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Franziskus zu Besuch in IrlandEin Papst, Pädophile, kaum Protest

Der Pontifex nannte in Dublin Missbrauchsvertuscher „Scheiße“ und bat Gott um Vergebung. Für ihn war es damit getan. Den Opfern reicht das nicht.

Und schon hat der Herr vergeben? Papst Franziskus betet in der Kathedrale St Mary's zu Dublin Foto: dpa

DUBLIN taz | Er kann zufrieden sein. Proteste gegen Papst Franziskus hielten sich bei seiner Stippvisite anlässlich des Weltfamilientreffens in Irland in Grenzen. Auf den Kindesmissbrauch durch katholische Pfarrer in Irland und in anderen Ländern musste er aber eingehen. Erst kurz vor seinem Besuch waren weitere Fälle ans Licht gekommen: In Pennsylvania haben sich mehr als 300 Priester in den vergangenen 70 Jahren an mindestens 1.000 Kindern vergangen, während die Kirchenoberen das vertuschten.

Die Empörung sei berechtigt, dass die Kirche nicht angemessen gegen „die abscheulichen Verbrechen“ an jungen Menschen vorgegangen sei, sagte Franziskus am Samstag im Dubliner Schloss vor Politikern und Kirchenvertretern. Das sei nach wie vor eine Quelle des Schmerzes und der Scham. „Ich bitte den Herrn um Vergebung für diese Sünden“, sagte er.

Mit Gottes Vergebung ist es aber nicht ­getan. Die Worte des Papstes „spenden wenig Trost für die traumatisierten Opfer“, sagte Colm O’Gorman, der Geschäftsführer der irischen Sektion von Amnesty International. Er war 14, als er zum ersten Mal von einem Pfarrer vergewaltigt wurde. „Der Papst hat wieder einmal keine Lösungsvorschläge gemacht, und er hat auch nicht seine eigene Verantwortung für die Krise eingeräumt“, sagte er. Die Rede sei eine Schande, eine „verpasste Gelegenheit, einzugestehen, dass der Vatikan die Vertuschung der Verbrechen orchestriert“ habe.

Franziskus bezeichnete ausgerechnet den Brief seines Vorgängers Benedikt alias Ratzinger aus dem Jahr 2010 als leuchtendes Beispiel für die Reue der Kirche. Die Opfer hingegen beklagen eben diese Kontinuität der kirchlichen Reaktion auf den Kindesmissbrauch und fordern einen radikalen Wandel.

Der ist aber mit Franziskus nicht zu machen. Er hatte zwar am Samstagnachmittag in der Residenz des päpstlichen Nuntius Missbrauchsopfer getroffen und Vertuscher des Missbrauch als „Scheiße“ bezeichnet. Aber später im Stadion Croke Park, wo ihm vor 82.000 Zuschauern eine Show aus Musik und Tanz geboten wurde, sagte er, es sei wichtig, zu vergeben. Um Frieden in der Familie zu stiften, bedürfe es nur dreier Worte: „Entschuldigung, danke, bitte.“

Um Frieden in der Familie zu stiften, bedürfe es nur dreier Worte: Entschuldigung, danke, bitte

Am Sonntagmorgen flog Franziskus zum Wallfahrtsort Knock an der irischen Westküste und sprach vor 45.000 Menschen ein Gebet. Danach ging es wieder zurück nach Dublin, wo er um 15 Uhr im Phoenix Park vor einer halben Million Menschen die Messe las. Gleichzeitig fand im Garden of Remembrance, einer Gedenkstätte für Menschen, die „ihr Leben für die Sache der irischen Freiheit gaben“, eine Solidaritätsveranstaltung für die Opfer des klerikalen Missbrauchs statt.

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6 Kommentare

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  • Papst Franziskus hat sich dafür ausgesprochen, Kinder mit gleichgeschlechtlichen Neigungen zum Psychiater zu schicken. Kranke Ansichten, Franzikus! Auch eine Ohrfeige schadet nichts, meinte dieser Papst. Für diese Aussagen hätte der ach so tolle Franziskus eine verdient.., Traue keinem Papst.

  • Ach ja und dieser Papst, den ja alle sooooo nett finden, meint dann beim Rückflug, Kinder mit homosexuellen Veranlagungen gehörten in die Psychatrie - na dann betet mal schön, dass ihn der heilige Geist erhellt.....

