piwik no script img

Fridays for Future zum Klima-Aktionstag„Die Masse ist auf unserer Seite“

Fridays for Future will nach der Corona-Pause zurück auf die Straße. Ein Gespräch mit den Aktivist:innen Pia Haase und Riva Morel.

Greta Thunberg demonstriert mit Aktivist*innen von Fridays for Future vor dem Brandenburger Tor Foto: Andi Weiland/dpa
Interview von Sophie Schmalz

taz: Frau Haase, Herr Morel, Sie sind bei Fridays for Future in Berlin aktiv und rufen am 25. September zum Klimastreik auf. Nach der letzten Massendemo vor einem Jahr beschloss die Bundesregierung kurz darauf das lang ersehnte Klimapaket …

Pia Haase: … wohl eher ein „Klimapaketchen“. Die Enttäuschung war riesig.

Warum?

Haase: Wir kamen uns verarscht vor, aber der Frust diente auch als Katalysator, weiter und lauter zu protestieren. 1,4 Millionen Menschen waren vor einem Jahr allein in Deutschland auf der Straße. Wir haben die Massen auf unserer Seite.

Riva Morel: Der Klimakummer war zunächst natürlich groß – und er kommt auch immer wieder. Die Demos werden aber auch dadurch umso wichtiger. Sie geben ein gemeinschaftliches Gefühl. Nach dem Motto: Du bist nicht allein.

In Berlin demonstrierten vor einem Jahr laut Polizei 100.000, laut Veranstalter*innen 270.000 Menschen. Wie soll das kommenden Freitag in Zeiten von Corona funktionieren?

Haase: Unser Ziel ist es, die Teilnehmenden so aufzuteilen, dass nicht zu viele zur selben Zeit am selben Ort protestieren. Es wird einen Sitzstreik vor dem Brandenburger Tor geben mit Abstandslinien auf dem Boden. Wir haben ein Coronakonzept erarbeitet, es gilt Maskenpflicht, und es wird Desinfektionsmittel geben. Parallel findet eine Fahrraddemo coronakonform mit Startorten an verschiedenen Standpunkten statt.

Im Interview: Pia Haase

20 Jahre, ist seit Anfang 2019 bei Fridays for Future aktiv und Sprecherin für die Berliner Ortsgruppe. Haase studiert im zweiten Semester Modedesign an der Universität der Künste (UdK) in Berlin.

Klingt aufwändig.

Im Interview: Riva Morel

20 Jahre, ist bei Fridays for Future und den Anti-Kohle-Kidz aktiv, mit denen er am 25. September von Berlin ins Rheinland fährt, um zivilen Ungehorsam zu leisten und Kohlebagger zu blockieren.

Haase: Auf jeden Fall. Eine Großdemo in Zeiten von Corona zu organisieren ist mit viel mehr Auflagen verbunden. Aber es ist leistbar. Es wird in Hunderten Städten Aktionen und Demos geben. Auf unserer Internetseite ist eine Übersichtskarte.

Fridays for Future will „Soziales neu denken“, so der Aufruf zur Demo. Warum steht die soziale Frage dieses Jahr im Fokus?

Morel: Konjunkturpakete in Zeiten von Corona müssen an soziale und nachhaltige Bedingungen geknüpft werden. Es wird aber weiterhin viel zu viel Geld für fossile Strukturen und Konzerne wie Lufthansa ausgegeben. Dazu hatten wir vor Kurzem eine Pressekonferenz mit Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften. Schon jetzt sind die Ärmsten am stärksten vom Klimawandel betroffen – global, aber auch national läuft das komplett schief.

Haase: Wir sind eine Klimagerechtigkeitsbewegung. Das heißt, wir fordern soziale Gerechtigkeit. Die Klimakrise verstärkt soziale Ungerechtigkeiten. Klimaschutz kann nicht von anderen sozialen Fragen getrennt werden. Niemand darf ausgegrenzt und Klimaschutz darf nicht zulasten bestimmter Personengruppen gestaltet werden. Der Kampf für Klimagerechtigkeit muss intersektional sein, das heißt, er muss antirassistisch, antifaschistisch, antikapitalistisch und feministisch sein. Und er muss gegen jegliche andere Form von Diskriminierung und Ungerechtigkeit antreten.

Herr Morel, Sie sind zudem bei den Anti-Kohle-Kidz aktiv, die dazu aufrufen, parallel zum Klimastreik ins Rheinland zu fahren, um in der Grube zu protestieren. Wer sind die Anti-Kohle-Kidz?

Morel: Wir haben uns nach dem letzten großen Klimastreik vor einem Jahr gegründet. Wir sind eher junge Menschen, und es gibt uns bereits in weiteren Städten wie Hamburg, Rostock oder der Ortsgruppe Süd. Wir sind ein breites Bündnis aus antirassistischen, antifaschistischen, feministischen und antikapitalistischen Gruppen. Wir wollen gemeinsam mit Ende Gelände die Kohleinfrastruktur blockieren, aber ein etwas niedrigschwelligeres Angebot des zivilen Ungehorsams anbieten. Ende Gelände geht meist in die Grube, was für viele schon sehr anspruchsvoll ist. Unsere Priorität liegt auf der Sicherheit und darauf, unsere Erfahrungen mit Neuen und Interessierten zu teilen.

Warum findet das zeitgleich statt, ist das eine Konkurrenz zum Klimastreik?

Morel: Nein. Die Aktion wird so möglich sein, dass man direkt von der Massendemo in Berlin und anderen Städten in die Grube fahren kann.

Klimastreik am Freitag

Streik in Berlin Fridays for Future ruft am Freitag, 25. September, um 11 Uhr zu einer Mahnwache, die in Form eines Sitzstreiks vor dem Brandenburger Tor stattfinden soll, und um 12 Uhr zu einer Kundgebung auf. Mehr Infos: klima-streik.org

Protest im Rheinland Unter dem Motto „Wenn Gesetze versagen, ist Zeit für Blockaden“ rufen die Anti-Kohle-Kidz dazu auf, vom 24.–27. September ins Rheinland zu fahren und gemeinsam mit Ende Gelände die Kohleinfrastruktur zu blockieren.

Gegen Kohle Die Anti-Kohle-Kidz sind ein breites Bündnis aus antirassistischen, antifaschistischen, antikapitalistischen, ökologischen und feministischen Gruppen. Es gibt sie seit einem Jahr deutschlandweit in mehreren Städten. (taz)

Was soll das bringen, weiterhin gegen Kohle zu protestieren? Das Kohleausstiegsgesetz wurde jüngst beschlossen.

Morel: Aufgeben ist keine Option. Auch wenn es bereits Gesetze gibt, ist es wichtig zu zeigen, ob man damit einverstanden ist oder nicht. Dieses „Kohleeinstiegsgesetz“, wie wir es nennen, ist absolut kein Kompromiss – obwohl es in den Medien häufig so verkauft wird. Es sollen noch weitere sechs Dörfer abgebaggert werden, aber wir dürfen nicht die Dörfer enteignen – sondern die Kohlekonzerne. Kohle ist jetzt schon nicht mehr rentabel. Durch Aktionen des zivilen Ungehorsams wollen wir den Kohleausstieg früher einleiten. Jeder noch so kleine Erfolg, den wir schaffen, rettet Menschenleben. Wir brauchen nicht erst 2038 einen Ausstieg, sondern jetzt.

Seit Corona haben Fridays for Future und andere Klimaaktivist*innen vor allem im Internet protestiert. Wie hat das geklappt?

Haase: Wir haben den freitäglichen Schulstreik ab März ins Netz verlagert. Das hat ein wenig geholfen, vor allem uns gegenseitig weiter zu motivieren. Aber wir konnten mit dem Netzstreik nicht so viele Menschen erreichen, sondern nur die, in deren Algorithmus wir vorkommen. Die Klimadebatte wurde aus der Öffentlichkeit verdrängt. Klimapolitisch ist nichts passiert. Deshalb braucht es jetzt wieder eine präsente und große Klimagerechtigkeitsbewegung auf der Straße. Wir freuen uns, wenn viele kommen, und zwar von jung bis alt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • Und hier eine andere Sicht auf FFF.



    www.cicero.de/kult...-elite-klimawandel

    • @Trabantus:

      Im Kern ist der Artikel richtig.



      Aber ist es nicht so dass jenseits der Perspektive des Artikels der Klimawandel die armen und sozial schächer gestellten Menschen mehr bedroht als die Reichen die den Folgen geographisch leicht ausweichen können.



      Und wenn es nunmal so ist dass viele FFF Leute ( bei weitem nicht alle !!!) akademischen Hintergrund haben so tun sie wenigstens was oder.



      Oder sollten sie sich lieber ein SUV kaufen, BWL studieren und 5 mal im Jahr durch die Gegend jetten ?

  • 0G
    03030 (Profil gelöscht)

    "Die Masse ist auf unserer Seite“



    jetzt fehlt nur noch,dass die fff's rufen:



    'WIR SIND DAS VOLK'

    • @03030 (Profil gelöscht):

      was soll der Kommentar ?



      Die meisten Menschen empfinden den Klimawandel als bedrohlich und finden fff sinnvoll .

  • "Aber wir konnten mit dem Netzstreik nicht so viele Menschen erreichen, sondern nur die, in deren Algorithmus wir vorkommen. "

    Ich verstehe nicht einmal was das bedeutet, wie kann ich es denn bewerkstelligen, dass FFF in meinem Algorithmus vorkommt?

    Und nicht nur in meinem Poesie-Album.

    • @Jim Hawkins:

      F5 drücken!

      • @Ringelnatz1:

        Warum fallen mir die einfachsten und elegantesten Lösungen nie ein?

        • @Jim Hawkins:

          Schau mal auf Berlin-Bilder für die Bewegung!

          • @Ringelnatz1:

            Ha ick!

    • @Jim Hawkins:

      Sie werden online nur etwas von dem Streik mitbekommen, wenn sie sich schon für das Thema interessieren/Leuten folgen, die da mitmachen/sozusagen in der Klimaschutz-Blase sind. Ansonsten wird ihnen gar nichts zu den Protesten durch die Algorithmen von Facebook, Twitter und Co angezeigt.

      Andere Teile der Gesellschaft erreicht man auf diesem Weg kaum, weil die meisten Menschen - anders als durch reale große Demos - nichts von den Protesten online mitbekommen.

      • @gyakusou:

        Verstehe.

        Wenn ich also hundertmal Luisa Neubauer in die Suchmaschine eingebe, sollte ich auf der sicheren Seite sein.

  • Tatsache

    Die Masse will Auto fahren und in Urlaub fliegen!



    Übrigens auch eine große Mehrheit bei den "Grünen".

  • "Wir haben die Massen auf unserer Seite."

    Für den Klimaschutz sind (fast) alle.

    Eine Mehrheit für drastische Einschränkungen bei liebgewonnenem Luxus/Annehmlichkeiten in unserer "westlichen" Welt gibt es sicher nicht.

  • "Eine Großdemo in Zeiten von Corona zu organisieren ist mit viel mehr Auflagen verbunden. Aber es ist leistbar."

    "Klimaschutz kann nicht von anderen sozialen Fragen getrennt werden. Niemand darf ausgegrenzt und Klimaschutz darf nicht zulasten bestimmter Personengruppen gestaltet werden. Der Kampf für Klimagerechtigkeit muss intersektional sein, das heißt, er muss antirassistisch, antifaschistisch, antikapitalistisch und feministisch sein."

    Andere Leute müssen doppelt so alt werden, um dieses Level zu erreichen. Noch andere erreichen es ihr Leben lang nicht. Meinen härtesten Respekt!

    Gutes Gelingen! Ich bin am 25. dabei, hatte mir schon vorher freigenommen, aber nach diesem Interview erst recht. Frau Haase, Herr Morell - bleibt so stark, bleibt so klug, bleibt so stabil, bleibt so weise, bleibt so engagiert! Leute wie ihr sind die Hoffnung, die die Menschheit braucht, um etwas zu verhindern, über die man selbst in der Klimaforschung nicht gern öffentlich redet - was da anrollt, kann sich kaum ein Mensch vorstellen.

    Und weil ihr euer eigenes Interview vermutlich lest, hier als kleines Dankeschön eine Liste mit für FFF interessanten Filmen - schaut sie an, zeigt sie anderen, empfehlt sie weiter: digbysblog.net/202...top-10-eco-flicks/

    • 0G
      03030 (Profil gelöscht)
      @Ajuga:

      'Frau Haase, Herr Morell - bleibt so stark, bleibt so klug, bleibt so stabil, bleibt so weise, bleibt so engagiert! Leute wie ihr sind die Hoffnung, die die Menschheit braucht, um etwas zu verhindern, über die man selbst in der Klimaforschung nicht gern öffentlich redet - was da anrollt, kann sich kaum ein Mensch vorstellen.'



      auf dass die frau h. und der herr m. so unkritisch ihrer eigenen sicht der dinge ggue. und soselbstbesoffen ob ihrer vermeintlichen massenwirksamkeit bleiben.dann klappt das auch mit dem *klimawandel*.