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Gas-Pipeline Nord Stream 2Stopp ohne Entschädigung möglich

Die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 könnte doch ohne Zahlungen gestoppt werden. Dafür müsste die EU Sanktionen gegen Russland verhängen.

Könnten im Fall neuer Sanktionen noch lange auf Rügen liegen: Pipeline-Elemente für Nord Stream 2 Foto: Reuters

Seit dem Giftanschlag auf den russischen Oppositionellen Alexei Nawalny wird über einen Stopp der Gas-Pipeline Nord Stream 2 diskutiert. Doch wenn dafür einfach bereits erteilte Genehmigungen widerrufen würden, könnte das hohe Schadenersatzforderungen zur Folge haben, warnen Kritiker. Anders sieht die Sache aber aus, wenn der Stopp als Sanktion durchgesetzt wird. Solche Zwangsmaßnahmen müsste aber die EU beschließen, die für Wirtschaftssanktionen zuständig ist. Eine entsprechende EU-Verordnung hätte direkte Wirkung in allen Mitgliedstaaten. Entschädigungen sind nicht erforderlich.

Da die EU die ausschließliche Kompetenz für die Handelspolitik hat, liegt auch die Kompetenz für Wirtschaftssanktionen auf europäischer Ebene. Erforderlich sind für Handelsbeschränkungen jeweils zwei Beschlüsse. Zuerst beschließen die EU-Staaten im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einstimmig, ob es Sanktionen ­geben soll. Wenn das passiert, gestaltet der EU-Ministerrat die Sanktionen per Mehrheitsbeschluss aus.

Möglich sind Sanktionen gegen Staaten, aber auch gegen Einzelpersonen und Unternehmen. Per Verordnung wird festgelegt, welche Einschränkungen gegen wen verhängt werden. Anders als eine EU-Richtlinie gilt eine EU-Verordnung ohne nationale Umsetzung. Nur für ein Waffenembargo wäre noch ein nationaler Umsetzungsakt erforderlich.

Sanktionen gegen Russland sind für die EU kein Neuland. 2014 hat die EU aus mehreren Gründen Wirtschaftssanktionen gegen die Russische Föderation und russische Funktionäre verhängt. Damit reagierte die EU auf den völkerrechtswidrigen Anschluss der Krim-Halbinsel sowie die Destabilisierung der Ukraine durch die russische Unterstützung von Separatisten im Osten des Landes. Verhängt wurden Ein- und Ausfuhr- sowie Investitionsverbote. Betroffen sind vor allem die Rüstungs- und Energieindustrie sowie der Finanzmarkt. Die Funktionäre erhielten Einreisesperren und ihre Konten wurden eingefroren. Die Sanktionen gelten heute noch.

Auch EU-Partner ohne Ansprüche

Natürlich schädigen die Sanktionen nicht nur die russische Seite, sondern auch die europäischen Geschäftspartner. Einen Anspruch auf Entschädigung sehen die EU-Sanktionen allerdings nicht vor. „Hier gilt der Grundsatz, dass jedes Unternehmen die allgemeinen Risiken eines Auslandsgeschäfts, für das sich die Bedingungen rasch ändern können, selbst trägt“, erklärte damals das Bundeswirtschaftsministerium.

Das Ministerium lehnte auch freiwillige Hilfszahlungen ab und verwies auf allgemeine Programme zur Überwindung von Liquiditätsproblemen, etwa günstige KfW-Kredite. Im Übrigen seien die Unternehmen selbst verantwortlich. „Verluste aus konkreten Aufträgen, die infolge der Sanktionen nicht mehr abgewickelt werden können, hätte das Unternehmen durch den Abschluss einer staatlichen oder privaten Exportkreditversicherung ausschließen können“, hieß es.

Dass Wirtschaftssanktionen grundsätzlich auf EU-Ebene beschlossen werden, dürfte im Falle von Nord Stream 2 keine hohe Hürde darstellen, da vor allem Deutschland Interesse an dem Projekt hat. Viele EU-Staaten, insbesondere in Osteuropa, lehnen die direkte Pipeline durch die Ostsee dagegen sogar ausdrücklich ab, weil sie ihren Einfluss schmälert.

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16 Kommentare

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  • Ich sach's mal so: Wenn der EU so sehr daran gelegen ist, sich wirtschaftlich selbst zu schaden, dann wird sie wohl Sanktionen auf bloßen Verdacht hin verhängen müssen. Zumindest klare Beweise kann man dann ja später immer noch liefern.

  • Super Idee. Durch das Erlassen von Sanktionen kann man sich also um das Erfüllen von Verträgen drücken? Hat das wirklich völkerrechtlich Bestand? Wahrscheinlich nur, wenn man die USA ist oder aber die USA im Rücken hat.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @XXX:

      Deutschland hat auch einen Vertrag unterschrieben bis 2024 2% des BIP für Verteidigung auszugeben das ist ein Vertrag den Leute hier auch gerne gebrochen sehen, also von dem her, man sollte jetzt nicht so tun als ob es hier im taz forum um Prinzipien geht es geht um Politik.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @XXX:

      Detaillierte quantitative Analysen zu den Effekten der bisherigen Klimaschutzziele für Europa und der bisher beschlossenen Maßnahmen zeigen, dass für die 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ein Rückgang der erforderlichen Erdgasimporte um etwa ein Fünftel selbst unter der Maßgabe erwartet werden kann, dass die Erdgasförderung in der EU noch deutlich stärker sinken wird. Und all das gilt für die heutigen Klimaschutzziele, die klar absehbare Erhöhung der klimaschutzpolitischen Ambitionen wird den zukünftigen Verbrauch des fossilen Brennstoffs Erdgas noch einmal deutlich weiter drücken.

      www.zeit.de/wirtsc...ussland-sanktionen

      2. Die von der EU in Auftrag gegebenen Studien zum europäischen Gasmarkt prognostizieren in ihren Basisszenarien nach 2010 dagegen ein abnehmendes Wachstum des Gasverbrauchs.Diejenigen Szenarien, die eine Politik der Energieeffizienzsteigerung sowie des Einsatzes regenerativer Energien beschreiben, sagen sogar eine Beinahe-Stagnation des europäischen Gasverbrauchs nach 2015 voraus.

      3.. Verbrauch EU 2019 :



      470 Milliarden m³ - also 30 - 40 Milliarden m³ unter dem Maximlverbrauch im Vergleich zu den Vorjahren.

      Klartext:



      Wirtschaftlich wird NS2 nicht benötigt. Also abschallten - auch aus geopolitischen Motiven.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @XXX:

      Es gibt kein Recht von Völkerrechtsbrechern, ---„Nowitschok“- ist international geächtet durch die Chemiewaffenkonvention, --- am zivilen wirtschaftlichen Leben teilzunehmen.

      „Nowitschok“-wurde entwickelt, um den Nachweisverfahren der Chemiewaffenkonvention (CWC), ausländischer Geheimdienste und forensischer Experten zu entgehen, so dass ihre Produktion als organische Phosphorverbindungen für die Landwirtschaft oder andere zivile Zwecke getarnt werden kann.

      Die Stillegung von Northstream 2, flankiert von weiteren strategischen Sanktionen, ist das Mindestenste, was die Europäische Union gegen die feigen Giftmischer tun kann.

  • Ich würde mal sagen, das grosse Heulen kommt dann, wenn dann auch Russland Sanktionen einführt. Also, zum Beispiel eine 100%ige Importsteuer für Kraftfahrzeuge...

  • Möglich ist Vieles! Aber es werden sich schon ein paar Kleinanleger und eine klamme Kommune in einer strukturschwachen Region finden, mit denen ein Weiterbau begründet werden wird. ;-)



    Im nächsten Jahr wird gewählt!

  • Das Gas wird so oder so benötigt ob man jetzt den Tranist durch das alte Leitungssystem beim dem es mehr als genug Lecks gibt oder durch das neue schickt ist eigentlich dem Putin egal ... der einzige Unterschied man würde sich einiges an Tranistgebühren sparen, für die Umwelt wäre es besser und die Amis würden weniget Frackingas verkaufen ... entschieden wird natürlcih je nach dem welche Lobby besser unterwegs ist ...

  • Wäre es da nicht ehrlicher, wichtiger, und auch weniger scheinheilig, die USA zu sanktionieren?

    • @Dörte Dietz:

      Ach, Sie meinen, das waren die, mit dem Nawalny?

      So gesehen...

      • @tomás zerolo:

        Nein, es liegt mir fern, zu behaupten, die Amis hätten den vergiftet, das war auch nicht meine Intention. Ich meinte die jahrzehntelange Kriegstreiberei, den fortwährenden Rassismus, die permanenten Verstöße gegen Menschenrechte, die Ausbeutung von Millionen und Milliarden.



        Gibt es in Russland (China, Japan, der ganze Westen etc) alles auch, logisch, aber die USA sind da schon der Motor, der Antrieb, die absolute #1.

        • @Dörte Dietz:

          Einigen wir uns darauf, dass wir die alle nicht mögen.

          Und zu Nummer 1: ich denke, jeder nach seinen Kräften, halt.

          Und ja, auch ich würde mir von meiner Regierung in /allen/ Fällen (auch eben im aktuellen) mehr Rückgrat wünschen.

    • @Dörte Dietz:

      Aber für was denn konkret? Als die Existenz von Black Sites, zumal teilweise auf europäischem Territorium, bekannt wurde, wäre das mE ein entsprechender Anlass gewesen. Aber aktuell? Hat Trump Biden mit VX um die Ecke bringen lassen?

      • @Ingo Bernable:

        @Ingo: Nein. Er hat nur eine Rakete auf einen iranischen General und einen irakischen Militärangehörigen in Irak fallen lassen....

  • Man darf sich schon fragen, ob die 2014 gegen Russland verhängten Sanktionen irgend etwas gebracht haben. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass das Gas, welches nicht direkt von Deutschland abgenommen wird, eben nach China geht.

    • @Nicolai Nikitin:

      Denk ich auch, den Russen ist Nordstream weit aus egaler als den Deutschen, die hegen an das Projekt geopolitische Interessen, wirtschaftliche Kontrolle Europas. Wenn die Deutschen nun aus Schissigkeit vor den Amisanktionen nen Anlass gefunden haben aus dem Projekt auszusteigen, bitte schön. Sie schneiden sich, auch wenn sie dreist nichts zahlen wollen, ins eigene Fleisch. Deutschlands Rolle als ernstzunehmende Weltmacht verlötet es mit dieser Aktion entgültige, vielleicht ja auch nicht das Schlechteste.