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Friedrich Merz und IsraelAußenkanzler, blind und taub

Kommentar von Alice von Lenthe

Eigentlich würde Merz gern vorn mitspielen in der internationalen Diplomatie. Wenn es um Nahost geht, sind die Erwartungen an Deutschland nicht groß.

Wurde schon wenige Tage später von eben diesen beiden Partnern außen vor gelassen: „Außenkanzler“ Friedrich Merz Foto: Kay Nietfeld/dpa

F riedrich Merz will Außenkanzler sein. Drei Tage nach seinem Amtsantritt reiste er zusammen mit den Regierungschefs von Frankreich und Großbritannien nach Kyjiw. Ein gelungener Auftakt, könnte man meinen, um Geschlossenheit unter den europäischen Partnern zu demonstrieren. Schade nur, dass Merz schon wenige Tage später von eben diesen beiden Partnern außen vor gelassen wurde.

Zusammen mit Kanada kündigten Frankreich und Großbritannien Sanktionen gegen Israel an, sollten dessen Militäroperation nicht eingestellt und umgehend ausreichend humanitäre Hilfsmittel in den Gazastreifen geliefert werden. Wer nicht in die Veröffentlichung dieses Statements eingeweiht war? Friedrich Merz – der Wanna-be-„Außenkanzler“. Eine Deutung dafür liegt auf der Hand: Aus Berlin war keine Unterstützung zu erwarten. Denn der Kanzler verschließt konsequent Augen und Ohren vor den Zuständen in Gaza.

Menschenrechtsorganisationen warnen vor einer Hungersnot. Immer mehr Staaten, darunter EU-Mitglieder, sehen Anzeichen eines Völkermords. Eine klare Mehrheit soll nun die Handelsbeziehungen mit Israel infrage stellen. Nicht so Friedrich Merz, der den gesuchten Kriegsverbrecher Netanjahu nach Deutschland einladen will und Waffenlieferungen an Israel stets guthieß. Er würde erwidern, aus der deutschen Geschichte ergebe sich eine besondere Verantwortung für Israels Existenz und Sicherheit.

Das kann aber nicht heißen, dass die deutsche Regierung der israelischen einen dauergültigen Blankoscheck ausstellen und die zigtausenden Toten, die Vertreibungs- und Besatzungspläne ignorieren sollte. Es muss möglich sein, Israels Recht auf Existenz zu verteidigen und gleichzeitig anzuerkennen, dass dessen Kriegsführung schon lange die Grenze der Verhältnismäßigkeit überschritten hat.

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Deutschlands enge Verbündete zeigen mit ihrem Statement, wie das geht – ohne Deutschland. Wer dauerhaft Augen und Ohren verschließt, wird eben nicht als außenpolitischer Player ernst genommen.

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19 Kommentare

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  • Merz kommt aus der Nähe von Arnsberg, was will man da erwarten? Dort gibt es, bedingt durch Berg und Tal, kaum Weitblick. Selbst auf den Höhen regieren die dunklen Wälder. Es knackt und knistert, mehr nicht.

  • Ist es nicht so, daß Macron und Starmer nur noch ihre Restzeit auf ihren Positionen absitzen, bis zu den nächsten Wahlen? Und was kommt dann?

  • "Es muss möglich sein, Israels Recht auf Existenz zu verteidigen und.."

    Scheint ein deutsches Trauma zu sein, so oft wie dieser Satz hierzulande runtergebetet wird.

    Die größte Militärmacht und einzige Atommacht der Region dazu mit der Schutzmacht USA im Rücken ist garantiert nicht angewiesen auf eine wie auch immer ausgerichtete "Verteidigung" Deutschlands zur Existenzsicherung.

    Die größte Gefahr für Israels Existenz und zwar als Demokratie und Rechtsstaat sitzt in deren eigenen Reihen und trägt den Namen Nethanjahu.

