Gasförderung im Wattenmeer: Minister verwirft Öko-Bedenken
Das Unternehmen ONE-Dyas will bei Borkum Erdgas fördern. Das Wirtschaftsministerium in Hannover findet das am Rande des Nationalparks vertretbar.
Dazu passt das Vorhaben des niederländischen Unternehmens ONE-Dyas, 20 Kilometer nördlich von Borkum Erdgas zu fördern, im deutsch-niederländischen Grenzgebiet, unmittelbar am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, zugleich Unesco-Biosphärenreservat und Teil des Unesco-Weltnaturerbes.
Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) und der CEO von ONE-Dyas, Chris de Ruyter van Steveninck, haben dazu in Hannover den Stand einer gemeinsamen Erklärung vorgestellt, die dem Landeskabinett vorgelegt werden soll. Es geht um die Plattform N05-A, ausgelegt für jahrzehntelange Förderung. Die Bohrung wird auf niederländischem Gebiet niedergebracht, allerdings auch auf deutsches Gebiet umgelenkt. 60 Milliarden Kubikmeter Gas vermutet das Unternehmen insgesamt im Meeresboden.
Man habe, blieb Althusmann vage, „einen Weg gefunden, der dem nationalen Interesse des Vorhabens mit Blick auf die Sicherheit der Energieversorgung gerecht wird und gleichzeitig die Belange vor Ort über das rechtliche Maß hinaus berücksichtigt“. Das auf deutscher Seite gewonnene Gas solle dem deutschen Markt zufließen, die Gewinnung aus dem deutschen Fördergebiet „nur so lange möglich sein, wie der Bedarf nach Erdgas in Deutschland besteht“. Umwelt- und Klimaschutzaspekte seien „berücksichtigt“.
„Teil der Energiewende sollte es sein“, sagte Chris de Ruyter van Steveninck, „sicherzustellen, dass das von uns verwendete Erdgas so umweltfreundlich, bezahlbar und zuverlässig wie möglich ist.“ Auch das bleibt vage.
Ein Minister sagt dies, der andere das
Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) kann das nicht gefallen. Anfang Juni 2021 hatte er zu dem Projekt noch gesagt: „Ich lehne dieses Vorhaben am Rand unseres Nationalparks ‚Niedersächsisches Wattenmeer‘ strikt ab.“ Aber seither hat sich die Welt verändert.
„Im Windschatten des Ukrainekriegs ereignet sich hier ein Rückfall ins fossile Zeitalter“, sagt Hans-Ulrich Rösner, Leiter des Wattenmeerbüros des WWF Deutschland. „Das ist der völlig falsche Weg. Wir müssen alles tun, um die erneuerbaren Energien zu fördern.“ Der Krieg in der Ukraine, der Wunsch nach Energieversorgungssicherheit, dürfe nicht gegen den Natur- und Klimaschutz aufgerechnet werden.
Hans-Ulrich Rösner, WWF
Das Projekt von ONE-Dyas sei „brandgefährlich“ für den fragilen Naturraum Watt. Als Engpass-Überbrückung tauge es ohnehin nicht: „Die Förderung vor Borkum würde ja frühestens 2024 oder 2025 beginnen, womöglich noch später. Und dann stehen da gewaltige Strukturen im Watt, die noch über Jahrzehnte die Klimabilanz belasten.“
Tanja Schlampp von der Initiative Wattenmeer-Schutz Cuxhaven sieht das genauso: „Was da geschehen soll, ist fatal. Nicht jeder Zweck heiligt jedes Mittel.“ Der Druck auf das Wattenmeer sei ohnehin schon groß, auch durch den Bau neuer Windkraftanlagen: „Wenn wir nicht aufpassen, haben wir da draußen bald ein Industriegebiet.“
„Dinosaurier-Technologie“ im Watt
Vor allem die Absenkung des Meeresbodens durch die Gasentnahme sei gefährlich: „Dadurch nimmt ja die Hochwassergefahr zu. Und gegen die brauchen wir dann wieder höhere Deiche. Der eine Eingriff zieht den nächsten nach sich. So ein Unsinn“, sagt Schlampp.
„Wir sind an einem Kipp-Punkt“, bestätigt Meeresbiologin Sandra Schöttner, Leiterin des Meeresschutzteams von Greenpeace Deutschland. „Wir müssen entscheidende Schritte in Richtung Energiewende gehen, nicht rückwärtsgewandt auf Dinosaurier-Technologie setzen.“ Sie sieht die Förderung vor Borkum als „unverantwortliche aktivistische Strategie, die langfristig nicht tragfähig ist“.
Das Watt sei ein einmaliges Ökosystem, und schon der Bau und Normalbetrieb einer solchen Plattform sei „nicht naturverträglich“. Die industrielle Nutzung von Meeresschutzgebieten sei in Deutschland „leider systemisch, vom Fischfang bis zur Entnahme von Sand und Kies, Öl und Gas“.
Minister Althusmann wies solche Bedenken zurück: „Die umweltschutzfachlichen Verfahren, sowohl auf niedersächsischer Seite als auch auf niederländischer Seite, kommen derzeit nach meiner Einschätzung zu dem Schluss, dass keine Umweltgefährdung besteht.“
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