piwik no script img

„Gaslighting“ und RassismusAngriff auf die eigene Realität

„Gaslighting“ nennt man Verhalten, durch das jemand anderes an der eigenen psychischen Gesundheit zweifelt. Das gibt es auch beim Thema Rassismus.

Das Stück Gas Light inspirierte den Begriff Gaslighting – Adaption aus dem Jahr 1944 Foto: Prod.DB/imago

E s ist ein hässliches Gefühl, die eigene Wahrnehmung infrage stellen zu müssen. Im Einzelfall ist das nicht weiter schlimm, wenn etwa das Fahrrad nicht da steht, wo es stehen müsste. Oder wenn ein geliebtes Schmuckstück nicht da liegt, wo man so sicher war, dass man es verwahrt hat. Dieser Zustand löst sich in der Regel von selbst. Das Fahrrad wurde ausnahmsweise regengeschützt abgestellt, die Kette in die Schatulle gepackt. Doch was, wenn dieses Gefühl einen nicht verlässt? Wenn es Teil des Lebens bleibt?

Es gibt eine Form von psychischer Gewalt in Beziehungen, die „Gaslighting“ genannt wird. Die meisten Menschen haben das an der ein oder anderen Stelle ihres Lebens vielleicht schon einmal erfahren, vielleicht kennt aber nicht jede:r den Begriff. Gaslighting ist eine Form von psychischer Manipulation. Etwa versucht die eine Person die Umgebung der anderen so zu verändern, dass die an ihrer Wahrnehmung zweifelt.

Eine Taktik der Schwächung, um die es auch in dem Theaterstück „Gas Light“ des britischen Dramatikers Patrick Hamilton aus dem Jahr 1938 geht. Daher der Name. Es handelt von einem Mann, der seine Frau so lange manipuliert, bis sie an ihrer Wahrnehmung zweifelt. Er will ihr einreden, sie leide an einer psychischen Erkrankung.

Gaslighting kann in unterschiedlichen Formen auftreten, in Paarbeziehungen, in Familien, unter Freund:innen oder Kolleg:innen. Wer stets als sensibel, „hysterisch“ oder paranoid dargestellt wird, wem die Schuld für Streitigkeiten zugeschoben wird, die man nicht begonnen hat, und wer so dazu kommt, seine Wirklichkeit anzuzweifeln, der sollte sich Hilfe oder auch das Weite suchen.

Immer wieder dasselbe Muster

Gaslighting ist in einer abgewandelten Form etwas, das alle Menschen, die Rassismus erfahren, nur zu gut kennen. Denn wer in weißen Räumen Rassismus benennt, bekommt gerne Antworten wie: Das war doch nicht so gemeint. Rassismus ist in Deutschland nicht so schlimm wie in XY. Ich finde, du siehst gar nicht so anders aus. Wir sind doch alle gleich. Ich sehe keine Farben. Oder man wird schlicht in die unmögliche Position gebracht, empirisch beweisen zu müssen, dass das, was man selbst erlebt, kein Einzelfall ist.

Im Gegensatz zum Gaslighting in Beziehungen ist es hier nicht eine Person, die wiederholt die Realität einer anderen infrage stellt. Bei rassistischem Gaslighting sind es viele, die nach demselben Muster reagieren. So wird nicht das Handeln der Verursacher:innen infrage gestellt, sondern die Empfänger:innen und deren Zustand.

Auch aus anderen Diskriminierungsformen, etwa Sexismus, ist diese Taktik bekannt: Die Frau wird verunsichert, ihre Motive infrage gestellt, im Vordergrund steht dann das Opfer statt der Täter. Das tut bestimmt nicht jeder böswillig, doch sollte man sich bewusst sein, dass man so vor allem versucht, die eigene Realität zu schützen. Und dass man psychischen Druck auf andere ausübt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Saskia Hödl
Autorin
Jahrgang 1985, ist freie Autorin in Wien und schreibt über Politik, Medien und Gesellschaft. Ehemalige taz panter Volontärin, taz eins Redakteurin und taz2&Medien Ressortleiterin.
Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Wer Gaslighting mit Rassismus gleichsetzt hat entweder das eine oder das andere nicht verstanden.



    Gaslighting ist das Ergebnis gezielten Handelns einer oder mehrerer Personen, während Rassismus ja strukturell bedingt ist.

