Geplantes Einfrieren von EU-Fördergeld: Plötzlich hat es Ungarn eilig
Die ungarische Regierung reagiert ungewöhnlich schnell auf von Brüssel geforderte Gesetzesänderungen. Die EU hat gedroht, Milliarden zu streichen.

Vergangenen Donnerstag hatte das EU-Parlament in einem ungewöhnlichen Schritt mit breiter Mehrheit eine Resolution verabschiedet, in der festgestellt wurde, dass Ungarn keine volle Demokratie mehr sei, sondern vielmehr eine „Wahlautokratie“. Doch Konsequenzen leiten sich daraus zunächst nicht ab. Kommentatoren in Ungarn vermuten, dass damit vielmehr Druck auf die zwischen der Europäischen Kommission und Ungarn geführten Gespräche gemacht werden soll. Ungarn soll nachweisen, dass es EU-Gelder bestimmungsgemäß verwendet.
Die Abgeordneten der Fidesz haben die Resolution scharf zurückgewiesen. Sie beruhe „auf zahlreichen Unwahrheiten“. Sie vermuten eine Strafaktion, weil die nationalkonservative Fidesz im vergangenen April zum vierten Mal in Folge an die Regierung gewählt worden sei. Die staatlich gelenkten Medien stellen den Konflikt als Kampf zwischen Ungarn und der EU dar. „In den freien Medien ist es klar, dass nicht Ungarn, sondern die ungarische Regierung gemeint ist“, sagt István Hegedüs, der Vorsitzende der Ungarischen Europagesellschaft, einer liberalen Nichtregierungsorganisation in Budapest.
Die Opposition macht Orbán und sein illiberales Regime verantwortlich für den wirtschaftlichen Schaden, der aus dem Einfrieren der Gelder erwachsen könnte. „Wenn die Regierung jetzt Zugeständnisse machen muss, ist das schon eine Niederlage für Orban“, meint Hegedüs. Er ist optimistisch, dass die Antikorruptionsbehörde einen Unterschied machen wird: „Es muss garantiert sein, dass sich an den Ausschreibungen nicht nur ein Unternehmen beteiligt, das dann zufällig einem Freund oder Verwandten Orbáns gehört.“
Vom Bankrotteur zum Millardär
Orbáns Jugendfreund Lörinc Mészáros ist so vom bankrotten Gasinstallateur zum Milliardär und reichsten Mann des Landes geworden. Auch Orbáns Vater und Schwiegersohn wurden durch dubios vergebene Staatsaufträge reich.
„Der Markt wird total von einigen großen Unternehmen kontrolliert, die in den letzten Jahren alle Ausschreibungen gewonnen haben“, sagt Hegedüs. Ungarns Regierung bestreitet diesen Vorwurf in ihrer Antwort an die EU-Kommission. Bei EU-finanzierten Projekten gebe es weniger Fälle von nur einem Bewerber als bei nationalen Ausschreibungen. Korruptionsfälle, die von der EU-Antikorruptionsbehörde OLAF recherchiert wurden, sind dann von Ungarns Staatsanwaltschaft ohne eigene Nachforschungen sehr schnell ad acta gelegt worden.
Der Verantwortliche der Grünen für den Rechtsstaatsmechanismus im Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments, Daniel Freund, ist nicht beeindruckt von Orbáns teilweisem Einlenken: „Was die EU-Kommission hier als Erfolg verkauft, ist bei näherer Betrachtung weniger beeindruckend. Ursula von der Leyen bleibt weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. 80 Prozent der EU-Zahlungen sollen weiter ungehindert nach Ungarn überwiesen werden. 27 Milliarden Euro fließen damit weiter in das korrupte System von Viktor Orbán.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin