Französischer Sozialist über Premier: „Ich bin vor allem überrascht“

Der linke Sozialist Emmanuel Maurel kritisiert die Wahl von Manuel Valls zum Premier. Er verlangt ein Ende der Sparpolitik in Frankreich.

Der Neue – Manuel Valls. Bild: ap

taz: Herr Maurel, sind Sie glücklich über die Nominierung von Manuel Valls als Regierungschef?

Emmanuel Maurel: Ich bin vor allem überrascht. Denn man hätte sich erstens mehr Zeit nehmen müssen, um die Ursachen dieser Niederlage bei den Kommunalwahlen zu analysieren. Und zweitens hätte man einen Anwärter finden müssen, der den Erwartungen jener Linkswähler besser entspricht, die sich nun massiv der Stimme enthalten haben. Die Wahl ist stattdessen auf einen Mann gefallen, der innerhalb der Partei sehr umstritten ist.

Verkörpert Valls eine Linie der Kapitulation vor dem Druck der Finanzmärkte oder den Pressionen der EU-Kommission und der deutschen Bundesregierung?

So weit würde ich nicht gehen, nein. Was aber für Frankreich auf dem Spiel steht, namentlich für die Linke, ist eine Kraftprobe zur Ablehnung der Sparpolitik, die tatsächlich von der EU-Kommission verkörpert wird, und die auch von Angela Merkel befürwortet wird. Wir brauchen heute eine Position der Stärke, um eine andere Politik auf europäischer Ebene zu fordern. Wenn ich allerdings höre, was Präsident Hollande dazu gesagt hat, sind wir weit davon entfernt.

Worin würde eine solche andere Politik denn bestehen?

Die entscheidende Frage wird auch bei den Europawahlen sein: Stopp oder noch mehr Sparen? Wir sind für den Stopp und für eine Politik der Wachstumsförderung. Das heißt Förderung der Investitionen und der Nachfrage.

Ist es undenkbar, dass Manuel Valls eine solche Politik umsetzt?

Es ist nicht Valls, der die politische Linie bestimmt, sondern der Präsident, François Hollande. Ihn müssen wir davon überzeugen, dass dies die Lösung ist. Er ist wie wir alle ja auf dieser politischen Grundlage 2012 gewählt worden. Hollande hatte Nachverhandlungen zur Haushaltspolitik versprochen. Er hat es nicht getan, das ist bedauerlich, denn jetzt bezahlen wir einen hohen Preis für diese Politik. Frankreich steht heute vor Problemen, die man nicht mit einem Wettlauf um die Senkung der Defizite lösen kann.

41, ist Sprecher des linken Flügels „Maintenant la Gauche!“ (Jetzt die Linke!) der französischen Sozialisten. Er ist Mitglied der Parteileitung im Nationalen Büro.

Müsste sich in Frankreich die Linke, die über so wesentliche Fragen geteilter Meinung ist, nicht anders organisieren?

Ich meine, es ist zurzeit vor allem wichtig, die Debatte innerhalb der Sozialistischen Partei zu führen, so wie ja auch in der SPD darüber diskutiert wird, wo ein linker Flügel existiert, den ich gut kenne. Das verbietet es niemandem, sich auch mit anderen Kräften der Linken auszutauschen. Ich vertrete die Meinung, dass wir nur gewinnen können, wenn wir alle zusammenbringen, die den Wahlsieg von Hollande ermöglicht hatten: außer den Sozialisten auch die Grünen und die Linksfront. Das ist eine ähnliche Debatte wie in Deutschland. Wenn die SPD nicht so kategorisch eine Koalition mit der Linkspartei ablehnen würde, wäre vielleicht eine andere Mehrheit und eine andere Politik möglich.

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