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Geplantes Gesetz zur IntensivpflegeSpahns Unheil

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Spahns Entwurf sieht vor, dass nur „in Ausnahmefällen“ ein Anspruch auf Intensivpflege zu Hause besteht. Diese Passage muss einfach weg.

Hat es geschafft, in kurzer Zeit Zehntausende gegen sich aufzubringen: Gesundheitsminister Spahn Foto: dpa

M an reibt sich die Augen und fragt sich, wie Gesetzentwürfe in Deutschland eigentlich so entstehen. Ob die zuständigen Minister die Risiken und Nebenwirkungen wirklich bedenken und das Ding überhaupt Seite für Seite gelesen haben, bevor der Entwurf an die Öffentlichkeit geht. Den Entwurf zum Intensivpflegestärkungsgesetz zum Beispiel. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat es in kurzer Zeit geschafft, Zehntausende von Menschen wegen dieses Entwurfs gegen sich aufzubringen, und der Verdacht kommt auf, dass er sich mit dem Thema, dessen Vielfalt und den Schicksalen, die damit verbunden sind, zuvor nicht wirklich beschäftigt hat.

Die Grundidee des Entwurfs, die ambulanten Dienste in der Intensivpflege strengerer Qualitätskontrolle zu unterziehen, ist ja richtig. Mit beatmeten PatientInnen verdienen Kliniken und ambulante Pflegedienste viel Geld, und es gibt Krankengruppen wie etwa Schlaganfallpatienten, mit denen manchmal nicht ausreichend trainiert wird, um sie von der künstlichen Beatmung dauerhaft wegzubringen. Ein künstlich beatmeter Patient mit Luftröhrenschnitt bringt einem Pflegedienst viel Geld. Es ist richtig, hier stärker zu kontrollieren, was nötig ist und was nicht.

Aber im Gesetz steht auch noch ein weiterer Passus, nämlich dass die dauerhafte Intensivpflege von Schwerkranken künftig „in der Regel“ in Heimen oder spezialisierten Pflege-WGs erfolgen soll. Nur „in Ausnahmefällen“ soll auch künftig noch ein Anspruch auf Intensivpflege zu Hause bestehen. Die häusliche Rund-um-die-Uhr-Versorgung Schwerstkranker wird damit zum Ausnahmefall erklärt – als hätte es all die Diskussionen um Selbstbestimmung, Würde und Teilhabe nie gegeben.

Dabei leben in Deutschland Menschen mit starken Behinderungen, die mithilfe ihrer AssistentInnen arbeiten und durch die 24-Stunden-Betreuung weiter bei ihren Familien oder sogar allein wohnen können. Das ist eine soziale Errungenschaft, auf die wir stolz sein können.

Was also will ein Minister mit so einem ­Gesetzentwurf vermitteln? Man stelle sich vor, der erste voll gelähmte Patient mit der Krankheit ALS bittet darum, seine künstliche Beatmung einzustellen und sterben zu dürfen, weil er nicht weg von der Familie und ins Heim geschickt werden will.

Dazu wird es wohl nicht kommen, auch Spahn will politisch weiterleben. Aber es wäre auch schlimm genug, wenn Betroffene mit irgendwelchen „Zumutbarkeitsprüfungen“ der Krankenkassen in Angst und Schrecken versetzt und die „familiären“, „persönlichen“ und „örtlichen“ Umstände erschnüffelt werden. Wenn Spahn nicht das Bild eines völlig überforderten Gesundheitsministers von sich abgeben will, muss die Passage weg. Ganz einfach.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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17 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Hallo. Ich arbeite in der Intensivpflege. Mir kommt es auch so vor, als ob der gute Herr Spahn sich mit dieser Thematik gar nicht richtig auseinander gesetzt hat. Erstens geht es immer um das Wohl dieser Patienten und ihre Bedürfnisse. Zweitens die würde eines Menschen ist unantastbar. Jetzt soll diese bei den schwächsten und kranken angegriffen werden? Drittens wir Pflegekräfte haben nicht umsonst eine 3 jährige Ausbildung gemacht +zahlreiche Fort, - und Weiterbildungen. Da müssen wir uns nicht sagen lassen, wir wären schlecht qualifizierte Kräfte. Wir wissen was wir leisten, den wir müssen unsere Stunden bei dem Patienten allein verrichten. Es ist nicht nur die Med. reichen. Sondern wir gestalten den gesamten Tages, - und Nachtablauf. Vielleicht sollte ein Herr Spahn und sein gesamtes Team sich die arbeit von Häuslicher Intensivpflege mal für ein paar Tage selbst mit anschauen und dan reden.

