Gericht weist Klage zurück: Imker gewinnt gegen Böhmermann
Ein Imker aus Meißen darf mit dem Konterfei und Namen von Jan Böhmermann für seinen Honig werben. Das entschied das Landgericht Dresden.
„Wer austeilt, muss auch einstecken können!“ Die alte Boxerregel gilt sogar für einen Chefausteiler und Bundesscharfzüngler wie Jan Böhmermann. Man darf mit den gleichen Mitteln zurücksatirieren, wenn man sich von ihm denunziert fühlt, befand am Donnerstag das Landgericht Dresden. Es wies den Antrag auf eine einstweilige Verfügung des Fernsehmoderators und Satirikers gegen einen Imker aus Meißen zurück. Der hatte sich mit einer parodistischen Werbeaktion gegen die Unterstellung im ZDF-„Magazin-Royale“ gewehrt, er betreibe so genanntes „Beewashing“. Ein Gütetermin Mitte Januar war gescheitert.
Böhmermann hatte in der Magazinsendung vom 3. November 2023 das Greenwashing bei deutschen Konzernen thematisiert, also die Täuschung von Partnern und Kunden durch den Anschein ökologischen und nachhaltigen Wirtschaftens. Dabei gerieten auch Imker ins Visier. Böhmermann und die Redaktion behaupteten, auch sie würden „Beewashing“ betreiben, die Unwissenheit von Käufern ausnutzen und mit dem Bienensterben Geschäfte machen. Beispielhaft erschien für acht Sekunden das Firmenlogo der „MyHoney“-Bio-Imkerei aus dem sächsischen Meißen. Geschäftsführer Rico Heinzig hält etwa 200 Bienenvölker und bietet Bienenpatenschaften für Schulen und Firmen an.
Heinzig fühlte sich verkannt, rannte aber nicht gleich zum Anwalt, sondern wehrte sich mit einer eigenen kabarettistischen Nummer. Reichlich zwei Wochen später bauten er und seine drei Mitarbeiter in einer Dresdner Edeka-Filiale einen Stand mit 150 Honiggläsern auf, beschriftet als „beewashing HONEY“. Dahinter war auf einem fingierten Plakat Böhmermann in seiner typischen fingerzeigenden Geste aus der Fernsehsendung zu sehen.
Er weist auf eines dieser Gläser. Darüber steht: „Führender Bienen- und Käferexperte empfiehlt“. Auch Online waren diese Honiggläser bestellbar. Auf jedem klebt außerdem ein QR-Code, mit dem man einen eigens eingerichteten Youtube-Kanal aufrufen kann. Dort klärt Imker Heinzig auf und stellt seine Sicht auf das Bienenproblem dar.
Seltene Heiterkeit im Gericht
„Der Antrag auf einstweilige Verfügung war zulässig, aber unbegründet“, erklärte Richterin Heike Kremz. „Herr Böhmermann muss Reaktionen derer in Kauf nehmen, die von ihm ins Rampenlicht gezogen werden“, lautete schließlich das Fazit ihrer dreiviertelstündigen Urteilsbegründung. Die Richterin, hörbar nicht humorfrei veranlagt, wahrte während dieser Zeit weitgehend die Contenance. Denn im von zahlreichen Journalisten besetzten großen Schwurgerichtssaal regte sich während ihres Vortrags mehrmals eine in diesem Justizmilieu seltene Heiterkeit.
Weder von Kläger- noch von Beklagtenseite waren Vertreter zur Urteilsverkündung erschienen. Imkeranwalt Markus Hoffmann aus Dresden hatte zuvor beim Gütetermin von einem „Schock“ seines Mandanten berichtet, der sich „mit einer überzeichneten Gegensatire“ zur Wehr setzen und dem Thema Aufmerksamkeit verschaffen wollte. Böhmermann-Anwalt Torben Düsing stellte Persönlichkeitsrechte in den Vordergrund. Sein Mandant wolle nicht, „dass man mit seinem Gesicht und Namen wirbt“, ja Böhmermann betreibe grundsätzlich keine Produktwerbung.
Mit diesem Persönlichkeitsrecht befasste sich Richterin Heike Kremz auf der Basis von Artikel 23 im Kunsturheberrechtsgesetz ausführlich. Zwar bestehe grundsätzlich das Recht am eigenen Bild. Aber auch ohne Einwilligung des Betroffenen könne ein Foto veröffentlicht werden, wenn es sich um einen zeitgeschichtlichen Vorgang handelt und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden. Das sei hier der Fall.
Im Zweifel für die Freiheit
Der Kontext lasse Ironie eindeutig erkennen. „Es wäre ja auch ein Widerspruch zu Behauptungen in der Sendung, wenn Jan Böhmermann auf einmal ein Produkt des Angegriffenen anpreisen würde“, übte sich die Richterin in Logik. Wiederholt ist in ihrer Begründung von einer „satirischen Meinungsäußerung“ die Rede. In der Güterabwägung seien „Deutungen vorzuziehen, die Satire ermöglichen“. „In dubio pro libertate“ – im Zweifel für die Freiheit, fasste Heike Kremz ihre Sicht zusammen.
Die wirtschaftlichen Interessen von Imker Heinzig, der bereits von besorgten Kundenanrufen seiner berichtete, spielten nur am Rande eine Rolle. Beide Parteien haben nun vier Wochen Zeit, Berufung beim Oberlandesgericht Dresden einzulegen. Der moralische Streitwert der Auseinandersetzung dürfte jetzt schon höher liegen als der auf 15.000 Euro angesetzte materielle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis