Meeresschutz nicht umgesetzt: Tod im Schutzgebiet

Deutschland hat zwar nominell Meeresschutzgebiete auf der Ostsee ausgewiesen. Doch Grüne und Naturschützer fordern endlich Butter bei die Fische.

Fische in einem Netz

Heringe sollen in Stellnetzen landen – passiert das Schweinswalen, ertrinken sie Foto: Jens Büttner/dpa

HAMBURG taz | Die Bundesregierung unterschreibt zwar schöne Verträge zum Schutz der Meeresumwelt. Bei der Umsetzung lässt sie sich jedoch Zeit – zu viel Zeit für gefährdete Arten wie den Schweinswal oder den Europäischen Aal, wie Umweltschützer und die Grünen finden. Sie fordern ein Ende der Stellnetzfischerei in Naturschutzgebieten, damit der Schweinswal überleben kann, und das Verbot, Europäischen Aal zu fangen.

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Deutschland steht gerade besonders in der Verantwortung, weil es den Vorsitz der Helsinki-Kommission für den Schutz der Ostsee (Helcom) führt. Deren Vertragsstaaten – die EU und die übrigen Ostseeanrainer – arbeiten gerade an einer Aktualisierung ihres Ostsee-Aktionsplans (BSAP), der eine gesunde Meeresumwelt wiederherstellen soll.

Dabei hätten die Ostseeanrainer einschließlich Deutschland schon die Ziele des laufenden Aktionsplans verfehlt, kritisiert die Bundestagsabgeordnete Steffi Lemke (Die Grünen). „Seit der Ausweisung der Meeresschutzgebiete im Jahr 2004 ist fast nichts passiert“, sagt Lemke. Es gebe keine Fischereibeschränkungen, die Schutzgebiete hätten kein Management und selbst Kies- und Sandabbau fände mitten in den geschützten Gebieten statt.

Dass gar nichts geschehen wäre, stimmt so allerdings nicht, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage Lemkes hervorgeht. In den 2017 ausgewiesenen Schutzgebieten in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der deutschen Ostsee sei die Aquakultur ebenso verboten wie das Verklappen von Baggergut, in bestimmten Zonen die Freizeitfischerei sowie das Aussetzen fremder Tiere und Pflanzen.

Schweinswal gefährdet

Alle Projekte müssten auf Verträglichkeit mit Schutzzielen geprüft werden. Anfang Februar 2019 sei im Natura-2000-Gebiet „Fehmarnbelt“ zudem das Verbot der Grundschleppnetzfischerei auf ein größeres Areal ausgedehnt worden, zum Schutz der dortigen Sandbänke und Riffe.

Für die von Lemke angemahnten Managementpläne, mit denen die Schutzgebiete professionell in Abstimmung mit den Nutzern in einen guten Zustand gebracht werden sollen, laufe seit Sommer 2020 die Beteiligung. Sie würde derzeit endabgestimmt.

Für Schutz der Ostsee haben sich deren Anrainerstaaten in der Helsinki-Kommission für den Schutz der Ostsee (Helcom) zusammengetan. Diese verabschiedet den Ostsee-Aktionsplan BSAP (Baltic Sea Action Plan).

Der aktuelle Plan läuft seit 2004 und endet Ende dieses Jahres. Unter Federführung Deutschlands wird derzeit an einem neuen BSAP gearbeitet.

Aus Sicht Lemkes reicht das allerdings noch nicht, um die biologische Vielfalt der Ostsee zu erhalten. Im Blick hat sie dabei insbesondere den Schweinswal, der in zwei genetisch verschiedenen Populationen zum einen in der Nordsee und im Kattegat lebt, zum anderen in der Ostsee.

Beide Populationen sind gefährdet. Die in der Nordsee und im Kattegat umfasst schätzungsweise gut 40.000 Tiere. Eine Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover hat jüngst örtliche Rückgänge bis zu 60 Prozent nachgewiesen. Insgesamt sank die Population von 2002 bis 2019 pro Jahr um 1,8 Prozent. Die Population in der Ostsee umfasst nur schätzungsweise 500 Individuen, was sie per se als höchst gefährdet erscheinen lässt.

Nach Angaben der Bundesregierung sind in den Jahren 2004 bis 2015 im Durchschnitt knapp 130 tote Schweinswale an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns angespült worden. Für die Jahre 2002 bis 2007 schätzten Experten, dass 50 bis 60 Prozent der einigermaßen gut erhaltenen Kadaver aus Beifang stammten, also von Tieren, die in Stellnetzen ertrunken waren. Wie groß die Zahl der tatsächlich durch die Fischerei getöteten Tiere sei, lasse sich aber nicht abschätzen.

Fabian Ritter, Meeresbiologe

„Das Aussterben der Schweinswal-Population in der Ostsee wäre ein großer Verlust“

Walschützer haben gerade wieder an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) appelliert, die Stellnetzfischerei in der Ostsee zu verbieten. Nach Angaben der Schutzorganisation Whale and Dolphin Conservation (WDC) haben 115 Wissenschaftler aus zahlreichen Ländern einen entsprechenden Brief unterzeichnet. Viele der Tiere fielen Stellnetzen zum Opfer, die immer noch überall ausgebracht werden dürften, teilte die WDC am Montag mit.

„Das Aussterben der Population in der Ostsee wäre ein großer Verlust“, erläuterte WDC-Meeresbiologe Fabian Ritter. „Und die Tatsache, dass Deutschland zu wenig dagegen tut, ist ein Verstoß gegen geltendes Naturschutzrecht in Deutschland sowie der EU.“

Die Bundestagsabgeordnete Lemke fordert die Bundesregierung auf, die von Wissenschaft und EU-Kommission geforderten Notfallmaßnahmen für den Schweinswal endlich umzusetzen. Dazu gehören ein jährliches sechsmonatiges Aussetzen der Stellnetzfischerei in Schutzgebieten und der Einsatz von Pingern in der gesamten Ostsee.

Die an den Netzen angebrachten Pinger sollen die Schweinswale durch ihr Geräusch vergrämen. Sie sind umstritten. Manche Naturschützer vermuten, dass sie die Tiere erst recht anlocken, weil sie lernten, dass dort Fisch zu finden sei. Zudem trügen sie zur Verlärmung des Meeres bei.

Peter Breckling, Generalsekretär des Deutschen Fischereiverbandes, hält Pinger für eine gute Idee, sofern es sich um interaktive Geräte handele, die erst pingen, wenn ein Tier sich nähert. „Da sind wir voll dabei“, sagt er und nennt als Positivbeispiel Schleswig-Holstein. Hier verwenden die Fischer Pinger und haben zugesagt, ihre Netze einzuholen, sobald sie einen Schweinswal sichten. Dafür dürfen sie weiter fischen.

Nadja Ziebarth vom Umweltverband BUND weist außerdem darauf hin, dass die Bundesregierung mehr für den Schutz des Aals tun müsse. Davon gibt es seit vielen Jahren nur noch sehr wenige, wie der Internationale Rat für die Ökologie der Meere (Ices) ermittelt hat. „Jeder Aal zählt für das Überleben dieser Art“, sagt Ziebarth. Der Fang müsse verboten werden. Breckling argumentiert hingegen, dass die Fischer etwa durch das Einsetzen von Aalen zur Bestandserhaltung beitrügen.

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