Führungswechsel bei Labour: Corbyn-Experiment gescheitert
Der scheidende Labour-Chef war eine Katastrophe für die Partei. Sein Führungsstil ließ keinen Platz für Kritik.
J eremy Corbyn hat die britische Labour-Partei in eine Sackgasse geführt, und die Partei weiß das. Bei der Wahl seines Nachfolgers stimmten von den 400.000 Abstimmenden unter den 550.000 Parteimitgliedern 70 Prozent für Kandidaten, die den Bruch mit der Corbyn-Ära versprachen. Das Scheitern des Corbyn-Projekts lag nicht in erster Linie am Programm.
Bei zusätzlichen Staatsausgaben, Kern des Labour-Wahlprogramms 2019, stößt schließlich selbst Boris Johnson mittlerweile in ungeahnte Höhen vor. Das allein ist also kein Ausweis linker Gesinnung. Der Grund für Corbyns Scheitern ist sein Politikstil, und da geht es um das linke Selbstverständnis. Mit Corbyn kaperten bei Labour altlinke Aktivistenzirkel den Parteiapparat und operierten in stalinistischen Freund-Feind-Kategorien.
Während nach außen Corbyn vor Jugendaktivisten als eine Art Dumbledore der britischen Politik auftrat, als netter Opa mit magischen Kräften, trat in der Partei Führerkult an die Stelle offener Debatte. Wer unbequeme Fragen stellte, wurde als Verräter abgestempelt, fertiggemacht, verleumdet, bedroht. An die Stelle einer pluralistischen Debatte traten krude Weltverschwörungstheorien über das jüdische Finanzkapital. Corbyn-Kritiker fielen schneller in Ungnade als Holocaust-Leugner.
Auf reale Probleme gab es derweil keine Antwort. Zum Brexit fand die Corbyn-Linke keine eigene Erzählung, ob dafür oder dagegen. Den Schwund ganzer Wählerschichten, erst in Schottland und dann im Norden Englands, nahm die Partei kommentarlos hin. Unter keinem anderen Führer sind so viele fähige Jungpolitiker aus Labour geflohen oder hinausgeekelt worden wie unter Corbyn.
Die Corbyn-Ära war für Labour ein Experiment. Es ist desaströs schiefgegangen. Seine Träger geraten jetzt zu Recht in Vergessenheit. Das Nachdenken über eine linke Politik für das Großbritannien des 21. Jahrhunderts kann beginnen.
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