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Freie bei Öffentlich-RechtlichenDie Vergessenen

Die SPD will unabhängige Medien und Journalist*innen mit einem Aktionsprogramm stärken. Freie Mitarbeiter werden allerdings nicht berücksichtigt.

Immer flexibel sollen sie sein, die freien Mitarbeiter*innen – und dabei bloß nicht jammern Foto: Mihajlo Maricic/EyeEm/Getty Images

BERLIN taz | Enttäuscht wirken einige, die vergangene Woche den Saal im Paul-Löbe-Haus verlassen. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte zum „Medienpolitischen Dialog“ eingeladen. Im Vordergrund stand dabei die Situation der freien Journalist*innen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dafür wollte man sich Input holen von Betroffenen selbst und Medienvertreter*innen der Sender zu Wort kommen lassen. Die durften erklären, wie sie ihre freien Mitarbeiter*innen unterstützen.

Bereits im Juni hatte die SPD ihr „Aktionsprogramm für freie und unabhängige Medien“ vorgestellt. Das darin enthaltene Ziel: Die Medienlandschaft in Deutschland stärken sowie „eine freie und ungehinderte journalistische Beobachtung und Berichterstattung sicherstellen“. Also auch die der freie Kolleg*innen, könnte man glauben.

Anlass für dieses Programm, so schreibt die SPD, sei ein Klima, in dem die Arbeit von freien und unabhängigen Medien zunehmend in Frage gestellt werde. Diffamierungen wie „Lügenpresse“ oder „gleichgeschalteter Staatsrundfunk“ sowie Gewaltandrohungen gegen Journalistinnen und Journalisten machten das deutlich. Dass dies verstärkt auch freie Journalist*innen betrifft, die weniger abgesichert sind in solchen Situationen, steht da nicht.

Das SPD-Programm stützt sich auf vier zentrale Bestandteile: ein Bundesgesetz zur Informationspflicht von Behörden, die Stärkung der Presse- und Medienfreiheit, die Förderung von investigativem Journalismus und die Wahrung des Berufsgeheimnisschutzes und des Informantenschutzes.

Absicherung der Freien

Klingt erst mal nach einem wichtigen Vorhaben, wie der Deutsche Journalisten Verband (DJV) schon Mitte des Jahres lobte. Nur: Inwiefern tauchen darin denn nun eigentlich relevante Forderung für freie Jour­na­lis­t*innen auf?

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, so wurde es auch im Koalitionsvertrag verankert, soll von der SPD gestärkt werden. Freie Journalist*innen sind an diesem Rundfunk maßgeblich beteiligt. Schließlich könnte kein Programm heute mehr ohne Freie stattfinden. Allein diese Tatsache sollte dafür sprechen, die Rechte dieser Jour­na­list*innen zu stärken.

Kein Programm im Öffentlich-Rechtlichen könnte heute mehr ohne freie Journalist*innen stattfinden

Was Vertreter*innen von freien Jour­na­list*innen seit Jahren fordern, sucht man im Aktionsprogramm der SPD jedoch vergeblich. Keine Forderung, die auf die Verbesserung der sozialen Absicherung abzielt, kein Wort über die Förderung von Mitbestimmung oder eine Gleichsetzung der Personalräte. Das kritisiert auch Christoph Hölscher, ARD-Freienrat-Vertreter und Journalist beim rbb: Im Aktionsprogramm stünden wichtige Dinge, wie die Stärkung der Pressefreiheit. „Für die Verbesserung der sozialen Situation der Freien birgt es relativ wenig.“

An der Realität vorbei

Statt sich auf die Forderung nach Mitbestimmung und sozialer Ab­sicherung in den Öffentlich-Rechtlichen einzulassen, hörte man von dessen Vertreter*innen ­teilweise absurde Argumente. Gregor Wichert, Personalleiter des ZDF, sagte, freie Jour­na­lis­t*innen würden besser verdienen als ihre fest­angestellten Kolleg*innen.

Und weiter: „Die Konditionen von ‚Festen Freien‘ erinnern nicht an Prekariat.“ Zudem sagte er, ein Freier müsse, „ganz salopp gesagt“, nicht arbeiten. „Ein Festangestellter muss seine Stunden erfüllen.“ Doch seine Aussage geht an dem Leben viele*r freier Journalist*innen vorbei – das haben zahlreiche Studien gezeigt.

Als Angestellte*r lässt sich der Vorstoß der SPD sicher feiern. Nur die Freien, die bleiben mal wieder außen vor. Am Ende, sagt Christoph Hölscher, gebe es immer Gründe, weshalb ihre Forderungen dann nicht umgesetzt würden. Mal abwarten, ob sich auch diesmal einer finden lässt.

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3 Kommentare

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  • Wenn tatsächlich "kein Programm heute mehr ohne Freie stattfinden" kann, dann bedeutet das doch auch, dass die Freien eine gewisse Marktmacht haben, die sie vielleicht nicht genügend nutzen um bessere Konditionen zu verhandeln.

    Ein freier Mitarbeiter sollte gerechterweise stets besser verdienen als ein fester. Der Deal ist mehr Flexibilität gegen weniger soziale Absicherung und weniger Mitbestimmung. Das muss die Sender etwas kosten, ansonsten stimmt etwas nicht mit dem Marktmechanismus.

    Die Mitarbeit von freien, d.h. auch unabhängigeren, Journalisten ist doch im Prinzip auch ein gutes Argument gegen Diffamierungen wie "Lügenpresse" oder "gleichgeschalteter Staatsrundfunk".

  • Der Kommentar mag inhaltlich zutreffen. Ich frage mich jedoch - cum grano salis - ob ein derartiges Temperament genau an dieser Stelle, in dieser Zeitung, noch als angemessen zu betrachten ist. Wer so kritisiert, sollte es besser machen. Wer aber statt dessen seit Anbeginn ohne Tarifvertrag durch die journalistische See schippert und - ich zitiere eine Selbstaussage der taz vom Januar 2019 - die Zeilenvergütung der "Freien" teilweise seit 1991 nicht angehoben hat, sollte vielleicht etwas vorsichtiger mit seiner Kritik auftreten. Sie könnte zur zynisch wirken.

    • @Cerberus:

      Und weiter gehts: Wer die umfassende Praxis des outsourcings von Kamera, Ton, Schnitt, - kurz des sogenannten technischen Personals im öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht kritisiert, kommt auch nicht auf das was Jean Luc Godard einmal so ausdrückte: "Es geht nicht darum politische Filme zu machen, sondern darum politisch Filme zu machen."



      Denn die Dinge sind manchmal einfach und konkret. Wenn der RBB behauptet ein Regionalstudio Cottbus zu haben, aber über kein festangestelltes Kamerateam vor Ort verfügt...wie sollte dann eine Regionalberichterstattung aussehen, die gar nicht die Kapazität hat vor Ort zu sein, wenn irgendwo um 22.00 ein Haus brennt?



      Weiss man doch das ein "freies Kamerateam" in Cottbus "frei" von bitte welcher Film- und Fernsehlandschaft "frei" dort sonst noch engagiert werden soll?



      Das geht nur mit Lohn- und Sozialdumping - also billiglohn-prekärer Berichterstattung, die dann haargenau auch nur das ist in ihren Arbeitsergebnissen und nicht bloss ihrer "Moral"



      Seit Jahrzehnten beschäftigt sich die Verwaltung der Öffentlich-Rechtlichen damit, wie sie ihre Verwaltungsposten und -Tätigkeit so rechtfertigen kann, das sie selbst ihre Posten nicht verlieren. So ist die faktisch wirkende Struktur. Das nachsehen haben das technische Personal, die prekären Journalistinnen - also die "Teams" die den Content tatsächlich und zunächst produzieren.



      Lokalberichterstattung - also das was aktuell "die Abgehängten auf dem Land" zum Thema hätte, ist halt eben... "teuer". Braucht Leute vor Ort, die wissen was läuft. Im Karnickelzüchterverein. Wenig glamourös. Ursache, Wirkung und Ergebnis ist nicht so wundersam, wie gerne absichtsvoll ahnungslos getan wird.