  • Die Katholische Kirche Irlands war vor hundert Jahren die Käseglocke, unter der die irische Unabhängigkeitsbewegung wuchs. Die Katholische Kirche war der Schutzschirm, unter dem sich die irischen (und italienischen) Underdogs in den USA bis weit in die 1960er Jahre behaupten mußten.



    Das schuf dieses Klima von "wir hier drinnen und die da draußen". Die britische oder US-amerikanische Staatsanwaltschaft war unter Katholiken zu lange als der Feind eingeordnet. Eine von "diesen da".

    Das ging auch noch mit Bibelworten zu verkleistern. Etwa mit dem ersten Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel 6: "Wie kann jemand von euch wagen, wenn er einen Streit hat mit einem andern, sein Recht zu suchen vor den Ungerechten und nicht vor den Heiligen? Wisst ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? Wisst ihr nicht, dass wir über Engel richten werden? .. Ihr (nehmt) dann solche, die in der Gemeinde verachtet werden, und setzt sie als Richter ein? ... Warum lasst ihr euch nicht lieber Unrecht tun? ..."

    Ja, so ticken bedrängte Sekten nun mal (Übrigens auch Untergrundorganisationen, "Revolutionäre Brigaden" und Ähnliche ..)

  • "Die Kirche" hat seit Nicäa ein Problem.



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    Seit sie sich von einer Glaubensgemeinschaft zur "Staatskirche" gewandelt hat, hat sie mMn. ihre Grundidee verraten & agierte wie jede andere Machtgruppe auch. Mit dem Unterschied das sie durch ihre Strukturen langfristig überleben konnte.



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    Das Macht auch Missbrauch hervorruft ist eine Binse. Das dies erst seit einiger Zeit auffällt, moniert wird, hat wohl etwas mit realem Machtverlust dieser Institution zu tun. .



    Nach außen& innen immer noch eine strickt hierarchische Institution, mit dem postuliertem Anspruch "Herr über Moral & Glauben" zu sein, intern aber mit einem "systemischen Problem, dem Zölibat" konfrontiert, das sich nicht regeln/verändern lässt, ohne das "gesamte Gefüge der Institution" zu zerlegen & komplett NEU zu denken.



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    Sexualität, Lust usw. als Grundtrieb ALLER lässt sich nicht wegdiskutieren. Sublimieren nur bedingt & dieser "Männerbund" scheint auch anziehend für Menschen bestimmter Richtungen&Einstellungen (gewesen?) zu sein.



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    Aus dieser Zwickmühle kann die RKK wohl nur raus, wenn sie s.o. & daran wird sie wohl zerbrechen:-( Leider, weil die Grundidee selbst mMn. sehr nachdenkenswert ist, wenn sie nicht missbraucht wird, im Wort & übertragenen Sinn!



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    Gruss Sikasuu

  • Dieses anachronistische matriacharische System kann in der modern vernetzten und immer aufgeklärteren Welt von heute nicht mehr mithalten.



    Früher konnten solche Verbrechen noch effizient verschwiegen werden, das ist jetzt Geschichte: nahezu jeder kann sich weltweit Gehör verschaffen.

    Früher galt Sexualität generell eher als etwas Verschwiegenes, Geheimes, Verbotenes - heute haben Pornoseiten die meisten Aufrufe, was nicht mit zwischenmenschlichem Sex zu vergleichen ist, klar, aber der Umgang wird immer lockerer und offener.

    Und Kirchenmänner sind auch Menschen...wenn die Gesellschaft um sie herum vor Sexualität brodelt sinken die Hemmungen. Und die Vernetzung schafft hier neue Reize durch Verbreitungsmöglichkeit von eigenem Bildmaterial.



    Die Verbote einer normalen Sexualität öffnen andere Ventile - man kann seine Bilogie nicht leugnen, das war schon immer so und wird jetzt nur offensichtlich.

    Da sitzen dann die Kirchendiener in einer Welt, die andere Werte hat als vor 50 oder 100 Jahren - aber sie reagieren wie damals: Gott muss vergeben, der Rest wird ausgeblendet.

  • In dem Dokumentarfilm Sportlight über die Recherchen über die 100ern Fälle sexueller Gewalt in Boston und Umgebung sagt einer der Priester-Täter, um Pädophilie sei es nicht gegangen, sicher nie.



    Sondern um Unterwerfung und Kontrolle, gerade derjenigen Jugendlichen, die aus ärmeren Familien kommen und solchen, die nicht so geübt sind im Reden.



    Das halte ich für ein mindestens genauso wichtiges Motiv für diese Breite an Fällen.