    • @Samvim:

      Doch kann man Beides, also Rassismus als Struktur und Gaslighting als Strategie des Einzelnen in einem gedanklichen Koordinatensystem betrachten, dass sich dann entweder um weitere Achsen, wie Sexismus, welcher auch strukturell verortet ist oder Diskriminierung anderer Felder erweitern oder neben andere zweidimensionale Systeme gegenüberstellen lässt. Je nachdem bekommt man dann eventuell einen guten Überblick warum etwas geschieht und wie und wo man eventuelle ansetzen kann um etwas zu ändern, so man denn wirksam genug ist dazu. Was Sie beschreiben bewegt sich dann doch eher auf einer Linie bzw. auf zweien, die dann weit voneinander entfernt unberechenbar im luftleeren Raum schweben und auf denen sich schön ausgeruht werden kann, da ja ein Zusammenhang unmöglich scheint bzw. unendlich weit entfernt. Das ist vielleicht eine Lösung der Sache, erhebt aber keinen wissenschaftlichen oder soziologischen, gesellschaftsentwickelnden Anspruch, sondern einen diskussionsbeendenden.

  • "Das tut bestimmt nicht jeder böswillig, doch sollte man sich bewusst sein, dass man so vor allem versucht, die eigene Realität zu schützen. Und dass man psychischen Druck auf andere ausübt."

    Bös(e)-wollend wohl nur wenige, aber im eigentlichen / ursprünglichen Sinne des Wortes "böse" ist das entsprechende Denken / Handeln zweifellos; denn das "B-öse" / Boese / Bose ursprachlich betrachtet / gedeutet, ist ein "schrecklicher Mangel", verursacht durch die relative Abtrennung / Absonderung ("Sünde") (von) der Seele, (und) dem göttlich-Guten.

    Bei dieser Abtrennung handelt es sich typischerweise / meistens um den "Rückzug" der Seele bei Verletzung / Trauma / Schreck / Schock / Bedrohung usw.. Das weiß die große Mehrheit der modernen / zivilisierten Gesellschaft incl. der Wissenschaft bzw. helfenden Berufe nicht. Nicht einmal die "Kirche", der doch nach dem Schisma die Seele (der Geist) gehört - aber DER seelischen Störung (Neurose) ebensowenig abhilft wie die wissenschaftliche Medizin.

    "Gaslighting" betrieb / betreibt die "Kirche" mit Hilfe der z.T. gefälschten Heiligen Schriften und den systematischen Fehldeutungen.

    Den Menschen wurde / wird ein falsches - schwaches - Selbstbild injiziert mit der Darstellung der Geschichte über Adam und Eva als "der (DER) Erschaffung des (DES) Menschen".



    Die "Verführbarkeit (zum Bösen)" ist nicht die Natur des erwachsenen wahren Menschen, sondern Folge der (DER) Störung / Krankheit, deren Ausbruch in der Geschichte über Adam und Lilith dargestellt wird.

    Die Erschaffung / Entwicklung von "Eva" ist eine Folge der chronifizierten Krankheit - und beschrieben werden bei Adam und Eva weitere Symptome und Folgen.

    Für Interessierte / Fachleute: Bei Kain und Abel werden typisch neurotische Denk- / Verhaltensweisen und die Konflikt-Ebenen dargestellt.

    "Ignoramus, ignorabimus"?



    Irrtum!



    Wir alle könn(t)en alles wissen - wir werden nur nicht aufgeklärt.



    Bedingt durch die Krankheit - und wegen ihr...?

  • Nun kommen aber psychische Erkrankungen in der Realität tatsächlich vor, genauso wie unberechtigte Rassismusvorwürfe. Der allgemeine Verweis auf die Existenz des Gaslighting-Phänomens hilft in einer konkreten Diskussionssituation nicht dabei, zu klären, ob ich mich tatsächlich paranoid verhalte oder man mir das nur einreden will. Es sei denn, man definiert, dass jeder Rassismusvorwurf per se zutreffend ist und folglich jeder Widerspruch dagegen Gaslighting.

  • Das könnte der Anfang eines ziemlich interessanten Artikels werden, warum hört der Text gleich nach einer allgemeinen Definition des Begriffs, den eh die meisten kennen, so schnell wieder auf? Kommt da noch was?

  • So können auch Tragödien entstehen, die nur das Leben und kein Drehbuchautor schreiben kann. Tatsächlich passiert: Ehemann unterstellte permanent seiner Frau eine psychische Krankheit. Folge: Ehescheidung. Die Frau suchte das Weite und folglich sich auch eine neue Wohnung, und ihr neuer Nachbar war ein gemeingefährlicher Psychopath. Sie überlebte ihre neue Nachbarschaft nicht.

  • Hier geht es um ein immens wichtiges Thema, das sich, wie ich finde, leider nur durch oberflächliche Annäherung und Halbwissen der Sache annimmt.

    Zur Richtigstellung: Gaslighting ist eine Manipulationstechnik, derer sich nicht nur Narzissten in allen erdenklichen Ausprägungen bedienen, sondern Arbeitgeber, Kollegen und andere Menschen in unmittelbarem Kontakt. Aber eben auch auf höherer Ebene, wie der Politik und Gesellschaft, wenn es darum geht, ihre Vorstellungen nicht in Frage zu stellen, sondern das Gegenüber in seiner Vorstellung und Wahrnehmung massiv zu verunsichern. Gaslighting geht so weit, dass die Opfer den Verstand verlieren können. Sie erliegen einem Ohnmachtsgefühl gepaart aus Scham und Angst und wissen nicht mehr wer sie sind, was richtig und falsch ist und geraten in heftige Selbstzweifel. Ursache dafür, dass so etwas überhaupt möglich ist, ist das naive Vertrauen der Opfer, welches über eine lange Zeit missbraucht wird, um die Machtverhältnisse zu sichern und Abhängigkeiten zu schaffen. Dafür werden die Opfer beschämt, verunsichert, belogen, isoliert und es werden die abstrusesten Feindbilder kreiert.



    Doch bis ihr perfides Spiel durchschaut wird, ist das Kind (im besten Fall nur) in den Brunnen gefallen und kann sich mit letzter Kraft noch retten. Im schlimmsten Fall ertrinkt es oder endet in der Klapse!

    Die Methode des Gaslighting in Bezug auf Rassismus und Diskriminierung, was ebenfalls auf so unterschiedlichen Ebenen weltweit in allen Gesellschaftsschichten passiert, heranzuziehen, ist nicht nur eine richtige Herangehensweise, da real, sondern schafft den Opfern bei näherer Beschäftigung mit diesem Thema einen Raum, Dinge verstehen und ändern zu können. Denn wer einmal diese Methode wirklich verstanden hat, erkennt sie beim nächsten Mal und lässt sich nicht mehr aufs Glatteis führen.

    Trotzdem danke an die Autorin! Nächstes Mal bitte etwas ausführlicher.

  • Das war schwer.

    Die Überschrift zu verstehen.



    Ohne den Artikel zu lesen.

    Ist mir erst nach mehreren Versuchen gelungen.

  • Anstatt soviel "Awareness" zu erzeugen, sollte man mMn konstruktive Beiträge leisten, die unterschiedliche Ethnien zusammenführen und sie nicht spalten...



    Diese Schuldzuweisungen bringen niemandem etwas...

    Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

    • @DaBo+:

      Und hier haben Sie den perfekten Beweis für den Artikel geliefert. Statt Agressionen der Mehrheitsgesellschaft, die ausgrenzt und unterstellt, sind es jetzt aus einmal Anschuldigungen durch Minderheiten, die "spalten" und Streit erzeugen?

      Dieses Problem anzusprechen, IST konstruktiv. Wenn Sie verschiedene Ethnien zusammenführen wollen, freunden Sie sich mit solchen Menschen an. Stellen Sie sie ein. Kaufen Sie bei ihnen. Und am wichtigsten: werden Sie gefälligst nicht gleich patzig, wenn jemand ein Thema anspricht, das Ihnen nicht genehm ist.

      Die ganzen Naziskandale, die wir in den letzten Jahren hatten, sind einzig und allein das Ergebnis einer überempfindlichen Mehrheitsgesellschaft. Hier beide Seiten in gleichem Maße in die Pflicht nehmen zu wollen, ist einfach nur lächerlich, aber zeigt, warum es bei dem Thema wohl noch lange dauern wird, bis sich was ändert.

  • Zitat: „Auch aus anderen Diskriminierungsformen, etwa Sexismus, ist diese Taktik bekannt: Die Frau wird verunsichert, ihre Motive infrage gestellt, im Vordergrund steht dann das Opfer statt der Täter.“

    Hier stimme ich zu, doch erliegt die Autorin ebenso einer Gaslighting-Manipulation: der Überzeugung, dass Sexismus bzw. Gewalt auch sexualisierte, ausschließlich von Männer an Frauen verübt wird. Mann = Täter, Frau = Opfer.



    Das gesellschaftliche und vom Feminismus geförderte Vorurteil, dass weibliche Gewalt und männliche Opfer nicht existieren, erfahren wir täglich von der Ministerin für alle außer Männer aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

    • @Bubobubo:

      Wenn Sie das Verständnis von Sexismus heranziehen, wonach er die Unterdrückung der Frau bedeutet, von der der Mann profitiert - dann stimmt das so.