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Flutkatastrophe in der UralregionLetzte Hoffnung Putin

Die Zerstörungen im Hochwassergebiet am Ural und in Südsibirien halten an. Auch Nordkasachstan ist betroffen, scheint aber besser gewappnet zu sein.

Überschwemmung im russischen Orenburg am 14. April Foto: Maksim Bogodvid/SNA/imago

Moskau taz | Das Wasser in der Borissogleb-Straße in der Altstadt von Orsk ist nach Tagen zurückgegangen. Geblieben sind Baumstämme, Äste, herumliegende Autoreifen, schiefe Zäune, umgeworfene Kühlschränke. Matsch ist überall. Draußen in der Auffahrt, im Garten, im Schlafzimmer. Und viel Leid. Manchen Orske­r*in­nen hatte das Hochwasser des Ural alles genommen.

Tagelang hatte sich das Wasser weit über seinen normalen Pegel in mehreren Stadtteilen dieser 200.000-Einwohner*innen-Industriestadt an der Grenze zu Kasachstan gestaut, manche Straßen sind weiterhin eine hellbraune Wassermasse.

Der Damm, der die Stadt in der Steppe hätte schützen sollen, hatte dem Druck des Tauwassers und der abgelassenen Wassermassen eines nahegelegenen Staudammes nicht standgehalten und war an mehreren Stellen gebrochen. Eine vorhersehbare Katastrophe, die die Behörden dennoch überrascht hatte, auch weil sie die Bedenken der An­woh­ne­r*in­nen übergangen hatten. Bis heute stehen nach Behördenangaben im gesamten Gebiet Orenburg mehr als 15.000 Häuser in den Fluten.

Den politischen Schaden versucht die Gebietsverwaltung seitdem nur ungelenk zu begrenzen. Der Orenburger Gouverneur Denis Pasler verspricht Kompensationen und lässt kaum eine Gelegenheit aus, um den Stadt­be­woh­ne­r*in­nen mitzuteilen, dass es auch anderen Menschen auf der Welt nicht gut gehe.

Viele Stadtteile stehen noch unter Wasser

Manche Be­am­t*in­nen machen die Orske­r*in­nen gar selbst für das Unglück verantwortlich. Diese stehen unterdessen für ein paar Flaschen sauberen Trinkwassers an und hoffen darauf, dass in ihren Häusern endlich wieder das Gas und der Strom eingeschaltet würden. „Es ist kalt, nass und hoffnungslos. Wer weiß, wann die Hilfe bei uns ankommt“, sagt eine Bewohnerin am Telefon.

Während in Orsk die ersten Gut­ach­te­r*in­nen ausgerückt sind, um den Schaden dort zu ermessen, wo das Wasser bereits zurückgegangen ist, stehen viele Stadtteile in der Regionalhauptstadt Orenburg mit einer halben Million Ein­woh­ne­r*in­nen noch unter Wasser.

Überschwemmte Straße in Orsk am 15. April Foto: Maksim Bogodvid/SNA/imago

Bei manchen Häusern sind nur die Dächer zu sehen, auch wenn der Scheitelpunkt laut Behörden überschritten ist. Der Ural hatte in Orenburg, etwa 300 Kilometer westlich von Orsk und 1.500 Kilometer östlich von Moskau entfernt, einen Höchststand von 11,87 Meter erreicht. Das sind fast zweieinhalb Meter über der als kritisch definierten Marke. Am Montagmittag lag der Pegel noch bei 11,6 Metern. „Endlich geht es ein wenig zurück“, schreiben Oren­bur­ge­r*in­nen in ihren Chats.

Hochwasser auch in Kasachstan

In Südsibirien spitzt sich die Lage dagegen zu: Knapp 1.000 Kilometer nordöstlich von Orenburg überschwemmt der Fluss Tobol die Regionalhauptstadt Kurgan mit knapp 330.000 Ein­woh­ne­r*in­nen und die angrenzenden Ortschaften. Zwei Brücken hatte die Flut bereits zerstört. „Nehmen Sie ihre Familien, Dokumente, Wertsachen und gehen Sie möglichst früh!“, schrieb der Gebietsgouverneur Wadim Schumkow in seinem Telegram-Kanal.

Auch Kasachstan leidet unter Hochwasser, scheint aber besser auf die Naturkatastrophe vorbereitet zu sein. Mehr als 100.000 Menschen hatten die Behörden bereits im Vorfeld evakuiert. Die Stadtverwaltungen verstärken die Dämme. Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew sagte das für Juni geplante internationale Forum in der kasachischen Hauptstadt Astana ab, bei dem Ver­tre­te­r*in­nen aus Politik und Wirtschaft aus unterschiedlichen Ländern über aktuelle Themen diskutieren wollten.

Bilder, wie Arbeiter Sandsäcke anschleppen und die Flussufer des Ural, der auch in Kasachstan fließt, verstärken, erreichen auch die Menschen in Orsk. Sie sind voller Bewunderung für die Behörden Kasachstans. „Da werden die Probleme wenigstens ernst genommen, uns hat man dem Schicksal überlassen und windet sich aus der Verantwortung“, schreibt einer namens Alexei in einem Orsker Chat. Gebietsgouverneur Denis Pasler hatte noch in der vergangenen Woche erklärt, „alle“ seien „schuld“ am Dammbruch. Man solle die Katastrophe dazu nutzen, um enger zusammenzurücken und gestärkt aus der Situation herauszugehen.

