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Forscherin über „drei???“ und „drei!!!“„Eine männlich dominierte Welt“

Kettensägen-Kreischen kennen alle „Die drei???“-Fans. Wieso ihre Storys und auch „Die drei!!!“ mehr Diversität brauchen, erklärt Sophie Schuhmacher.

Es gibt sie als Buch, Film, CD – oder klassisch als Kassette: Die drei Detektive Foto: dpa | Wolfram Kastl
Interview von Luisa Gohlke

taz: Sophie Schuhmacher, „Die drei Fragezeichen“ und „Die drei Ausrufezeichen“ erzählen fiktive Geschichten. Warum analysieren Sie das mit einer solchen Ernsthaftigkeit?

Sophie Schuhmacher: Ich bin selbst Fan der „drei???“. Irgendwann ist mir aufgefallen, welche Welten da konstruiert werden und dass man die hinterfragen sollte. Medien haben eine Wirkung. Kinder können sich zwar schon von Handlungen distanzieren. Aber besonders wenn mediale Welten vorgeben, realistisch zu sein, beeinflussen sie unsere Vorstellung davon, was „normal“ ist.

taz: Sie bezeichnen „Die drei???“ als androzentrisch. Was meint das konkret?

Schuhmacher: Entstanden ist die Serie in den 1960er-Jahren in den USA. Da haben wir historisch bedingt die Vorstellung einer männlichen Norm: Ein „normaler“ Jugendlicher ist männlich. Weil man nicht weiter über die Kategorie Geschlecht nachdenkt. Das heißt nicht, dass Mädchen abgewertet werden, aber sie kommen wenig vor. Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer, die in den 1990er-Jahren die ersten 16 deutschen „???“-Folgen schrieb, hat weibliche Figuren bewusst eigenständiger gestaltet.

taz: „Die drei???“ werden für mehrere Arten von Diskriminierung kritisiert. Wie zeigt sich das in den Charakteren?

Schuhmacher: Es sind einfach drei Jungen. Ehrlich gesagt, wissen wir nichts über ihre Hautfarbe, aber es weist auch nichts darauf hin, dass sie nicht weiß sind. Sie sind alle able-bodied, werden nicht als abweichend von der Gesellschaft dargestellt – außer vielleicht, dass Justus Jonas übergewichtig und sehr intelligent ist. Er hat auch eine abweichende Familiensituation, aber prinzipiell sind alle drei sozial gesichert.

taz: Wo liegen die Probleme in den Geschichten?

Schuhmacher: Diskriminierung findet meist nicht explizit statt. Sie zeigt sich in der Handlung: Wer sind Leute, denen man helfen muss? Wer ist kriminell? Frauen spielen selten Rollen, die die Handlung vorantreiben. Die Message ist immer, dass man niemanden verurteilen darf, aber implizit laufen andere Botschaften mit.

Im Interview: Sophie Schuhmacher

Lehramtsanwärterin für Deutsch und Geschichte, hat über „Die drei???“ und „Die drei!!!“ unter geschlechterreflexiver Perspektive ihre Dissertation geschrieben.

taz: Inwiefern trifft Ihre Analyse auf das Mitmachhörspiel „Die drei??? und der Zauberspiegel“ zu, das derzeit auf Tour ist?

Schuhmacher: Das Buch ist von 1974, von M. V. Carey – Mary Virginia Carey. Sie hat nicht zufällig nur unter ihren Initialen veröffentlicht, so war ihr Geschlecht nicht ersichtlich. In der Geschichte ist eine wesentliche Figur „Mrs. Darnley“: Sie tritt durchaus selbstbewusst auf und agiert sehr selbstständig, aber als Ausnahme in einer männlich dominierten Welt.

taz: Vor fast 20 Jahren kam ein weibliches Pendant zu den drei Detektiven auf den Markt: „Die drei!!!“ mit Titeln wie „Tatort Blumenfarm“.

Schuhmacher: Sie wurden gezielt als weibliches Gegengewicht geschaffen. Abgesehen vom Geschlecht haben sie keine Diversitätsmerkmale. Anders als bei den „drei???“ sieht man die Protagonistinnen auf jedem Cover: da sieht man sehr klischeehafte Vorstellungen weiblicher Körper. Inhaltlich geht es viel mehr um soziale Beziehungen und Romantik, die Kriminalfälle treten teilweise in den Hintergrund.

taz: Wie sieht es heute aus?

Schuhmacher: Ich habe Werbeplakate beider Serien von 2020 und 2024 verglichen. Die Werbung für „Die drei???“ ist in beiden Jahren reduziert und klassisch schwarz gestaltet. Auf Plakaten für „Die drei!!!“ stehen 2020 sehr dünne Mädchen, topgestylt, mit großen Augen, im Fokus. Dass es sich um eine Krimi-Geschichte handelt, sieht man nur am Slogan. 2024 gibt es auch farblich eine ausgewogenere Ausgestaltung, der zarte Fliederton wurde zum dunklen Nachtblau. Die Mädchen sind zwar immer noch zentral gesetzt, aber sie ermitteln wirklich. Frauen werden inhaltlich vielfältiger, was sich beispielsweise am Beruf zeigt.

taz: Die meisten Auftritte von „Die drei??? und der Zauberspiegel“ sind seit Wochen ausverkauft. Was ist an Jahrzehnte altem Detektiv-Content so cool?

Die Tour

Mitmach-Hörspiel-Tour „Die drei??? und der Zauberspiegel“ mit Oliver Rohrbeck („Justus Jonas“) und Geräuschemacher Jörg Klinkenberg: 20. 9., Oldenburg, Weser-Ems-Halle; 21. 9., Hildesheim, Halle 39; 22. 9., Lübeck, MuK; 28.9., Berlin, Columbiahalle; 3.10., Rosenheim, KU'KO; 4.10., Heilbronn, Harmonie; 5.10., Saarbrücken, Congresshalle; 6.10., Offenbach, Stadthalle Offenbach;

Schuhmacher: Es geht darum, mitzuerleben, wie junge Menschen sich in der Welt der Erwachsenen behaupten. Dass es erwachsene Fans gibt, erkläre ich mir einerseits mit Nostalgie, andererseits zeugt es von Bindungskräften, die nicht alle Serien entfalten. Das liegt vermutlich an der hohen Qualität, denn „Die drei???“ ermitteln tatsächlich. Dazu gibt es das Gegenbeispiel, die deutsche Serie „TKKG“. Auch die hat viele erwachsene Fans, aber oft sind die ersten Vermutungen der Prot­ago­nis­t*in­nen wahr.

taz: Was es dann weniger spannend macht… Warum, denken Sie, ist gerade das Format Hörspiel so beliebt?

Schuhmacher: „Die drei???“ waren als Hörspiele in Deutschland viel erfolgreicher als in anderen Ländern. Wahrscheinlich wegen der hochwertigen Produktion, sie haben viel Witz, und für die Erwachsenen sind die Sprecher eine Konstante von Kindheit an. Ein Hörspiel ist zeitökonomisch: Man kann nebenbei kochen oder einschlafen. Und bei Events wie so einem „Live-Hörspiel“ kann man andere Fans treffen und gemeinsam über Aufnahmefehler und Insiderwitze lachen.

taz: Ändert es etwas, wenn so ein Stoff zu Serie oder Film wird?

Schuhmacher: In einem Film muss ich nicht erwähnen, dass Justus übergewichtig ist, das sehe ich auch so. Oder wenn eine Person eine dunklere Hautfarbe hat. In einem Buch oder Hörmedium müsste ich das erwähnen und damit betonen, als Abweichung markieren. Insofern sehe ich Chancen durch die audiovisuellen Medien. Hörspiel und Film sind heutzutage ständig verfügbar, darin unterscheiden sie sich nicht. Hörmedien fördern aber die Vorstellungskraft von Kindern mehr.

taz: Sie arbeiten in der Lehrer*innenbildung. Wie könnte eine konkrete Unterrichtsstunde die vermittelten Bilder auffangen und einordnen?