    Ein Mann der seit dem Oslo Abkommen alles daran gesetzt hat einen Staat Palästina zu verhindern und dafür auch mit Terroristen kooperiert hat.

    Ein Mann der Krieg führt um im Amt zu bleiben damit seine Immunität gewahrt bleibt und dessen Agenda die größte Gefahr für die israelische Sicherheit darstellt. Innen- wie Aussenpolitisch.

    Ein Land, in dem der Bundespräsident bei einem gesuchten Kriegsverbrecher zum Tee vorbeischaut und dem Bundeskanzler die Beziehung zu diesem Kriegsverbrecher anscheinend so wichtig ist, dass er dafür sogar geltendes Recht brechen würde und dieses mit historischer Verantwortung begründet, ist geistig und moralisch Bankrott.

  • Ich bin gespannt auf die Gesichter der deutschen Politiker, wenn Netanjahu eines Tages vor Gericht steht. Der Tag wird kommen.

  • Erst heute bequemte sich sich das heute journal zu einer Live-Schalte nach Gaza, wo eine britische Ärztin über die unhaltbaren humanitären Zustände, besonders der Kinder, berichtete. Sie befürchtet hunderte Tote, sollte das Krankenhaus wie viele andere Krankenhäuser in Gaza auch evakuiert werden.



    Zudem wurde heute laut ZDF von israelischen Soldaten auf Diplomaten in Gaza geschossen.

    Keine Sondersendung in ARD und ZDF angesichts des zivilen Sterbens in Gaza, dem auch viele unschuldige israelische Soldaten aufgrund einer rechtsextremen Politik der Regierung in Israel zum Opfer fallen.



    Annalena Baerbock kritisierte als Außenministerin den israelischen Angriff auf eine Klinik im Gazastreifen. Soll das gleiche nun mit der letzten Klinik in Gaza geschehen? Deutsche Politik und viele deutsche Medien schweigen weitgehend angesichts dieser drohenden Konsequenz.

  • Die Haltung von Bundeskanzler Merz ist richtig und wichtig!

  • " ... gleichzeitig anzuerkennen, dass dessen Kriegsführung schon lange die Grenze der Verhältnismäßigkeit überschritten hat."

    Warum in Anbetracht der realen Verhältnisse so unverhältnismässig zurückhaltend formuliert?



    Wären deutlichere Worte schon zu viel gesagt?

    Das erkennbare Ausmaß der Verheerung kennzeichnet nicht eine Grenzüberschreitung der Verhältnismässigkeit, sondern es offenbart die kriegerische Umsetzung eines öffentlich erklärten Ziels. Fehlen dafür die Worte nicht nur beim Kanzler?

  • …anschließe mich “…und auch sonst von mäßigem Verstand!“ Woll

  • "...und Waffenlieferungen an Israel stets guthieß"



    Das haben die Grünen, die SPD und die FDP unter der Ampel doch auch 3 Jahr gut geheißen und Waffen geliefert, wo soll jetzt da was anders sein?

  • Natürlich lässt Frankreich und Großbritannien Merz "außen vor", wenn es eine Israelpolitik betreiben will, von der London und Paris wissen, dass Berlin sie nicht mitträgt. Da hat allerdings doch überhaupt nichts mit der Frage zu tun, ob Deutschland als außenpolitischer Player ernst genommen wird. Offensichtlich gibt es da unterschiedliche Interessen oder Befindlichkeiten. Ergo auch keine gemeinsame Linie. Es wird Fälle geben, wo Deutschland ebenso allein oder mit anderen Partnern ohne Frankreich und Großbritannien seinen außenpolitischen Interessen nachgeht. Also: No Problem.

