Sozialpolitik in Frankreich: Valls kündigt Sparpläne an
Der französische Premier will die Sozialausgaben drücken. Damit sollen 50 Milliarden Euro eingespart werden. Erste Streiks gegen die Maßnahmen stehen schon fest.
PARIS rtr/dpa | Frankreich plant eine Senkung der öffentlichen Ausgaben bis 2017 um rund 50 Milliarden Euro. Die Zentralregierung solle 18 Milliarden Euro weniger ausgeben und die Regionalverwaltungen müssten ihre Ausgaben um elf Milliarden Euro drücken, sagte der neue Ministerpräsident Manuel Valls am Mittwoch.
Weitere elf Milliarden sollen durch die Kürzung von Sozialausgaben eingespart werden und zehn Milliarden im Gesundheitssystem. Neben Renten sollen Zahlungen wie Wohngeld oder Familienleistungen vorerst nicht erhöht werden. Valls will dabei nur die Mindeststufen von Sozialleistungen ausnehmen. Bis Oktober 2015 sollen die Zahlungen von der Steigerung um die Inflationsrate abgekoppelt werden.
Im öffentlichen Dienst sollen Insidern zufolge zudem die Gehälter auch in den nächsten drei Jahren eingefroren werden. Stellen sollten aber nicht gestrichen werden. Die Regierung muss wegen der drastischen Einsparungen mit Kritik der Gewerkschaften und aus den eigenen Reihen rechnen. Das Sparprogramm soll im nächsten Jahr beginnen und mit der Amtszeit von Präsident Francois Hollande 2017 auslaufen.
„Wir können nicht weiter über unsere Verhältnisse leben, sondern wir müssen diese Schuldendynamik durchbrechen“, sagte Valls, der seit einer umfassenden Kabinettsumbildung nach der Niederlage der Sozialisten bei der Kommunalwahl Ende März im Amt ist. „Frankreich wird seinen Verpflichtungen nachkommen.“ Nach den Defizitvorgaben der Europäischen Union müsste Frankreich seine Verschuldungsquote bis 2015 auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung drücken, nach 4,3 Prozent 2013. Volkswirte halten das Vorhaben für sehr ehrgeizig.
Kritik aus den eigenen Reihen
Auch in der Fraktion der regierenden Sozialisten stoßen die Sparpläne auf Kritik. Die Abgeordneten hätten die Ankündigungen der Regierung in vollkommener Stille zur Kenntnis genommen, schrieb der sozialistische Parlamentarier Christian Paul per Twitter. „So wie sie sind, sind sie unannehmbar – in ihrer Form und in ihrem Inhalt.“ Ob die Sozialisten, die im Parlament eine hauchdünne Mehrheit haben, den Sparplänen der Regierung Ende April zustimmen werden, ließ er offen.
Auch seitens der Gewerkschaften müssen Regierung und Präsident mit erheblichem Widerstand gegen ihre Sparpläne rechnen. So hat die linke Force Ouvriere bereits für den 15. Mai zu einem Streik in Behörden aufgerufen.
Hollande ist schon jetzt der unbeliebteste Präsident Frankreichs. Bei der Kommunalwahl Ende März straften die Franzosen ihn und seine Sozialisten ab. Zugleich erzielte der rechtsextreme Front National ein Rekordergebnis. Auch vor der Europa-Wahl am 25. Mai muss Hollande bangen.
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