Eine Flutkatastrophe ist nicht karriereförderlich

Dass untere Behörden in Russland gar nicht eigenverantwortlich handeln, liegt auch am System, das Präsident Wladimir Putin jahrelang errichtet hatte. Die Macht ist so sehr auf ihn als einzigen konzentriert, dass sich regionale Ver­tre­te­r*in­nen gar nicht trauen, auf irgendeine Art eigenmächtig zu handeln. Sie haben gar kein Interesse, sich in komplizierten Fragen zu verheddern.

Und sie setzen sich lediglich dort ein, wo sie den größten Nutzen für ihre Karriere vermuten. Eine Flutkatastrophe ist kaum karriereförderlich. Deshalb hat es auch eine gewisse Logik, wenn sich Menschen in Orsk, Orenburg oder Kurgan auf den Straßen versammeln und Videobotschaften für Putin aufnehmen. „Wladimir Wladimirowitsch, helfen Sie uns“, rufen sie in die Kameras. Doch Wladimir Wladimirowitsch hält es nicht einmal für nötig, die Opfer im Katastrophengebiet zu besuchen.

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15 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Weil das hier (auch in den Kommentaren) fehlt: Wagenknecht erdreistet sich bei Maischberger auf bekannt verlogene Art und Weise, für Putin bzw. gegen die Ukraine Stellung zu beziehen. Von den anderen Handlangern Putins, wie AfD und Konsorten ganz zu schweigen.

    • @Sarg Kuss Möder:

      Danke für die Info, da gucke ich gleich mal in die ARD Mediathek



      Wagenknecht bei maischberger klingt spannend

      • @shark49:

        Politik sollte nicht der Unterhaltung dienen, dafür geht zu viel schief.

  • Natürlich ist die Bevölkerung selber verantwortlich. Denn die sind selber verantwortlich für die Politiker die sie sich selber immer wieder stellen

    • @Mr Ambivalent:

      Das ist zu einfach, dass die Bevölkerung selbst schuld ist.

    • @Mr Ambivalent:

      Genau.



      Es ist ja nicht so dass man in Russland gefeuert wird wenn man nicht "richtig abstimmt" und dann dem Arbeitgeber ein Selfie mit Stimmzettel schickt oder an der Wahlurne verhaftet wird weil man falsch abgestimmt hat.

      *Der obige Post könnte Ironie beinhalten.

  • Vielleicht sollte wer noch der dortigen putinistisch-großrussischen Kirche stecken, dass als Nächstes Heuschrecken, Hungersnot und so kommen ...

  • „Knapp 1.000 Kilometer nordöstlich von Orenburg überschwemmt der Fluss Tobol die Regionalhauptstadt Kurgan mit knapp 330.000 Ein­woh­ne­r*in­nen und die angrenzenden Ortschaften. “



    Über die Katastrophe mit Ansage schrieb ein unabhängiger Kurganer Journalist schon Anfang März:



    www.winstein.org/blog/2024-03-04-556



    Im gesamten Einzugsgebiet des Tobol Rekordniederschläge im Sommer und Herbst 2023 (dadurch komplett gesättigte Böden), danach Rekordschneefälle.



    Nun eine frühe und rapide Schneeschmelze. Das Frühjahrshochwasser des Tobol hat drei Wochen eher eingesetzt als üblich.



    Niemanden hat es geschert, erst nach der Flut in Orsk und Orenburg begannen die Behörden in wildem Aktionismus mit Deichkontrollen und Deichsicherung. Und gehen davon aus, dass der Rekordpegelstand von 11 Metern erneut erreicht oder sogar überschritten werden könnte. Evakuierungsaufrufe gelten aber trotzdem nur für die Stadtgebiete, die laut Überschwemmungskarten „offiziell“ gefährdet sind. Die Menschen in den (eingedeichten) zentralen Stadtteilen kriegen scheinbar erst eine Evakuierungswarnung, wenn der Deich bricht...



    www.kurgan-city.ru...ntom_ves_gorod.pdf



    Zur Illustration: Der Deich, der die Innenstadt schützt, 50 m daneben das 2020 errichtete Renditeobjekt eines örtlichen Baulöwen:



    rosinform.press/v-...-vystupili-protiv/

  • Die russische Armee sprengt lieber Staudämme, als Menschen vor Hochwasser zu retten. falsche Prioritäten eben.

  • Die Flutopfer interessieren Putin doch absolut nicht, einem Diktator ist die Bevölkerung (egal welche) vollkommen egal.

    • @Tino Winkler:

      Naja, so ganz egal ist sie ihm nicht, denn er muss sich dauernd vor ihr schützen.

  • Wieso helfen in den überfluteten russischen Gebieten nicht die eigenen Soldaten? Das wäre doch mal eine sinnvolle Aufgabe.



    So eine Flutkatastrophe ist einfach unter Putins Würde. Aber das der sich bei richtigen Problemen im eigenen Land einfach wegduckt ist ja schon lange bekannt.

    • @DocSnyder:

      Weil die Soldaten in der Ukraine sind

    • @DocSnyder:

      Mit Dammsprengungen kennt sich die russische Armee besser aus...

    • @DocSnyder:

      es ist durchaus anzunehmen, dass in friedenszeiten umfassender Einsatz von militär zur katastrophenhilfe stattfinden würde, das ist aber derzeit in der ukraine gebunden. insofern ist die jetzige situation eine weitere art und weise in der die russische bevölkerung unter putins krieg leidet.