Schuhmacher: Ich nehme zum Beispiel einen Textausschnitt aus einer Serie, in der offensichtliche Stereotype drin sind. Dann lasse ich den Text umschreiben: alle männlichen Figuren sollen weiblich, alle weiblichen männlich werden. Erwachsene haben dann direkt das Bedürfnis, auch andere Dinge zu ändern. Wenn Peter an seinem Auto schraubt, macht die Frau was ganz anderes und schraubt nicht am Auto. Wo wir in der veränderten Fassung stolpern, wenn zum Beispiel dann der Junge ein Kleid trägt, werden wir auf unsere Stereotype aufmerksam.

taz: Wenn in einer idealen Welt alle die Geschlechterrollen reflektieren – können wir dann einfach weiter „Die drei???“ und „Die drei!!!“ konsumieren?

Schuhmacher: Meiner Meinung nach kann man die allermeisten Texte lesen oder hören, wie sie geschrieben wurden, solange man sich kritisch damit auseinandersetzen kann. Gerade bei Kindern bedarf es da einiger Impulse, bei Erwachsenen schadet es manchmal auch nicht.

taz: Welches Ermittler*innen-Team würden Sie sich als Serie wünschen?

Schuhmacher: Eins, in dem es möglichst wenig um Geschlecht geht. Dass die Personen einfach handeln dürfen, ohne dass sie das explizit als Mädchen oder als Junge tun. Ich will, dass die Prot­ago­nis­t*in­nen mit ihren eigenen Fehlern konfrontiert werden. Respekt gegenüber Minderheiten und Lebensentwürfen, aber ohne pädagogischen Zeigefinger. Es sollte letztlich darum gehen, eine spannende Detektivgeschichte zu haben.

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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich finde das ein bisschen verkrampft. Wir haben hier eine relativ homogene Jungsclique. So wie viele Freundeskreise ziemlich homogen sind, aus Menschen gleichen Geschlechts, Alters, Herkunft etc. bestehen. Man kann sich vielleicht wünschen, dass sich die Menschen diverser mischen, aber das ist nicht die Realität. Nun muss Literatur nicht die Realität abbilden, aber sie darf es und die muss auch nicht eine perfekte Welt darstellen oder wahnsinnig pädagogisch sein, auch Jugendliteratur nicht. Das ist im übrigen auch kein Qualitätsmerkmal. Und: Gerade im Alter der Zielgruppe ist es für viele wichtig, etwas mit Leuten des eigenen Geschlechts zu machen, Jungsbücher zu lesen, oder Mädchenbücher. Daran ist nichts auszusetzen.

    • @Ruediger:

      Genau, das hab ich auch gedacht. Dafür, dass die Serie in den 60ern entstanden ist, sind die Buch-Klassiker aus meiner Sicht sogar recht fortschrittlich. Klar, Frauenfiguren kommen wenige vor, aber immerhin ist Tante Mathilda in den frühen Folgen eindeutig "der Herr" auf dem Schrottplatz.



      Und was Cliquen angeht, die sind in dem Alter auch heute noch oft ziemlich homogen was das Geschlecht angeht. Klar, man kann auch das aus seiner Sicht propagierte Optimum einer perfekten Durchmischung schreiben, aber das als Vorgabe zu machen, halte ich für grundlegend falsch.

