Gentrifizierung in Leipzig: Vermaledeite Aufwertung

Auch der ehemals unattraktive Leipziger Osten wird immer beliebter. Eine linke Gruppe hat dazu eine Informationsbroschüre rausgebracht.

Eisenbahnstraße im Leipziger Osten

Die Eisenbahnstraße im Leipziger Osten: ehemals gefürchtet, heute gehypt Foto: dpa

LEIPZIG taz | In einer ehemaligen Pizzeria auf der Eisenbahnstraße findet man das Erythrosin. Ein gemütlicher kleiner Raum, im hinteren Teil wird Essen ausgegeben – vegan und gegen Spende, damit alle etwas davon haben können. Seit 2012 hat sich das Erythrosin als Begegnungsort etabliert. Das Programm geht von Kneipenabenden über Vorträge hin zu Konzerten. Nun ist seine Existenz bedroht.

Das Ordnungsamt wirft dem gemeinnützigen Laden vor, unangemeldet eine Gaststätte zu betreiben; eine gängige städtische Reaktion auf nicht profitorientierte Nutzung von Flächen. Für das Projekt heißt das: zwischenzeitliche Schließung und teure Auflagen. Und auch wenn es noch nicht zu einer Räumung gekommen ist, so zeigt der Fall die Auswirkungen der Gentrifizierung im Leipziger Osten.

Die Gruppe „Prisma – Interventionistische Linke“ hat sich dieses Phänomens angenommen und eine Broschüre erarbeitet, in der die Prozesse erklärt, Beispiele der Verdrängung herausgestellt und mögliche Gegenstrategien aufgeworfen werden. Sie stellt eine Verschriftlichung von kritischen Stadtrundgängen dar, die die Gruppe seit rund einem Jahr anbietet.

Es geht um die Aufwertung des Leipziger Ostens. Denn Gentrifizierung bedeutet vor allem das: Imageaufwertung, steigende Mieten und Verdrängung. „Die Folge ist ein Bevölkerungsaustausch. Statushöhere Gruppen übernehmen den Stadtteil“, so Lisa Zeisel. Die 24-Jährige ist seit knapp einem Jahr bei Prisma. Eben diese Problematik soll die Broschüre aufzeigen, denn auch das gehypte Szeneviertel rund um die Eisenbahnstraße transformiert sich allmählich.

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Prisma betrachtet diese Prozesse aus einer kritisch-analytischen Sicht, indem sie die Grundmuster der Gentrifizierung erklären und diese in einen ganz realen Kontext setzen. Auch die Karl-Krause-Fabrik in Anger-Crottendorf, die ein klassischer Fall hochpreisiger Luxussanierung ist, wird als Beispiel angeführt. Die dort entstehenden Loftwohnungen werden weitere Aufwertungsprozesse im Viertel anregen.

Und auch wenn diese Entwicklung hier noch nicht weit fortgeschritten ist; der Leipziger Wohnungsmarkt ist inzwischen „einer der dynamischsten Investitionsmärkte“, wie Zeisel sagt. Daher müsse man, um die Gentrifizierungsprozesse aufzuhalten, „dem Immobilienkapital etwas entgegensetzen“. Die Vergesellschaftung von Wohnraum, zum Beispiel durch Hausprojekte, seien eine Möglichkeit. Mit der Broschüre schafft die Gruppe zumindest einen Anfang, den Diskurs vom gehypten Leipzig hin zu einer kritischen Perspektive zu lenken.

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