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Geld vom Staat wegen CoronavirusHongkong verteilt „Helikoptergeld“

Jeder Bürger der chinesischen Sonderverwaltungszone erhält einfach so 1.300 US-Dollar. Das soll die schwächelnde Wirtschaft ankurbeln.

Wirtschaft und Aktienkurs gehen den Bach runter – aber jetzt gibt es ein bisschen Geld für alle Foto: Tyrone Siu/reuters

Peking taz | Bislang blieb das „Helikoptergeld“ von US-Ökonom Milton Friedman reine Gedankenspielerei, nun schubst es das Coronavirus in die Realität. 1969 entwickelte er sein Konzept im Kampf gegen Volkswirtschaften in der Rezession: Wie ein Helikopter wirft der Staat wahllos über jedem Bürger tausend Dollar ab, um die Konjunktur anzukurbeln und die Inflation zu steigern. In Hongkong wird die Idee nun ausprobiert, und der auszuschüttende Geldbetrag übersteigt mit umgerechnet 1.300 US-Dollar sogar den Vorschlag Friedmans.

Es ist Teil eines 14 Milliarden schweren Konjunkturpakets, das Hongkongs Finanzminister Paul Chan am Mittwoch vorstellte; Steuererleichterungen sollen „Arbeitsplätze sichern“ und „die Belastung der Menschen mindern, um Hongkong über die Schwierigkeiten hinwegzuhelfen“.

Mit den Schwierigkeiten ist nicht nur das Coronavirus gemeint. Hongkong schlitterte schon letzten Herbst in eine Rezession, die sich in einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 1,2 Prozent für das Kalenderjahr bemerkbar machte. Für 2020 prognostiziert Chan im besten Fall ein Wachstum von 0,5 Prozent, möglicherweise könnte am Jahresende auch ein Minus von 1,5 Prozent stehen.

Verantwortlich für die Misere ist vor allem die seit letztem Sommer anhaltende Protestbewegung, die sich gegen den wachsenden Einfluss Festlandchinas auf Hongkong richtet. Die Aktivisten trafen die Finanzmetropole an ihrer Achillesferse – der Wirtschaft. Sie attackierten pekingfreundliche Unternehmen, legten Verkehrsadern zu morgendlichen Pendlerzeiten lahm und besetzten zeitweise den Flughafen.

Der massivste Einbruch betraf den Tourismussektor, da Besucher wegen der gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften fernblieben. Für die über sieben Millionen Hongkonger dient das Helikoptergeld als Pflaster. Das kränkelnde System mit horrenden Lebenshaltungskosten und überhitztem Immobilienmarkt kann es nicht heilen.

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6 Kommentare

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  • Bei einer anderen Regierung waere das als bedingungsloses Grundeinkommen begruesst worden. In Hong Kong muss es schlecht sein? Fuer viele Kleinselbstaendige ist das eine dringend notwendige Ueberbrueckung von Einkommensausfaellen.

  • Dank an Fabian Kretschmer für seinen Beitrag

    Ergänzt:

    Statt Schuldgeld Baron Münchhausen Reputationsgeld, statt über Schuldenaufnahme von Wagniskapital mit Geld riskante Unternehmungen zu finanzieren, Geld, um als volkswirtschaftlicher Partner auf Augenhöhe, nach eigenem Gusto, was zu unternehmen?

    Schöne heile monetäre Welt auf eingegrenztem Währungsraum in Zeiten Protektionismus?

    Potzblitz Kaiser Flugwetter für Helikopter- sprich Reputationsgeld?

    Reputationsgeld deshalb, weil dieses Geld dazu dient, die Reputation von bisher marginalisierten Teilnehmern der Volkswirtschaft zu heben, ähnlich wie die Hebung gemeinen Volkes in den Brief-, Etagenadelsstand im Kolonialismus bis 1918 und danach im United Kingdom, ohne über eigene Latifundien zu verfügen, noch Stimmrecht im House of Lords, geschweige denn das System auf bisher ausgegrenzte Volkswirtschaften in anderen Kontinenten über freien Handel, Verkehr von Personen, Gütern, Dienstleistungen auszudehnen.

    Das ist hübsch, ist aber vergebliche Mühe, Deflationstendenzen in Zeiten aufkommenden Protektionismus, konventioneller, atomarer Aufrüstung, Autarkie Bestrebungen, Anhebung von Zollschranken, Ausbremsen Freihen Handels, Wandel, Verkehrs von Personen, Gütern, Dienstleistungen entgegen zu wirken, weil das Helikopter- sprich Reputationsgeld nicht mehr Kaufkraft entfaltet, Produktionswachstum steigert, sondern Preise anhebt, gar verdoppelt, außer es wird im vorliegenden Fall in der Chinesischen Sonderwirtschaftszone Hongkong zur Verzögerung des Platzen der Aktienkursblase genutzt

    Erwachsene mit festem Wohnsitz in Hongkong sollen 10.000 Hongkong-Dollar (etwa 1180 Euro) erhalten, lt. Regierung Hongkong mit, weil die Wirtschaft seit Monaten unter Auswirkungen politischer Proteste sowie des Coronavirus-Ausbruchs leidet

  • Dieses Konsumgeld löst ein Grundproblem nicht: Es verändert nicht die Dynamik und Geschwindigkeit mit der die Produktion zu maximal günstigen Produktionskosten wachsen muss. Diese Spirale muss logischerweise irgendwann an ein Grenze stoßen. Dieses einmalige Konsumgeld stabilisiert den Staus quo. Es ändert nichts an dem Grundproblem.



    Bei uns nennt sich das Konsumgeld, Kaufanreiz oder -prämie, Subvention, Steuererleichterung....

    Ohne die Produktionsgeschwindigkeiten und die Arbeitszeiten zu reduzieren, können weder die Kaufkraft noch Zahl der Arbeitsplätze, dauerhaft auf einem gesellschaftlich akzeptablen Niveau gehalten werden. Es gibt Grenzen, die auch mit 2000 oder 3000 Euro Konsumgeld nicht langfristig gehalten werden können.

    • @Drabiniok Dieter:

      Es geht hier um eine ploetzlich aufgetretene und hoffentlich zeitlich begrenzte Krise. Daher ist eine befristete Aktion angemessen. Es wird auch deshalb recht pauschal vorgegangen, weil in der Kuerze der Zeit gar kein gezielteres Vorgehen moeglich waere.

    • @Drabiniok Dieter:

      Richtig.

  • Wie wäre es denn einmal mit einem dauerhaften und nicht einmaligen Einkommensschub, sowie dem Wegstreichen von Verbindlichkeiten!