piwik no script img

Frauenpolitik der SPDDie Hälfte der Macht den Frauen

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Noch ist Parität im neuen Kabinett nicht sicher. Das Wort Quote taucht im Sondierungspapier gar nicht erst auf.

17.1.2019: Weißgekleidete Frauen der SPD-Fraktion erinnern an die Sufragetten vor 100 Jahren Foto: Sipa/action press

Z um internationalen Frauenkampftag am 8. März dieses Jahres fand Olaf Scholz klare Worte. „Allein die Tatsache, dass ich ein Mann bin, hat mir häufig im Leben geholfen. Das ist mir bewusst“, schrieb er auf Twitter. „Und gerade deshalb bin ich Feminist.“ Frauen, so verspricht er, „gehört die Hälfte der Macht“. Knapp acht Monate später braucht die SPD einige deutliche Worte der eigenen und externer Frauen, um zumindest eines der fünf höchsten Staatsämter mit einer Frau zu besetzen.

Rolf Mützenich, der gern Bundestagspräsident geworden wäre, verzichtet zugunsten der Parteilinken Bärbel Bas. Ob es ohne Druck zum ersten frauenpolitischen Skandal der neuen Legislatur gekommen wäre, bevor diese überhaupt angefangen hat, sei dahingestellt. Fest steht: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und ein Fünftel ist noch keine Parität.

Die SPD, die sich nach jahrzehntelangen Streits Ende der 1980er eine Frauenquote von 40 Prozent gab, nimmt ihre eigenen Ansprüche schon länger nicht ganz so ernst. In beiden rot-grünen Regierungen waren rund doppelt so viele männliche wie weibliche MinisterInnen vertreten. Das aktuelle Kabinett Merkel hingegen ist nahezu paritätisch aufgestellt. Immerhin erfüllt die Bundestagsfraktion der SPD ihre Vorgaben diesmal punktgenau: 42 Prozent der Abgeordneten sind weiblich.

In dieser Fraktion – und bei den Grünen – hat die breitbeinige, Cohiba rauchende, sich zuprostende Männlichkeit à la Schröder-Fischer ausgedient. Frauenpolitik als „Gedöns“ zu bezeichnen, würde zu einem Aufschrei führen. Jetzt muss die SPD zeigen, dass ihr „Jahrzehnt der Gleichstellung“ mehr ist als nur Wahlkampfparole. Sie muss ihr Versprechen der paritätischen Besetzung des Kabinetts einlösen.

Für die eigene Quote innerhalb einer Ampelkoalition muss sie dafür nur mal eben die männlich-ministrable Konkurrenz aus dem Weg räumen. Kandidatinnen gibt es genug: Barley, Esken, Lambrecht, Nahles – sie alle sind als Ministerinnen im Gespräch. Die Grünen ihrerseits dürften nicht das Problem sein. Zwar stehen Habeck, Hofreiter und Özdemir um Posten an.

Aber dass die Fraktion, die mit Baerbock als erster grüner Kanzlerkandidatin und knapp 60 Prozent weiblichen Abgeordneten im Bundestag vorlegt, nun ihre eigenen Standards unterläuft, ist unwahrscheinlich. Gleichwohl ist nicht zu erwarten, dass die Grünen auf männliche Minister verzichten, um gleichstellungspolitische Löcher im Kabinett zu stopfen, die andere hinterlassen.

Doch die könnten klaffen: Denn die FPD, die sich seit jeher gegen Quoten stemmt, lässt Paritätswünsche an sich abperlen. Fifty-fifty, so Lindner kühl, habe Scholz auf die SPD bezogen, nicht aufs gesamte Kabinett. „Qualifikation und Fähigkeit, ein Ministerium zu führen“ sollten die Hauptrolle bei der Besetzung spielen, so Wolfgang Kubicki. Ja klar. Deshalb ist auch Andreas Scheuer noch im Amt.

Gesetzt jedenfalls ist ein paritätisches Kabinett auch 2021 nicht. Warum aber braucht es das? Unter anderem, weil vieles, was sich im Sondierungspapier abzeichnet, in der Umsetzung am Personal hängen wird. Zwar soll der Mindestlohn auf zwölf Euro steigen, was zu 70 Prozent Frauen betrifft. Und der Paragraf 219a dürfte fallen. Doch wie es der Pflege, die ebenfalls größtenteils Frauen machen, nach der nächsten Legislatur geht, hängt auch davon ab, wer als MinisterIn für sie zuständig ist.

Oder Alleinerziehende: Sie werden bislang allenfalls indirekt durch den Ausbau von Ganztagsschulen und Kindergrundsicherung adressiert. Die FPD bremst emanzipatorische Politik, wie sich schon jetzt deutlich zeigt. Das Ehegattensplitting, der vermaledeite Dauerbrenner, wird wohl auch eine Ampel überdauern. Ebenso der Paragraf 218. Die Umverteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit spielt im Sondierungspapier keine Rolle. Und das Wort „Quoten“ kommt gar nicht erst vor.

Eine Frau als Bundestagspräsidentin ist ein Anfang. Aber Parität ist die Hälfte der Macht. Die SPD-Frauen, ob Partei oder Fraktion, dürfen es Scholz nicht durchgehen lassen, wenn er versuchen wird, seine Wahlversprechen so tief wie möglich unter den Tisch fallen zu lassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Hier gibt es ja sicher Menschen, die die Quote für eine gute Idee halten. Wer erklärt mir bitte folgendes: Wieso darf sich eine Frau zu Recht ungerecht behandelt fühlen, wenn sie eine Stelle nicht bekommt weil sie eine Frau ist, aber ein Mann, den das selbe auf Grund der Quote ereilt, darf dies nicht - er ist dann ein Frauenfeind. Wird sein individueller Blick auf die Welt deswegen irrelevant, weil Frauen insgesamt benachteiligt sind? Oder werden seine Probleme dadurch weniger? Muss es einem solchen Mann vielleicht genügen, dass er sich statistisch gesehen ja in der Kohorte befindet, der das meiste gehört und die die besten Jobs und Einkommen haben und werden durch diesen Umstand seine Rechnungen beglichen? Und wieso spielt die Befähigung eine so untergeordnete Rolle? Und darüber hinaus: Die Hälfte der Macht "gehört" den Frauen. Ok. Wem "gehört" die andere Hälfte? Den Männern? ... Wie viel Macht steht dann eigentlich Menschen zu, die sich keinem der beiden Geschlechter eindeutig zuordnen? Und bitte, das ist keine Rechenaufgabe...

    • @Ein Mensch.:

      Hinzu kommt, dass hier schon ein Fehler in der Überschrift steckt. "Die Hälfte der Macht DEN Frauen" stimmt so nicht. Denn es sind dann immer noch nicht alle Frauen im Parlament, sondern nur einige, die nicht unbedingt meine eigenen Interessen vertreten, nur weil ich auch eine Frau bin. Es ist ein Trugschluss, dass bei Quote "DIE Frauen" mehr Macht erhalten - es handelt sich lediglich um Symbolpolitik, da trickle down ja nicht funktioniert, wie wir wissen. Mehr Macht würde ich persönlich erhalten, wenn ich selbst bei wichtigen Fragen abstimmen oder Initiativen starten dürfte.

  • Los, 60% Frauen in Führungspositionen, dann wird alles gut. Auch wenn die Erfahrung dagegen spricht und Quotenfrauen eher nicht besonders erfolgreich regieren, egal. Die bisherigen weiblichen Minister waren allesamt Spitzenbesetzungen. Wer anderes behauptet ist rechts, rückwärtsgewandt und vermutlich ein alter Mann.

  • wo bleibt die Quote für Handwerker Pflegekräfte Industriearbeitern in der Regierung also denen die alles am laufen halten ?



    Studierte Politikwissenschaftler und Sozialwissenschaftler sind deutlich über präsentiert.

    • @Sinulog:

      Anschließe mich. Aus WIKI: "Die Elitesoziologie bescheinigt der politischen Elite, dass für sie Politik nicht nur zum Erwerbsberuf geworden ist, sondern dass sie sich zunehmend von der Bevölkerung abkapselt, sich nicht mehr durch soziale Mobilität erneuert und dadurch von denjenigen Interessen entfernt, die sie zu vertreten beansprucht. Zur politischen Elite eines Landes gehört darüber hinaus diejenige bevorrechtete Gruppe, die durch politische und wirtschaftliche Spitzenpositionen regelmäßig politische Macht ausübt und damit wesentlich über gesamtgesellschaftliche Fragen entscheidet und die gesellschaftlichen Ressourcen kontrolliert." Bei Geschlechterquoten wird nichts an diesem System geändert; die AkteurInnen werden lediglich hinsichtlich ihrer Geschlechtsmerkmale diverser.

    • @Sinulog:

      Sind das wirklich Wissenschaftler?

  • Hurra, das neue Niveau der taz. Die Hälfte der Macht den Frauen. Welchen Frauen? Der Kassiererin beim Aldi? Der alten Dame im Haus gegenüber? Oder doch lieber einer kleinen, sehr elitären Minderheit von Alpha-Super-Karriere-Frauen?



    Die Idee, dass Frauen eine klar definierbare Gruppe sind, die dann "die Hälfte der Macht" haben, ist schon ziemlich absurd. Und dass das irgendwie bedeutet, dass dieser Teil der Bevölkerung dann dadurch besser dran ist meiner Meinung nach ebenso.



    Gegenfrage: Geht es mir als Mann besser, weil nun nach 16 Jahren Merkel die Person auf dem Kanzlersessel ein Mann ist? Habe ich nun das Gefühl, dass "mein Kollektiv" nun wieder das Spitzenamt erobert hat?



    Sicher nicht.

    "Aber dass die Fraktion, die mit Baerbock als erster grüner Kanzlerkandidatin und knapp 60 Prozent weiblichen Abgeordneten im Bundestag vorlegt"

    Oh ja, sie hat gut vorgelegt. Baerbock musste es aus dieser Logik werden, auch wenn Habeck passender (Klimapolitiker) und erfahrener (Landespolitik) war und auch keinen so dünnen Lebenslauf hat (ist ja auch Älter und hat mehr gemacht im Leben).



    Und so haben die "vorgelegt", dass sie die Werte der Grünen von 30% Potential halbiert haben.

    Gerade jetzt wäre die Frage: Wer hat am Meisten Erfahrung in Klimaschutz? Wer ist Verkehrsexperte? Wer hat Ahnung von der Landwirtschaft?