piwik no script img

Gastkommentar Europäische AsylpolitikErneutes Versagen der CSU

Kommentar von Nadja Hirsch

Seehofers Polit-Amok sabotiert eine europäische Lösung der Flüchtlingsfrage, sagt Nadja Hirsch. Sie sitzt für die FDP im Europaparlament.

Flüchtlinge in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Dresden Foto: dpa

G emeinsame Lösungen brauchen Vertrauen. Dieses verspielt Deutschland gerade erneut durch den politischen Amoklauf von CSU-Innenminister Seehofer. Erneut, da es die CSU war, die das vermeintliche Versagen der EU in der Asyl- und Flüchtlingspolitik entscheidend mitverursacht hat.

Vor sieben Jahren schlugen Italien, Malta und Zypern vor, eine Schutzklausel anzuwenden, nach der Flüchtlinge automatisch innerhalb der EU verteilt werden sollten. Doch der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (ebenfalls CSU) erteilte dem eine Absage. Auch den Vorstoß des Europäischen Parlaments, einen EU-Verteilungsschlüssel einzuführen, lehnte Friedrich ab und hinterließ verbrannte Erde in Brüssel.

Verständlich, dass es von den zuvor allein gelassenen Mitgliedstaaten keine Zugeständnisse gab, als Deutschland 2015 einen großen Zustrom erlebte und solidarische Umverteilung forderte.

In den letzten drei Jahren wuchs jedoch die Bereitschaft wieder, ein gemeinsames europäisches Asylsystem zu schaffen. Nationale Alleingänge im Sinne der Dublin-Regulierung würden das mühsam aufgebaute Vertrauen zerstören. Denn diese Regulierung führte erst dazu, dass die südlichen Partner mehr Flüchtlinge aufnehmen mussten und teilweise schon früher „durchwinkten“. Selbiges würde Seehofers Vorschlag nach sich ziehen.

Bild: dpa
Nadja Hirsch

ist Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament. Nadja Hirsch war von 2009 bis 2014 asylpolitische Sprecherin. Sie initiierte den Europäischen Verteilungsschlüssel im Europäischen Parlament, der 2013 beschlossen wurde.

Wir brauchen jetzt einen Vorstoß aller Staaten, die gewillt sind, ankommende Flüchtlinge unter sich zu verteilen. Ein gestärktes europäisches Asylbüro könnte Verfahren effizienter und fairer durchführen. Zudem kann ein gemeinsames System familiäre Bindungen und Sprachkenntnisse berücksichtigen, die bei längerfristigen Aufenthalten einen positiven Effekt auf die Integration hätten.

Wer also an einer nachhaltigen Lösung in der Asylpolitik interessiert ist, muss den Dialog auf europäischer Ebene suchen. Merkels Flüchtlings­politik ist nicht fehlerlos, aber Seehofers Agieren, motiviert durch die Landtagswahl in Bayern, sabotiert die notwendige europäische Lösung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Zum Beispiel Frankreich darf ich vielleicht ergänzen, dass vor allem die Grenze nach Italien für Flüchtlinge geschlossen wurde. Das führt dazu, dass man regelmäßig in der Libération von in den Bergen gefundenen Leichen lesen kann und von Schwarzafrikanern, denen auf der Flucht über die Alpenhänge Füße oder Hände abgefroren sind. Sieht so das geeinten Europa aus, von dem wir geträumt haben?

  • Die FDP Politikerin Nadja Hirsch irrt, wenn sie davon ausgeht, dass die CSU Protagonisten - insbesondere Horst Seehofer, Markus Söder, Hans-Peter Friedrich oder Alexander Dobrindt - eine politisch tragbare Lösung in der Flüchtlingspolitik verfolgen würden. Das ist definitiv nicht der Fall.

    Die CSU Spitze will im Grunde eine Politik gegenüber Flüchtlingen, besonders nicht christlichen Flüchtlingen gegenüber, die auf Abschreckung und Abwehr ausgelegt ist, die selbst die Politik von Donald Trump weit in den Schatten stellt. Man will Internierungslager für Flüchtlinge, geht es nach den rechtsradikalen Österreichern, dann sollen diese Flüchtlings- Internierungslager außerhalb der EU entweder auf einer Insel oder in der Wüste betrieben werden.

    Wie viele will man den in diesen Flüchtlings- Internierungslagern einsperren? Eine Million? Zwei , drei oder 8 Miollionen. Und können diese intenierten Flüchtlinge, Frauen, Kinder, Männer und Familien dann überhaupt noch in die Gesellschaft integriert werden? Und wie lange sollen die Flüchtlinge interniert bleiben? 1 Jahr, 2 Jahre oder 8 Jahre?

    Eins muss doch jetzt allen klar werden, die CSU, Markus Söder haben ganz klar erklärt, es darf rechts neben der CSU keine andere Partei sein. Das bedeutet im Klartext, dass die CSU noch radikaler als die AfD sein will und das würde bedeuten, dass die CSU alle islamgläubigen fremden Bürger, des Landes schaffen will.

  • Europäische Lösung? Ja wo ist sie denn...

    • @otto:

      3 Jahre war sie nicht in Sicht - aber Merkel schafft das die nächsten tage - Versprochen ! :D

  • Hätte Frau Hirschs Partei sich nicht gedrückt, hätte sie selbst gestalten können.

    Möglicherweise wäre sogar eine FDP'lerin Innenministerin worden.

     

    Sich billig in der Opposition verstecken und kluge Reden schwingen kann jeder.

  • "Merkels Flüchtlingspolitik ist nicht fehlerlos, aber Seehofers Agieren, motiviert durch die Landtagswahl in Bayern, sabotiert die notwendige europäische Lösung."

    Und zerstört Familien.

     

    Wahre Christen haben hier ein anderes Verständnis. Da reicht es auch nicht einfach nur Kreuze in den Amtsstuben aufzuhängen. Aber vielleicht ist es der Versuch im Sinne "Gott vergebe uns."

     

    Danke für den Artikel. Denn er zeigt mal wieder Zusammenhänge auf. Danke

  • Wo sind denn die halbwegs durchsetzbaren Lösungen? In den letzten drei Jahren wurden keine präsentiert!

    Jaa, angedacht wurde vieles, nur umsetzbar war nichts davon.

  • Die CSU fordert doch nur was in Frankreich, Dänemark, Schweden, Ungarn und vielen anderen Ländern der EU Realität ist. Zu postulieren es wäre soso schlimm, täte Deutschland es auch, wäre billig.

     

    Und zu glauben die Verteilung von Flüchtlingen, wäre -bei den hohen Zahlen- politisch real, ist es auch. Eine EU die es nicht schafft die Asylbewerberzahlen zu drücken, wird keine mit offenen Binnengrenzen sein. Es geht nur das eine oder das andere.