  • Da steckt wohl Herz und Verstand noch immer in der Vergangenheit seiner Familie fest. So was von sowas kommt, wenn man seine familiäre Vergangenheit nicht ehrlich und offen aufarbeiten will. Das blockiert im Geiste, wenn die Fragestellungen mal messerscharf mit historischer Ehrlichkeit beantwortet werden müssen. Obwohl er damit noch kein "Messermann" ist. Die Schuldgefühle gegenüber Israel sind scheinbar größer als jede ehrliche und aufrichtige Unterstützung der Menschen in Israel und Gaza, um keine verbrecherischen Handlungen, wie sie in unserer Geschichte und der unserer Großeltern und Eltern geschehen sind, zu wiederholen. Wie war das noch Herr Merz - Nie Wieder! Das gilt für alle menschenverachtendenden Taten, und umso mehr wenn international gesuchte Kriegsverbrecher bestenfalls zur Verhaftung einzuladen sind, nicht erst wenn die nächste Schoa losgetreten wird. Ob so etwas je rechtzeitig bemerkt würde von unserer rechten Mitte, ist zu bezweifeln.

  • "Wer dauerhaft Augen und Ohren verschließt, wird eben nicht als außenpolitischer Player ernst genommen."- Und muss sich nicht wundern, wenn irgendwann Anklage wegen Beihilfe erfolgt.



    Unter führenden Rechtsexperten und international renommierten Völkermord- Experten und Organisationen wie das Lemkin-Instititut und GenocideWatch ist das Urteil doch recht eindeutig, wie eine der Expertinnen sagte, die Opposition ist fast ausschließlich politisch nicht rechtlich. Auch wenn es scheinbar immer wieder vergessen wird, die Völkermord- Konventionen dienen vor allem erstmal auch der Prävention und daraus ergeben sich rechtliche Konsequenzen für alle Staaten. Aber hier möchten ja viele einfach weiterhin Augen und Ohren verschließen. Man muss sich nur mal die Situation der letzten zwei Monate zu Gemüte führen mit Totalblockade und dann die Worte der isr. Regierung zum Thema Vertreibung, der Zerstörung (Netanjahu.: "destroying more and more houses [in Gaza and Palestinians accordingly] have nowhere to return") von Infrastruktur ist für mich eine absichtliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen.

  • Merz ist kein König oder Präsident - er muss schon Innenpolitik hinbekommen, zumal die Union ja sonst erst recht niemanden mit Vernunft dazu im Kabinett hat.



    Wenn er herumreisen will, hätte er Außenminister machen sollen. Mit Günther oder sogar Laschet stünde ein besserer Ersatz zur Verfügung.

    Bei Israel darf er solche Harakiriaden wie Netanyahu-Empfangenwollen nie mehr begehen. Gleiches Recht für alle. Menschenrechte gelten auch für Palästinenser. Völker- und Kriegsrecht auch für Israel.

  • Merz ist in Menschenrechtsfragen offenbar ebenso unbedarft wie als Bundeskanzler. Vielleicht erklärt ihm mal jemand, der sich auskennt, was es mit Völker- und Menschenrechten auf sich hat und aus welchen Anlässen diese proklamiert wurden.

    Deutschland hat mit F. Merz die nächsten 4 Jahre wirklich ein Problem, ebenso wie die USA mit Trump.

  • Blinde und taube Menschen “verschließen” ihre Augen und Ohren nicht vor der Realität, sondern können vor allem nicht hören oder sehen - das hat nix mit Ignoranz oder Bockigkeit zu tun. Könnt ihr diese Metapher vielleicht einfach mal beerdigen?

  • Zeitenwende bei der taz? Vor Monaten wurden hier noch ganz andere Parolen verbreitet. Aber jeder ist ja lernfähig.

  • Dem kann man nur recht geben. Ich freue mich wirklich, wie sich die Berichterstattung in den letzten Wochen auch in Deutschland gewandelt hat.

  • gruppenzwang ist doof. Israels verhalten gegenüber gaza doofer. Muss das eine jetzt gegen das andere in Stellung gebracht werden?

    und des weiteren: Wer denkt an Jemen? Sanktion vs Saudi Arabia now!

  • Sind Kanada, Frankreich und Großbritannien jetzt böööse?