Gastkommentar Rechte Feindeslisten: Gefährliches Geheimhalten
Der Staat gibt die Namen der betroffenen JournalistInnen auf den Feindeslisten von Rechtsextremen nicht preis. Das ist unverantwortlich.
S ystematisch Namen von Menschen zusammenzutragen, die man selbst als „Feinde“ einstuft, ist etwas anderes als Briefmarkensammeln. Wenn die „Feindeslisten“ dann auch noch im Umfeld von dem NSU und anderen Rechtsextremen ordentlich geführt werden, kann einem angst und bange werden.
Im Gegensatz zu gemütlichen Briefmarkensammlern sind die „Feinde-Sammler“ keine friedliebenden Zeitgenossen. Womöglich zählten die Listen-Ersteller sogar zu den Unterstützern der rechten Terrorszene. Der NSU hat gezeigt, dass aus Aufzeichnungen blutiger, ja tödlicher Ernst werden kann.
Mehr als 25.000 Namen wurden nach Angaben der Behörden so aufgelistet. Und was tun die Diener des Staates? Sie halten ihre Erkenntnisse vor ihren Bürgern geheim. Sie informieren nicht einmal JournalistInnen, die als besonders exponiert und damit besonders gefährdet gelten dürften, wenn sie derart von den Demokratiefeinden erfasst und gelistet wurden. Das ist unverantwortlich und kann gefährlich werden.
Indem er die Namen der Bedrohten geheim hält, macht sich der Staat schuldig, wenn auf die dort Genannten tatsächlich irgendwann ein Anschlag verübt werden sollte.
In einem ersten Schritt müssen Betroffene, die von Berufs wegen besonders gefährdet sind, nun vom Bundeskriminalamt darüber informiert werden, dass sie auf einer „Feindesliste“ stehen. Was spricht darüber hinaus gegen eine wissenschaftliche Aufarbeitung?
Dass man die Papiere mit Tausenden persönlicher Daten, zumal noch erstellt von mutmaßlichen Extremisten, nicht an die Öffentlichkeit geben will, ist bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Nachdem beim NSU auch nach dem Abschluss des Strafprozesses aber so vieles im Dunkeln geblieben ist, werden die Fragen immer drängender: Wer hatte Zeit und Energie, sage und schreibe 25.000 Namen von „Feinden“ zusammenzutragen und aufzuschreiben? Was sollte mit den Listen tatsächlich geschehen? Wann wussten die Sicherheitsbehörden davon? All dies sind Fragen, auf die es so rasch wie möglich befriedigende Antworten geben sollte.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau