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Freistadt Christiania in DänemarkDie Drogengasse soll schließen

In der Pusher Street wird seit mehr als 50 Jahren Cannabis verkauft. Das wollen die Anwohner ändern, nachdem es zu tödlichen Schüssen gekommen war.

Einwohner von Christiania sind verärgert über die Präsenz krimineller Banden in der Wohnsiedlung Foto: dpa

Kopenhagen dpa | Nach erneuten tödlichen Schüssen in der Kopenhagener Freistadt Christiania wollen die Einwohner der Siedlung die berüchtigte Drogengasse Pusher Street schließen lassen. Das wurde am späten Sonntagabend auf einer Gemeindesitzung beschlossen, wie die Pressegruppe von Christiania im Anschluss mitteilte. Zuvor waren am Samstag erneut Schüsse in der Pusher Street gefallen. Ein 30-Jähriger wurde dabei getötet, vier Menschen wurden verletzt.

„Das, was wir befürchtet haben, ist geschehen – wieder. Wieder hat ein junger Mensch durch den Bandenkrieg sein Leben verloren“, erklärte die Gemeinde. Auch Touristen und andere Unbeteiligte seien von den Schüssen getroffen worden. „Das hier kann nicht weitergehen. Das darf nicht weitergehen. Das sollte nicht noch mehr Leben zerstören.“ Eine Sprecherin der autonomen Siedlung sagte der dänischen Nachrichtenagentur Ritzau, dass es das erste Mal sei, dass die Einwohner geeint die Schließung der Drogenmeile forderten. Nun liege es an den Behörden, wie dies ablaufen solle.

Die Pusher Street ist das Zentrum des organisierten Cannabis-Handels in Christiania. Bereits Anfang August hatten einige Einwohner aus Protest gegen kriminelle Gangs die Eingänge zu der Gasse mit Betonklötzen und Containern blockiert.

Gelingt ihre Schließung nun, wäre das ein historischer Schritt: In Christiania wird seit mehr als 50 Jahren relativ frei sichtbar Haschisch verkauft. In den vergangenen Jahren haben dort jedoch zunehmend Banden die Markthoheit über das Drogengeschäft übernommen, was auch zu mehr Gewalttaten geführt hat.

2022 wurde ein 23-Jähriger erschossen, ein Jahr zuvor ein 22 Jahre alter Einwohner. Dänischen Medienberichten zufolge soll der am Samstag getötete Mann Probemitglied beim Rockerclub Hells Angels gewesen sein. Die Hells Angels stehen demnach im Konflikt mit der verbotenen dänischen Straßengang Loyal to Familia.

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16 Kommentare

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  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    "Eine Sprecherin der autonomen Siedlung sagte der dänischen Nachrichtenagentur Ritzau, dass es das erste Mal sei, dass die Einwohner geeint die Schließung der Drogenmeile forderten. Nun liege es an den Behörden, wie dies ablaufen solle."

    Moment mal, wo ist denn hier die vielbeschworene Autonomie?

  • Dänemark sollte einfach legalisieren. Problem gelöst.

    • @argie:

      Bis dahin aber weitere Tote per Schließung verhindern.

      • @Rudolf Fissner:

        Hat Christiania ja gemacht. Das Problem dort war und ist aber sehr ähnlich dem in Holland. Quasi-legaler Verkauf nutzt nichts, wenn die Herkunft der Drogen nach wie vor illegal ist. Holland hat zuletzt jeden Anbau oberhalb dessen, was jetzt in Deutschland geplant wird, hart verfolgt. Weshalb nahe bei 100% des Bedarfs von Kriminellen bedient wird, die erst mittels der damit generierten Gewinne in die Champions League aufsteigen und sich als Partner für die Kartelle qualifizieren konnten. Solange der Anbau von ein paar Hundert Pflanzen mehr oder weniger als Kavaliersdelikt betrachtet wurde,



        kam das Gras zumeist von Hippies und Enthusiasten, was sich im gleichen Ausmass änderte, wie sich der Verfolgungsdruck erhöhte. Hätten die Holländer vor +20 Jahren den Cannabisanbau reguliert/legalisiert oder verstaatlicht, hätten sie sich jede Menge Ärger ersparen können. Da natürlich auch der Kokainhandel den von Marx beschriebenen eisernen Gesetzen des Kapitalismus folgt, musste es so kommen, wie es gekommen ist. Kamma nix machen. Oder, doch?

  • Das ist dann nicht das Problem von Haschisch, auch nicht einer autonomen Stadt oder linken, anarchischen Werten, sondern das Problem von autoritären (ungleich autonom) Banden. Welche, gemäß Ideologien, sich eigentlich von Christiania fernhalten müssten.

    Aber gut, Autoritäre wissen halt, wie man Strukturen infiltriert, zersetzt und den Ruf in der Gesellschaft besudeln kann.

    Ich vermute stark eine False Flag Aktion, um der Modellstadt, die überaus positiv ist, gar Waffengewalt verbietet, einen negativen Stempel zu verpassen.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Da wird nix infiltriert, die organisierte Kriminalität kommt einfach und nimmt sich, was sie will. Und was zur Hölle soll da bitte"false flag" sein?

      Bitter, daß jetzt "die Behörden" es in Christiania richten sollen und, daß die Bewohner "geeint" die Bullen rufen... aber gut, ein Plenum nutzt nicht viel gegen Pistoleros

    • @Troll Eulenspiegel:

      Na was glaubst du denn, wo das Haschisch herkommt, dass in Christiania über Jahrzente verkauft wird und wer schon immer damit das größte Geschäft macht? Das ist kein Hippie Homegrown.



      Da brauchts keine Verschwörung, damit sich auch mal die harte Realität dieses Geschäfts offenbart.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Und warum sollten sich kriminelle Banden verpflichtet fühlen, der Ideologie von Christiania zu folgen? Oder die Autorität der Führung dort akzeptieren?

      Es ist doch logisch, dass Kriminelle jeden Ort infiltrieren wollen. Umso einfacher, wenn es in Stadtteil solche Freiräume gibt und Drogenverkauf toleriert wird.

  • "Ein 30-Jähriger wurde dabei getötet, vier Menschen wurden verletzt.".



    Einige Informationen fehlen. Der 30-jährige war Hells Angels Prospect. Die Mörder kamen aus der Bande Loyal to Familia, dessen Mitglieder Nicht Dänischer Herkunft sind.

    • @niels astrup:

      Also das Geschehene doch lieber aus identitärer Sicht bewerten, ja?



      Wäre es denn aus Ihrer Sicht eher nationalistisch, kulturell oder gar genetisch zu erklären?



      Oder gar mit Geschlecht? 100% Männer wurden getötet von 100% Männer



      ;-)

      • @Nilsson Samuelsson:

        Es ist alles zutreffend und alles ein Teil (aber eben nur ein Teil) des Problems.

        • @Wurstprofessor:

          Ich bin der feste Überzeugung, dass wenn es um Gleichheit vor dem Gesetzt geht, sollte Herkunft, Hautfarbe, Kultur, Geschlecht etc. keine Rolle spielen.

          Mord ist Mord.



          Drogenhandel ist Drogenhandel.



          Diebstahl ist Diebstahl.



          usw.

    • @niels astrup:

      Und welchen Unterschied macht das? Die dänischen Angels wickeln ihre Konflikte sonst auch nicht mit einer Partie Schnick Schnack Schnuck ab. Abgesehen davon sind die meisten LtF Mitglieder in Dänemark geboren.

      Gewalttätige Drogengangs sind immer eine Folge der Prohibition.

      • @Systemknecht:

        Und Kriminalität, einschließlich gewalttätige Drogengangs, ist vielleicht noch mehr eine Folge der sozialen Stabilität der Gesellschaft.

        Eine stabile Gesellschaft mit einem hohen Maß an Chancengleichheit lässt sicherlich eine Karriere in gewalttätigen Drogengangs wesentlich unattraktiver erscheinen.

  • Einw wischiwaschimaßnahme um die Gemüter zu beruhigen, das eigentliche problem wird nicht an der Wrzel angepackt. Es wird nicht lange dauern und der Drogenhandel wird in irgendeiner anderen Straße stattfinden

  • Gutes Beispiel dafür, dass die Tolerierung von Straftaten wie Drogenhandel keine gute Idee ist. Weil kriminelle Akteure diesen Raum für sich nutzen und in diesem Umfeld dann auch andere Straftaten geschehen.