    • @Zency:

      Ich kann mir nicht vorstellen das Herr Spahn, auch nur Ansatzweise was dadurch lernt wenn er Wochen lang diesen Job machen würde. Ein Politiker der nicht lernfähig ist! Ihr Pfleger/in egal in welchen Bereichen Ihr tätig seit, ich ziehe meinen Hut vor euch. Ihr habt den härtesten Job, meine Hochachtung.

  • Nicht wirklich. Er wollte eine Lobby bedienen und hat sich die Finger verbrannt. Vielleicht doch einfach mal den Entwurf selbst lesen. Die stationäre Versorgung wird teurer, ist schlechter und bietet höhere Profite. Schon komisch, wenn jemand mit Kosten argumentiert dabei lediglich die Preise des derzeitigen Systems nennt und nicht die Kalkulation der angeblich besseren Lösung aufdeckt.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Nachdem Frau vdL zur EU weggelobt wurde, Seehofer ein wenig zur Besinnung gekommen ist, wird nun Spahn zum schlechtesten Minister im Kabinett.

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Ja... Den hätte man sich wirklich Spahn können 😂

      • @sucram.hh:

        :-)

  • Der Spahn ist Lobbyist der Gesundheitsindustrie und war zumindest teils auch an entsprechenden Firmen beteiligt.



    Alle Patienten müssen unter deren Kuratell. Dann verdient es sich leichter.

    Die wesentlichen westlichen Werte: Cash, Cash, Cash

    • @J_CGN:

      Schon krass, was wir hier für eine Bananen-Republik haben 🤮

      ... Wikipedia weiß dazu Folgendes (Artikel über Jens Spahn):

      "[...]Von 2006 bis 2010 war Jens Spahn über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts an einer Lobbyagentur für Pharmaklienten namens „Politas“ beteiligt, während er gleichzeitig Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages war. Ein Bericht des Focus bezeichnete die Abgeordnetentätigkeit und seine Arbeit als Gesundheitspolitiker in Verbindung mit bezahlten Nebentätigkeiten für die Pharmaindustrie als „interessantes Geschäftsmodell“ und warf ihm mögliche finanzielle Interessenkonflikte vor. [...]"

  • Es scheint mir ein naheliegender Verdacht, dass die so freiwerdenden Fachkräfte in die Kliniken gelockt werden sollen, um so der gescheiterten Pflegeoffensive ein schönes Make-up zu verpassen. Gleichermaßen wären die Kostenträger sicher bereit, bei anderen kostspieligen Projekten des Ministeriums mit zu ziehen, wenn langsam aber sicher die Kosten für die häusliche Intensivpflege wegfallen würden. Beitragssatzsenkungen ließen sich verargumentieren u d die Grosswählerschaft jubelte. Leider alles auf dem Rücken der Schwerstkranken und deren Familien, der Mitbestimmung und freien Lebensgestaltung. Pflegende Angehörige, auf deren Schultern ohnehin ein unglaublicher Druck liegt, ständen ohne Hilfe vor der Entscheidung zwischen dem lebenswerten Miteinander und wirtschaftlichen Fiasko oder seelischem Bankrott mit finanzieller Sicherheit.

  • Der Minister ist Bankkaufmann und Politikwissenschaftler... Super Vorraussetzungen, um Gesundheitspolitik zu machen. Jeder Arzt, jede Krankenschwester muss sich regelmäßig und engmaschig weiterbilden, um überhaupt nicht in die Nähe von Patient*innen zu kommen! Die aktuelle Situation macht ein großes Problem in der deutschen Politik sichtbar: Posten gibt's nicht unbedingt für Kompetenzen...

    • 0G
      05838 (Profil gelöscht)
      @sucram.hh:

      Richtig. Eher wird ein Fleischer Wissenschaftsminister als ein Ingenieur. ;-)

  • Die Intensivpflege daheim und die zuvor angeblich gelaufene Diskussion um Selbstbestimmung als "Errungenschaft" zu bezeichnen, zeugt leider von fehlender Geschichtskenntnis des Schreiberlings.

    Es handelt sich hier um eine UNO-Resolution aus den Neunzigern, die das Recht auf Versorgung zu Hause für Menschen mit voller Entscheidungsfähigkeit garantiert.

    Diese Resolution wurde in Deutschland, als einem der letzten EU-Länder, und lange nach Indien, überhaupt erst in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts umgesetzt.



    Davor wurden die betroffenen Menschen im Rahmen von Einzelfallduldungen versorgt, die sie sich teils gerichtlich erstritten haben.

    Eine "Diskussion" in Deutschland im nahegelegten Sinne eines gesellschaftlichen erkenntnisprozesses hat mit Sicherheit nicht stattgefunden, und es ist auch keine Errungenschaft dieser "deutschen" Nation.



    Diese subtile Kolportation mache ich mal vorsichtig als schlichte Geschichtsfälschung kenntlich.

  • "der Verdacht kommt auf, dass er sich mit dem Thema, dessen Vielfalt und den Schicksalen, die damit verbunden sind, zuvor nicht wirklich beschäftigt hat."

    Ich hatte bisher noch nie den Eindruck, dass er sich auch nur irgendwie mit Menschen und ihren Bedürfnissen beschäftigt. Zumindest nicht mit denen, die das letztendlich persönlich alles betrifft, was er sich da so ausdenkt.

    Hat er im Gesundheitsministerium nicht wenigstens fähige Mitarbeiter/innen?

    Wenn man sich ansieht, wer da z.B. auch als Merkels Nachfolge im Rennen war - Merz und Spahn und AKK! Dass es Merz oder Spahn nicht wurden, war wohl eher nur Glück für Unbeteiligte, aber mit AKK konnte für die Gesellschaft auch nur das schlimmste verhindert werden. Selbst sie ist ja gesellschaftspolitisch und sozial gesehen eine Katastrophe aus dem vermeintlich hinter uns gelassenen vergangenen Jahrhundert (bis 1970 bzw. 1990).

    Ich ahne schlimmes für die nächsten Jahre in Deutschland. Retro ist in, scheinbar auch politisch bei jungen Politikern.

  • Die Ideologie des "Wachstums ueber alles" schlaegt mal wieder zu. Dass Menschen im Erwerbsalter von ihren Familien getrennt leben, um letztlich auch die.Pflegeversicherungsbeitraege zu erwirtschaften, die durch den hoeheren Pflegeaufwand zu Hause erforderlich werden, und die Pflegekraefte selbst auch, muss in der Abwaegung auch eine Rolle spielen.

  • Da hat sich Herr Spahn aber mit einer sehr starken Lobby angelegt. Mal sehn, ob und wie er Minister kann.

    • @TazTiz:

      mobilisiert, teilt, unterzeichnet ... macht Radau !!! Wir brauchen JEDEN einzelnen! So was darf nicht kommen! Die Selbstbestimmung darf nicht angetastet werden‼️ #RISG #nichtmeinGesetz www.change.org/intensivpflege

      • @Jens Matk:

        Da kann man nur zustimmen! Ich drücke die Daumen!