 🗽 🗽

    • @Lowandorder:

      Sehe im Beitrag als Bezugspunkt der Selbstverständlichkeit weniger ein "Verhalten würde", als ein selbstverständlich -verhalten müsste-. Wobei Sie schon auch recht haben, ein müssen, das so oft konterkariert wird, ist doch eher lätschig.

      Zum EuGH, also wär ich Richter am VGH München, würd ich wohl auch versuchen die Verantwortung abzuwältzen, ebenso feige wie vernünftig (soviel zur Gewaltenteilung^^).

      • @BluesBrothers:

        short cut - by 🚂 - mit jura vllt nicht unbedingt versuchen hm? 👻

        unterm—-& btw not only -



        Die Sachen der Kollegen vom VGH München - hab ich via Bay. VerwBlätter - sie waren die ersten die sowas hatten - immer mit Interesse gelesen.



        Entsprechend war/ist auch der persönliche Umgang.



        FJS - hat sich einst die Zähne ausgebissen - den Hof auf Linie zu bringen.



        ps kurioserweise hat das in Bayern wohl auch mit dem “Platzziffersystem“ zu tun



        Wie mir mal beim Frühschoppen Hans-Jochen Vogel verklickert hat!;)



        (“Nein - stimmt nicht - ich habe keine zwei Einser (~ Ludwig Thoma).



        Aber - im 2. die Platzziffer 1!“) 😎

        Na Servus