Gentrifizierung in Friedrichshain: Co-Working-Space statt Tanzfläche
Dem Nuke Club in Friedrichshain wurde überraschend gekündigt. Kultursenator Klaus Lederer verspricht, Druck auf den Vermieter auszuüben.
Doch so wie es aktuell aussieht, wird der Auftritt der Ungarn ins Wasser fallen müssen. Nicht etwa wie üblich wegen Corona, sondern weil dem Club soeben überraschend gekündigt wurde. Und da der Mietvertrag mit dem Eigentümer des Geländes, auf dem sich der Nuke Club befindet, lediglich eine sechswöchige Kündigungsfrist vorsieht, soll der Laden bereits Ende Juli zumindest an seinem derzeitigen Standort in der Pettenkofer Straße 16-18 Geschichte sein. 15 Monate im Lockdown und dann, wenn langsam die Hoffnung wiederkehren könnte, das tragische Ende.
Tino Zaddach, der Betreiber des Nuke Clubs, sagt, rein rechtlich sei gegen die Kündigung wohl nichts einzuwenden. Man habe auch von Anfang an gewusst, dass man hier nur zur Zwischennutzung sei. “Aber menschlich wäre es seitens des Eigentümers fair gewesen, uns rechtzeitig zu sagen: Hört mal, es gibt nun ein Bauprojekt, bei dem euer Club nicht mehr mit eingeplant ist. Kümmert euch bitte jetzt schon um eine neue Location.“ Der Schock, überhaupt raus zu müssen, sei das eine. So unvermittelt raus auf die Straße gejagt zu werden eine echte Katastrophe. Es sei einfach verdammt schwer und zeitaufwendig, in Berlin eine Ausweich-Location von für den Bedarf des Nuke Clubs angemessener Größe zu finden.
Er wirft dem Eigentümer vor, zu keinem Zeitpunkt mit offenen Karten gespielt zu haben. Dass dieser nun offensichtlich vorhabe, auf dem Gelände Büroflächen und Co-Working-Spaces zu errichten, habe er erst aus einem Artikel im Tagesspiegel erfahren, sagt er. Ihm gegenüber fiel in diversen Gesprächen, die es vor allem in der schwierigen Corona-Zeit gegeben habe, dazu kein Wort. Dass verschleppte Mietzahlungen, die es während der Pandemie gegeben hat, wie er einräumt, zumindest auch ein Grund für die Kündigung sei, verneint er. Davon stehe im Kündigungsschreiben auch nichts. Außerdem sei dem Club erst vor kurzem eine neue Brandschutzanlage vom Vermieter bezahlt worden: “Was wir als Signal gedeutet haben, dass man uns auch längerfristig hier haben möchte.“
Kultursenator will Druck ausüben
Gespräche mit der S Immo Germany GmbH, die nach der ausgesprochenen Kündigung geführt wurden, verliefen ergebnislos, so Zaddach. Es bleibe dabei: Ende Juli soll Schluss sein.
Inzwischen gibt es eine Petition, die bereits fast zehntausend Mal unterschrieben wurde, in der die Aussetzung der Kündigung gefordert wird oder wenigstens eine Fristverlängerung bis mindestens Ende des Jahres. Und die Politik wird darin aufgefordert, bei diesem Versuch, einen Kulturort zu verdrängen, zu intervenieren.
Was diese auch tut. Florian Schmidt, Baustadtrat von Kreuzberg-Friedrichshain, zeigt sich gegenüber dem “Tagesspiegel“ empört über das Vorgehen des Vermieters. Kultusenator Klaus Lederer verspricht, richtiggehend Druck auf diesen ausüben zu wollen. In der Clubszene, für die sich Lederer besonders engagiert, hat die S Immo AG sowieso nicht den besten Ruf, seit sie Anfang 2020 dem beliebten Neuköllner Club Griessmühle gekündigt hat. Lederer spricht nun von “gnadenloser Gentrifizierung“, der der Nuke Club zum Opfer falle.
Während und wegen Corona musste bislang kein Berliner Club aufgeben. Nun erwischt es augenscheinlich doch noch einen, aber aus anderen Gründen. Vielleicht ist das ja auch ein Ausdruck für die langsame Rückkehr zur Normalität: Die Interessen von Immobilienkonzernen sind endlich wieder gefährlicher für den Erhalt der Clubszene als die Pandemie.
Zaddach hört sich im Gespräch nicht so an, als würde er noch ernsthaft glauben, auf längere Sicht in der Pettenkofer Straße bleiben zu können. Aber wenigstens für eine Gnadenfrist möchte er kämpfen, sagt er. “Um hier vernünftig abschließen zu können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen