piwik no script img

Frauen und ihre TeilzeitjobsWork-Life-Balance in Progress

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit als Männer. Das zeigt mal wieder: Deutschland hinkt in der Gleichberechtigung seinem Anspruch hinterher.

Einmal Teilzeit, immer Teilzeit: Viele Frauen finden keine Vollanstellung mehr Foto: Imago

N ews aus der Arbeitswelt: Die Hälfte der arbeitenden Frauen haben Teilzeitstellen. Äh, wo ist da die News? Ja, richtig, es ist eine neverending story. Dabei räumt die Gesellschaft mit dem traditionellen Geschlechterbild seit Jahrzehnten mehr oder weniger auf.

Ebenso klar ist seit langem, dass die Berufstätigkeit von Frauen vor allem für sie selbst von Vorteil ist: materielle Unabhängigkeit, eine eigene und im besten Fall auskömmliche Rente, soziale Kontakte, Wertschätzung.

In Endlosschleife fest hängen zudem die Begründungen zu den aktuellen Zahlen, die die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei bekannt gegeben hat: fehlende Kitaplätze und Betreuungspflichten gegenüber Pflegepersonen, familiärer Beschluss (mein Mann verdient einfach mehr), eigene Entscheidung (ich will mich nicht so kaputtrackern). Manche Frauen aber finden keine Vollzeitstelle (mehr). Das wiederum ist angesichts des Arbeits- und Fachkräftemangels in nahezu allen Branchen überraschend. Möglicherweise steckt dahinter nach wie vor ein traditionelles Denken von Arbeitgeber:innen: einmal Teilzeit, immer Teilzeit.

Fatal – zuallererst für die Frauen, von denen viele aus ihren prekären Stundenjobs nicht mehr rauskommen, aber auch für die Wirtschaft und die Gesellschaft und selbst für die Familien. Denn auch das belegen Studien seit Jahren: Sind die Eltern zufrieden, geht es auch den Kindern gut. Es kommt stärker auf die Qualität der gemeinsamen Zeit an und nicht vordergründig auf die Quantität. Und immer mehr Väter wollen intensiver für die Familie da sein.

Doch zwischen Anspruch und Tat klafft bekanntermaßen nach wie vor eine Lücke. Um die Gleichstellung, die noch immer stark mit dem Arbeitsmarkt verknüpft ist, ist es wohl doch nicht so gut bestellt, wie wir gemeinhin glauben. Warum ist es so schwer, die erfolgreiche Work-Life-Balance der Niederlande, die 32-Stunden-Woche für Mutter und Vater, hierzulande zu etablieren? Denn wollen müssten sie es alle: Fachkräfte suchende Unternehmen, arbeitswillige Frauen, familienorientierte Männer.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Folgender Gedanke:



    Vielleicht möchten viele Frauen nicht als ceo 80 Stunden die Woche arbeiten.



    Womöglich finden viele Frauen das gründen einer Familie als erfüllender als die Arbeit im Büro.

  • Normalerweise lese ich nur still mit. Aber nach der gefühlt hundertsten Abhandlung einer "Teilzeitfalle" steht doch die Frage im Raum, ob das so überhaupt gegeben ist.



    Ich bin keine Frau, von daher wäge ich es nicht auch nur Ansatzweise selbst darüber zu urteilen. Dennoch zeigen Erfahrungswerte, dass viele Frauen gar keine Vollzeit arbeiten wollen und tatsächlich bei verbesserten Konditionen gerne wieder Vollzeit arbeiten dürften.

    Und dazu passend wollen viele Männer gar keine Zollzeit mehr arbeiten, sondern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen.



    Wenn ich nicht in einer ganz anderen Et lebe als die Mehrheit der Menschen, dann ist das gewünschte Szenario zur Zeit: beide Eltern Teilzeit bei geteilter Carearbeit. Das umfasst mit Sicherheit nicht die faire Aufteilung von mental load, aber doch ein anfestrebtes Ziel mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen.

    Das es in Zeiten eines Fachkräftangels tatsächlich eine Art "Falle" gibt, hätte ich dann doch näher erläutert. Selbst im Handwerk wird vermehrt auf 4 Tage Woche, Teilzeit und Flexibilität gesetzt, da man sonst keine Fachkräfte (meist leider immer noch Männer) mehr bekommt.

    Wird hier etwas herbeigesehnt oder gibt es Parallelwelten in denen die Zukunft noch nicht so weit ist? Sicher gibt es gibt es noch genug Firmen wo es anders läuft, keine Frage, aber es gibt parallel zur offene Stellen, bei denen man sich bewerben könnte wenn man Vollzeit arbeiten will. Daran sollte es doch wahrlich nicht scheitern.

    Nur: machen die Lebenshaltungskosten das mit?

  • Wer leistet denn eigentlich die ganze Care-Arbeit, wenn Frauen Vollzeit arbeiten? Wer versorgt die pflegebedürftigen Angehörigen? Wer fängt die "Die Kita ist wg Personalmangel geschlossen- Tage" ab?



    Wer hat 12 Wochen Urlaub während der Schulferien? Wer hält dem in Vollzeit arbeitenden Partner den Rücken frei? Wer putzt,wäscht,etc?



    Macht Frau das dann in der "Quality-Time" mit den Kindern von 17.00-20:00 Uhr?



    Oder werden dann vom Mehrverdienst andere Frau viel zu niedrig dafür entlohnt, dass sie das übernehmen?



    Diese unsägliche Debatte um die "Teilzeitfalle" geht an der Lebenswirklichkeit so vieler Frauen vorbei. Aber das passt nicht ins Bild, Frauen reden nicht darüber...Viele leisten die ganze Arbeit geräuschlos...

  • Work Life Balance in den Niederlanden? Ich habe dort Verwandtschaft mit Kindern....Work Life Balance gibt es da nicht wirklich und eine 32std Woche auch nicht. Im Gegenteil, die Babys kommen nach 8 Wochen in die Krippe, da es dann keine staatliche Unterstützung mehr gibt, weder für den Mann, noch für die Frau. Beide Paare sind zudem krass auf Oma und Opa angewiesen, da die Krippe sehr teuer ist und sie sich einen Vollzeitplatz nicht leisten können. D.h. die Babys haben mehrfach die Woche einen anderen Betreuungsplatz und das schon so früh in ihrem Leben. Da haben wir das hier in der BRD schon ganz gut, jedenfalls sind die alle sehr neidisch auf unser Familiensystem.

    Wir als aufgeklärte, emanzipierte Familie leben tatsächlich auch in einer Voll und Teilzeit Welt, der Mann 40std+ und die Frau 20std....liegt auch einfach daran, dass meine Frau den Kleinen gerne weiterhin viel sehen will und einfach noch keine Lust auf Vollzeit hat...

  • "Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit als Männer. Das zeigt mal wieder: Deutschland hinkt in der Gleichberechtigung seinem Anspruch hinterher."



    Mir wäre neu, dass Frauen weniger Anspruch auf Vollzeit-Arbeit haben als Männer.



    Mir wäre auch neu, dass Vollzeit-Arbeiten für Großunternehmen Lebensglück garantiert.

  • Danke, Heidi Schneider! Ich sehe es genauso. Wann wird endlich - vor allem von Frauen - aufgehört ständig von der "Teilzeitfalle" o.ä. zu schreiben/reden??? Ich habe keinen Bock, 40 Stunden die Woche zu arbeiten, ob nun ohne und schon gar nicht mit Kindern!!!

    Die meisten Frauen arbeiten in Care-Jobs, sich danach noch um Kinder zu kümmern ist ohnehin eine Zumutung.

    Den ganzen Tag die Bedürfnisse anderer Menschen zu befriedigen und dann auch noch die Lohnarbeit in Vollzeit?!

    By the way: warum bekomme ich Kinder, wenn ich sie dann ab dem 2. Lebensjahr von 8-17 Uhr in die Kinderbetreuung gebe?!

    30 Stunden (höchstens!) für alle - bei vollem Lohnausgleich. Und sonst nix :)

  • Vielleicht liegt es einfach daran, dass Frauen schlauer sind als Männer und sich nicht für sinnlose Titel und buntes bedrucktes Papier kaputtmachen wollen.

    Warum soll es der Gleichberechtigung dienen, 70 Stunden in der Woche Zahlen von Excel in Power point zu schieben und zurück nur um vielleicht mal von Sachbearbeiterin zu Teamliterin M-Z aufrücken zu dürfen? Wirkliche Spitzenposten sind ohnehin nur für die allerwenigsten Frauen (und Männer) auch nur in Reichweite.

    • @Heidi Schneider:

      Wenn man mal außerhalb der Akademikerblase schaut, reichen zwei halbe Gehälter in den wenigsten Fällen aus, um als Familie über Bürgergeld-Niveau zu leben und eine Großstadtmiete zu bezahlen. Wenn ein Elternteil Vollzeit arbeitet, dann geht es nicht um Titel, sondern darum, dem anderen Elternteil überhaupt Teilzeit zu ermöglichen. Mag sein, dass es schlauer ist, den anderen mehr arbeiten zu lassen, wenn Frauen so denken, spricht es aber nicht für sie...

    • @Heidi Schneider:

      Warum sollte Vollzeit denn immer gleich 60 Stunden plus x bedeuten inkl. Streben nach "Karriere?



      Vollzeit bedeutet doch für die meisten von uns irgendwas zwischen 37,5 und 42 Wochenstunden an 5 Tagen, die den Lebensunterhalt sichern, Miete oder Kredit zahlen, Essen, Kleidung, kleine Rücklage für kaputte Waschmaschine und Urlaub, fertig, dass dabei auch mehr Rente rausspringt, ist etwas, was viele (noch verheiratete) Frauen oft vergessen.



      Als Alleinerziehende* fallen mir die vielen anderen VZ-arbeitenden alleinerziehenden Frauen auf, die ja im Unterschied zu Eltern mit gemeinsamem Haushalt viel eher gute Zeit- und Betreuungs- und Hausarbeitsgründe für TZ hätten. Keine von uns arbeitet VZ um des Aufstiegs Willen, eher schon darum, sich nicht für paar aufstockende Kröten Bürgergeld ständig finanziell nackig zu machen, sondern das Familienleben aus eigener Kraft zu finanzieren (yoyoyo, mit Kindergeld und Minimalunterhalt machen wir natürlich unser Konto auf den Caymans fett).

      Zugunsten einer faireren AZ-Verteilung müssten viele Arbeitsprozesse in vielen Branchen flexibilisiert werden: Industrie-Schichten in der Produktion machen TZ quasi unmöglich. Wie viele Handwerksbetriebe sind bereit für TZ? Und TZ kann auch 28 oder 34 Stunden heißen, nicht bloß halbeStell.

    • @Heidi Schneider:

      Gleichberechtigung heisst doch nur, dass Frauen die selben Rechte wie Maenner haben,, arbeiten gehen zu duerfen.



      Gleichstellung ist wenn Frauen und Maenner genauso viel arbeiten sollen und dabei am besten noch gleich verdienen.

      Gleichberechtigung zielt auf das Individuum, da macht die Frage, was zB ein Gesetz fuer die einzelne Frau bringt Sinn.



      Gleichstellung zielt auf Kollektive, da ist das Individuum nicht unbedingt ausschlaggebend.

      Aber wie so oft gehts weder um Gleichberechtigung noch um Gleichstellung, sondern um einen Kuchen, der neu verteilt wird.



      Und Deutschland, bzw der "Westen", bekommt immer weniger vom Kuchen ab. Gleichzeitig wird der Staat immer hungriger - also muessen in Zukunft beide arbeiten - dann kann auch der Nettolohn noch ein bissl mehr sinken.

    • @Heidi Schneider:

      So sieht's aus. Frau definiert sich vllt. nicht so sehr über den Job wie die meisten Männer. Gleichberechtigung heißt für mich vor allem, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffe, u.a. auch darüber, wieviel ich arbeite.