  • Der ganze Artikel erinnert mich an eine Situation auf dem Flohmarkt:

    Eine Mutter von zwei Kindern verkaufte dort die neuwertige DVD Ausgabe von Pipi Langstrumpf. Ich frage wegen des guten Zustandes "Nur einmal angeguckt?". Sie antwortete "Wir haben abgebrochen als das erste Mal das N-Wort (Negerkönig) gesagt wurde, das geht heute gar nicht mehr". Sie war der Meinung, soetwas hätte man neu synchronisieren oder rausschneiden sollen.

    Da fühlt man sich gleich Jahrzehnte zurückversetzt. In der DDR durften wir auch nur lesen, hören und sehen, was von zensoren freigegeben wurde.

  • "Meiner Meinung nach kann man die allermeisten Texte lesen oder hören, wie sie geschrieben wurden, solange man sich kritisch damit auseinandersetzen kann."



    Dieser Satz ist pädagogischer Zeigefinger in Reinform.



    Tatsächlich lese ich manchmal auch Texte, ohne mich kritisch damit auseinander zu setzen, und manche werden es kaum fassen: Ich kann das.

  • 6G
    610354 (Profil gelöscht)

    "Ehrlich gesagt, wissen wir nichts über ihre Hautfarbe, aber es weist auch nichts darauf hin, dass sie nicht **weiß** sind."

    Über diesen Satz sollte man genauer nachdenken, bevor man den Rest des Interviews liest oder der Dame Beifall klatscht.

    Die Jungen werden als hautfarbenneutral beschrieben. Jeder kann überlegen, ob davon einer Schwarz, Weiß oder irgendwas dazwischen ist.

    Aber für Frau Schuhmacher ist das ein Problem, weil die Hautfarbe eben nicht explizit benannt wird?

    Sorry, aber das ist rassistisches Denken in Reinform. Der Leser kann sich selbst ein unabhängiges Bild machen, aber Frau Schuhmacher möchte diesem die Hautfarbe aufzwängen.

    Hier findet der Rassismus und die Problematik um die Hautfarbe nur im Kopf von Frau Schuhmacher statt.

    Da kann ich als Autor, der selbst Hautfarbe aussen vorlässt, wenn sie nicht zwingend relevant ist, nur sagen: Wer anderen Rassismus unterstellt, weil die Hautfarbe von einer Fantasiefigur nicht genannt wird, ist selber Rassist.

    Dabei ist es Ziel der Antirassismus und Diversitätsintiativen, dass diese äußerlichen Unterschiedebedeutungslos werden. Mit Frau Schuhmacher wird das nichts.

  • Ich gestehe, dass ich die Drei??? schon als Kind absolut geliebt habe. Für mich waren Justus, Peter und Bob klasse Vorbilder. In den 90er-2000er bekam Justus sogar ein weibliches Gegengewicht mit Elena, die im Rollstuhl sitzt und Justus Hybris, er wäre immer der Klügste im Raum ordentlich was entgegenstellt. Die Drei!!! habe ich mir nie angehört und werde ich mir nie anhören - Mädels mit Topmodell-Figur, Gekreische und Romance sind jetzt wirklich nicht mein Ding. Da bleibe ich lieber auf dem Schrottplatz in Rocky-Beach und beschimpfe auch mal den Super-Papagei, wenn ich mal wieder bei Rückrufen nach der Telefonlawine mein Gegenüber nicht verstehe ;-). Nicht zu vergessen Skinny Norris, der Erzfeind - ganz großes Kino!!!

    • @Patricia Jessen :

      Mich hat auch gewundert, dass Elena gar nicht erwähnt wurde.

  • Ich finde es sollte für jede einzelne Folge der Drei??? eine eigene steuerfinanzierte Promotionsstelle geben, die zum Ziel hat die jeweiligen Diskriminierungen knallhart offenzulegen, und ein Ranking zu erstellen welches die allerdiskriminierteste Minderheit von allen ist

    • @David Palme:

      Ja genau!



      Geleitet von Markus Söder. :))



      Super Beitrag, wirklich!



      Sophie Schumacher, mit sowas verdienen Sie Ihr Geld?