Streit über Korruption: EU und Ungarn schließen Deal

Wegen mutmaßlichen Missbrauchs von Fördermitteln geht die EU hart gegen Ungarn vor. Trotzdem reagiert Premier Viktor Orbán gelassen.

Portrait Orban

Hat der EU einen Kompromiss abgerungen: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán Foto: Georg Hochmuth/dpa

BRÜSSEL taz | Die EU macht Ernst: Nach monatelangem Zögern werden Ungarn im Streit um den Rechtsstaat und die Korruption milliardenschwere EU-Hilfen entzogen. Allerdings geht es nur noch um 6,3 Milliarden Euro – und nicht um 7,5 Milliarden, wie die EU-Kommission empfohlen hatte. Die Regierung des Rechtspopulisten Viktor Orbán reagierte gelassen – denn im Gegenzug hat sie sich weitere Milliardenhilfen aus dem Corona-Aufbaufonds gesichert.

Die Entscheidung fiel nach einer Sondersitzung der EU-Botschafter in Brüssel. Zuvor hatte sich vor allem Deutschland für Kürzungen nach dem neuen Rechtsstaatsmechanismus starkgemacht. Europa-Staatsministerin Anna Lührmann sprach von einem „historischen Signal“. Es zeige, dass „Werte wie Rechtsstaatlichkeit nicht verhandelbar sind“. Orbán habe sein „Blatt überreizt“.

Der rechte Regierungschef konnte sich lange auf die Unterstützung der Osteuropäer und auf die konservative Europäische Volkspartei (EVP) verlassen, der auch CDU und CSU angehören. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs hat er sich jedoch zunehmend isoliert. Orbán sprach sich gegen neue Russland-Sanktionen aus und blockierte Ukraine-Hilfen mit einem Veto. Damit verscherzte er es sich sogar mit Polen.

Für die Einigung war eine qualifizierte Mehrheit nötig. Das heißt, dass mindestens 15 der 27 EU-Staaten zustimmen müssen, die zudem mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung vertreten. Um diese Supermehrheit musste Deutschland bis zuletzt bangen. Neben Polen drückte sich die neue Rechtsregierung in Italien lange um eine Entscheidung. Nur die Beneluxstaaten waren auf der harten deutschen Linie.

„Wir haben unsere Ziele erreicht“

Im Ergebnis soll Ungarn nun aber auch Milliardenhilfen aus dem Corona-Aufbaufonds erhalten. Die Zahlungen von bis zu 5,8 Milliarden Euro sollen jedoch erst erfolgen, wenn 27 „Meilensteine“ erfüllt sind. Diese betreffen zum Beispiel die Wirksamkeit der neu eingerichteten Integritätsbehörde zur Überprüfung mutmaßlicher Korruptionsfälle. Ungarn hat mit der Umsetzung dieser Bedingungen begonnen, 2023 soll alles fertig sein.

Das ist wohl der Grund dafür, dass sich die Regierung in Budapest zufrieden zeigt. „Wir haben unsere Ziele erreicht“, erklärte der ungarische Chefunterhändler Tibor Navracsics am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Budapest. Bis Jahresende werde man sich über die EU-Fonds einigen. Im April oder Mai nächsten Jahres würde die Blockade der Mittel beendet sein. „Ungarn wird die EU-Mittel abrufen können“, fügte der Minister hinzu.

Laut EU-Diplomaten geht der Deal aber noch weiter: Ungarn habe zugesagt, sein Veto gegen neue EU-Finanzhilfen für die Ukraine und gegen eine weltweite Mindeststeuer für Unternehmen aufzugeben. Damit könne man auch auf den Plan B für die Ukraine verzichten. Der sah vor, 18 Milliarden Euro an Hilfskrediten durch Garantien aus 26 EU-Ländern – ohne Ungarn – abzusichern, statt aus dem EU-Haushalt. Diese Kuh sei vom Eis.

Die offizielle Bestätigung steht jedoch noch aus; das „Ungarn-Paket“ muss im schriftlichen Verfahren von allen 27 EU-Staaten bestätigt werden. Das soll am Mittwoch folgen – rechtzeitig vor dem EU-Gipfel am Donnerstag. Damit wäre auch die Gefahr gebannt, dass Orbán das Spitzentreffen mit seinen Erpressungsversuchen stört.

Nun sieht es dagegen so aus, als könnten die Staats- und Regierungschefs ihren neuen Rechtsstaatsmechanismus feiern – in Ungarn scheint er zum ersten Mal Wirkung zu zeigen.

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