Gericht zur Schließung der Haasenburg: Ein gefährliches Urteil
Wenn nicht die Haasenburg-Heime hätten geschlossen werden dürfen, welche Einrichtung dann? Das Ministerium muss nach dem Urteil in Berufung gehen.
D ie Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus, das die im Jahr 2013 erfolgte Schließung der Heime der Haasenburg GmbH im Nachhinein für rechtswidrig erklärt, wirft nicht nur juristische, sondern auch institutionelle Fragen auf. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass in der Haasenburg zu dem Zeitpunkt, als sie im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit stand, keine akute Kindeswohlgefährdung bestand, und sollte es sie geben haben, hätten ja Auflagen gereicht.
33 Jahre alt, war von 2003 bis 2006 in der Haasenburg untergebracht. Er ist Gründer der Betroffenengemeinschaft der ehemaligen Haasenburg-Kinder.
Eine vom brandenburgischen Bildungsministerium eingesetzte Expertenkommission hielt den Weiterbetrieb damals nur nach umfangreichsten Reformen für möglich. Besonders alarmierend ist, dass das Gericht die mögliche Verletzung der Grundrechte der Kinder und Jugendlichen, die in der Haasenburg waren, abfällig damit relativierten, diese wären eine „schwierige Klientel“ gewesen. Dabei hat das Gericht nie mit uns, den Betroffenen, gesprochen. Offenbar stehen die Grundrechte des privaten Trägers auf Geschäftsfreiheit dem Gericht näher, begründet es sein Urteil doch damit, dass das Ministerium damals ihm gegenüber nicht die „Verhältnismäßigkeit“ gewahrt habe. Das wirft für mich die Frage auf, ob das Gericht die schutzwürdigen Interessen und Rechte der Kinder je im Blick hatte?
Das Verfahren hätte eine Gelegenheit sein können, die Schutzmechanismen für vulnerable Kinder und Jugendliche zu stärken. Stattdessen scheint es das Gegenteil zu bewirken. Denn nach Logik dieses Urteils müssten solchen Einrichtungen im Zweifel wieder und wieder Chancen eingeräumt werden. Damit steht das Landesjugendamt in Brandenburg künftig vor einer scheinbaren Handlungsunfähigkeit, die folgenschwere Auswirkungen auf die gesamte Kinder- und Jugendhilfe haben wird.
Panikknopf für die Kinder empfohlen
Eine der dringenden Empfehlungen der Expertenkommission lautete, dass jede und jeder Jugendliche in der Haasenburg einen Alarmknopf haben sollte, mit einer Verbindung zu einer nahegelegenen Polizei oder Rettungswache. Eine Einrichtung, in der die latente Gefahr für Leib und Seele für die dort untergebrachten Kinder und Jugendlichen so hoch ist, dass sie offensichtlich einen Panikknopf brauchen, sollte auch keine Betriebserlaubnis haben. Um zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen, braucht es nichts als Anstand.
Dieses Urteil wird das Leben von Kindern, die aktuell noch in ähnlichen Heimen untergebracht sind, nachhaltig gefährden. Allein deswegen ist das Ministerium angehalten, unbedingt in Berufung zu gehen. Bei all dem drängt sich eine Frage zwingend auf: Wenn man der Haasenburg die Betriebserlaubnis nicht entziehen kann, welcher Einrichtung dann?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren