Geplantes Embargo gegen Russland: Wie schlimm wird der Ölboykott?
Die EU-Kommission will Ölimporte aus Russland bis zum Jahresende weitgehend stoppen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Konsequenzen.
Wann soll der Boykott für russisches Erdöl in der EU kommen?
Der Vorschlag der EU-Kommission von dieser Woche sieht vor, dass der Import von russischem Rohöl in die EU innerhalb von sechs Monaten gestoppt wird – also bis Oktober. Bis zum Jahresende soll auch der Import von Ölprodukten, etwa Diesel und Benzin, verboten werden. Weil Ungarn und die Slowakei bis dahin nicht auf andere Quellen umsteigen können, soll es für diese Länder eine Übergangsfrist bis Ende 2023 geben.
Werden die EU-Staaten diesem Vorschlag überhaupt zustimmen?
Die Sanktionen müssen von den Mitgliedstaaten einstimmig beschlossen werden; ob das gelingt, ist noch offen. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte am Freitag, die Pläne kämen einer „Atombombe auf die ungarische Wirtschaft“ gleich. Um eine Zustimmung zu erreichen, ist darum die verlängerte Übergangsfrist und zusätzliche finanzielle Unterstützung beim Aufbau einer alternativen Versorgung für die besonders abhängigen Länder im Gespräch.
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Wie ist Deutschland auf den Importstopp von russischem Öl vorbereitet?
Lange galt auch Deutschland als Problemfall in Sachen russisches Öl: Während EU-weit etwa 25 Prozent des Öls aus Russland stammt, waren es in Deutschland im letzten Jahr rund 35 Prozent. Etwa ein Drittel davon kam per Tanker über die Nordseehäfen und wurde in Westdeutschland verarbeitet. Dieser Teil war vergleichsweise leicht zu ersetzen. Schwieriger sieht es mit den übrigen zwei Dritteln aus, die durch die Pipeline „Druschba“ (russisch: Freundschaft) aus Russland über Weißrundland und Polen nach Ostdeutschland fließen. Über diese werden die Raffinerien in Schwedt (Brandenburg) und Leuna (Sachsen-Anhalt) versorgt.
Wie soll Ostdeutschland stattdessen versorgt werden, wenn kein Öl mehr aus Russland kommen darf?
Für die Raffinerie in Leuna ist bereits eine Lösung gefunden: Sie wird künftig mit Öl versorgt, das per Tanker nach Rostock gebracht wird. Von dort führt eine Pipeline nach Schwedt und von dort weiter nach Leuna. Weil sich Rohölsorten je nach Herkunft chemisch unterscheiden, kann kurzfristig allerdings kein beliebiges anderes Öl eingesetzt werden. Experten gehen jedoch davon aus, dass genügend geeignete Alternativen, etwa aus Norwegen oder Westafrika, zur Verfügung stehen.
Und was ist mit Schwedt? Dort ist die Sorge ja offenbar besonders groß.
In Schwedt gibt es zwei Probleme: Zum einen langt die Kapazität der Pipeline aus Rostock nicht, um sowohl die Raffinerie in Leuna als auch die in Schwedt zu versorgen. Doch technisch gibt es dafür eine Lösung: Die Druschba-Pipeline hat in Polen eine Abzweigung, über die bisher Rohöl nach Danzig transportiert wurde. Hier könnte die Fließrichtung umgekehrt werden, sodass Öl per Tanker nach Danzig geliefert und von dort nach Schwedt gepumpt werden könnte.
Daneben gibt es aber noch ein rechtliches Problem: Die Raffinerie in Schwedt gehört mehrheitlich dem russischen Staatskonzern Rosneft, und der dürfte kein Interesse daran haben, fremdes Öl zu nutzen. Doch auch dafür ist bereits eine Lösung in Arbeit: Eine Gesetzesänderung, die noch im Mai im Bundestag verabschiedet werden soll, ermöglicht es, Energiekonzerne unter Zwangsverwaltung zu stellen oder zu enteignen, wenn das zur Sicherstellung der Versorgung erforderlich ist. Ab Juni kann in Schwedt also auch ohne Rosnefts Einverständnis nichtrussisches Öl verarbeitet werden.
Was genau passiert eigentlich in so einer Raffinerie?
Hauptaufgabe einer Raffinerie ist es, Rohöl durch Destillation in zahlreiche andere Produkte aufzuspalten. Die genaue Zusammensetzung unterscheidet sich je nach Rohölsorte und Verfahren, aber im Schnitt entstehen in einer Raffinerie aus 100 Litern Rohöl etwa 25 Liter Benzin, 40 Liter Diesel bzw. Heizöl, 10 Liter Rohbenzin (Naphta) als Rohstoff für die chemische Industrie und 4 Liter Kerosin; daneben entsteht noch sogenanntes Raffineriegas sowie Bitumen, das für die Asphaltherstellung verwendet wird.
Wird Benzin und Öl durch den Einfuhrstopp dann noch teurer?
Davon gehen viele Marktbeobachter aus. Weil Russland im Fall eines Embargos durch die EU und die USA einen Teil seines Öls gar nicht wird verkaufen können (siehe Grafik), sinkt das Gesamtangebot, während die Nachfrage kurzfristig nicht oder nur wenig sinkt. Zudem ist der Transport per Tanker tendenziell teurer als per Pipeline. Darum dürfte der Rohölpreis weiter steigen. Schon die Ankündigung der neuen EU-Sanktionen hat ihn wieder über die Marke von 100 Euro pro Barrel steigen lassen. Vor allem bei Diesel ist mit einer Preissteigerung zu rechnen. Denn aufgrund des hohen Dieselanteils unter den deutschen Fahrzeugen langt die Dieselproduktion der Raffinerien nicht aus, sodass auch fertiger Diesel importiert werden muss; auch dieser kam bisher zum Teil aus Russland.
Stört es Putin überhaupt, wenn wir sein Öl in Zukunft nicht mehr einkaufen werden?
Als Argument gegen das Ölembargo ist oft zu hören, dass dies Russland nicht wirklich schadet, weil die Exporte dann einfach in andere Länder, vor allem in Asien, gehen – und die Einnahmen durch den gestiegenen Rohölpreis sogar steigen. Daran gibt es aber ernste Zweifel. Bisher exportiert Russland etwa die Hälfte seines Erdöls in die EU, und diese Mengen lassen sich nicht einfach nach Asien umleiten. Denn Pipelines dorthin gibt es nur in sehr begrenztem Umfang, und auch der Transport per Schiff ist nicht ohne Weiteres auszuweiten.
Und die Mehreinnahmen durch den gestiegenen Rohölpreis werden dadurch gemindert, dass russisches Öl derzeit nur mit hohen Abschlägen abgesetzt werden kann.
Was ist das Problem beim Export des Rohöls per Schiff?
Schon jetzt sind die weltweiten Tankerkapazitäten begrenzt und die Transportwege von den russischen Häfen nach Asien sehr weit. Doch wenn die neuen EU-Sanktionen wie geplant in Kraft treten, werden auch die Exporte in Drittstaaten noch einmal deutlich erschwert. Die EU-Kommission will nämlich nicht nur den Import von russischem Öl verbieten, sondern auch dessen Transport auf Schiffen, die unter europäischer Flagge fahren oder Unternehmen aus der EU gehören – was ein großer Teil der Flotte ist. Allerdings ist noch offen, ob Griechenland, Zypern und Malta, die davon am stärksten betroffen wären, diese Maßnahmen mittragen.
Und noch auf einem anderen Weg will die EU den Export erschweren: Auch Versicherungen für Tankschiffe, die russisches Öl transportieren, sollen EU-Unternehmen nicht mehr erlaubt sein. Nach Ansicht von Analysten könnte dies einen massiven Schlag für die russischen Exporte darstellen. Schon bei der Durchsetzung von Sanktionen gegen den Iran hat ein Stopp von Versicherungen eine wichtige Rolle gespielt.
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