Flutkatastrophe in Süddeutschland: „Ein Hinweis, dass was los ist“
Die Zahl der Hochwassertoten in Süddeutschland steigt. Bundeskanzler Scholz prophezeit, dass sich Fluten im Land weiter häufen werden.
Während am Sonntag bereits ein Feuerwehrmann im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm tot geborgen wurde, nachdem sein Schlauchboot gekentert war, mussten Rettungskräfte am Montag im oberbayerischen Schrobenhausen die Leiche einer 43-jährigen Frau aus einem überfluteten Keller ziehen. Auch in Schorndorf nahe Stuttgart haben Einsatzkräfte zwei Leichen aus einem leer gepumpten Keller geborgen, wie die Polizei am Montagnachmittag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa bestätigte. Weitere Todesopfer werden befürchtet, mindestens ein Feuerwehrmann wird derzeit noch vermisst. Wie groß indes der Sachschaden sein wird, lässt sich bislang noch überhaupt nicht absehen.
Besonders betroffen war der Landkreis Pfaffenhofen im Norden Oberbayerns. Dort war am Montag ein Damm des Flusses Paar schon an drei Stellen gebrochen. Vor Ort machten sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser in Begleitung ihrer bayerischen Kollegen ein Bild von der immensen Zerstörung. Sie besuchten die Marktgemeinde Reichertshofen, die bereits zu einem erheblichen Teil unter Wasser stand.
Scholz verwies darauf, dass es in diesem Jahr bereits das vierte Mal sei, dass er in einem Einsatzgebiet sei. Das sei ein „Hinweis darauf, dass was los ist“. Die Menschen in Deutschland müssten sich vermehrt auf Naturkatastrophen, speziell auf Hochwasser, einstellen. Man dürfe daher die Aufgabe, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten, nicht vernachlässigen. „Auch das ist eine Mahnung, die aus diesem Ereignis und dieser Katastrophe mitgenommen werden muss.“
Der Scheitel der Flutwelle wird für Dienstag erwartet
Faeser ihrerseits zeigte sich beeindruckt von der guten Zusammenarbeit der Rettungskräfte. Sie habe den Eindruck, dass aus der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal vor drei Jahren Lehren gezogen worden seien. Die Koordinierung funktioniere nun viel besser.
Mit Bangen wartete man derweil im Osten des Freistaats auf die Flut. Der Wasserstand der Donau stieg kontinuierlich an. Der Hochwassernachrichtendienst Bayern ging davon aus, dass der Fluss etwa so viel Wasser führen werde wie beim Jahrhunderthochwasser 2002. Der Scheitel der Flutwelle wurde allerdings erst für Dienstag, vielleicht sogar für Mittwoch erwartet. An der Eisernen Brücke in Regensburg lag die Wasserhöhe am Montagvormittag bei 5,98 Meter – gegenüber etwa 2,70 Meter eine Woche zuvor.
Auch in Baden-Württemberg entspannte sich die Lage aufgrund neuer Niederschläge noch nicht allerorts. Vor allem in der Region um Stuttgart herum mussten zahlreiche Häuser evakuiert werden. In der Gemeinde Rudersberg im Rems-Murr-Kreis wurden alle Straßen wegen Überflutung gesperrt, im Schwarzwald kam es zu mehreren Erdrutschen.
Infolge der Fluten wurden erneut Forderungen nach einer Pflichtversicherung für Elementarschäden laut. So richtete sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst direkt an den Kanzler: „Deutschland steht im Dauerregen, doch der Kanzler spannt den Regenschirm nicht auf“, monierte der CDU-Politiker. Er erwarte, dass Scholz jetzt zu seinem Wort stehe und eine Pflichtversicherung für Hauseigentümer einführen werde. Ähnlich äußerte sich Wüsts hessischer Kollege Boris Rhein.
Justizminister gegenüber Pflichtversicherung skeptisch
Bundesjustizminister Marco Buschmann zeigte sich in Sachen Pflichtversicherung jedoch weiter skeptisch. Diese würde für viele Haushalte drastische finanzielle Mehrbelastungen bedeuten, ließ er eine Sprecherin sagen.
Die frühere CSU-Politikerin Gerda Hasselfeldt ihrerseits forderte mehr Investitionen in den Katastrophenschutz. „Deutschland hat diesbezüglich insgesamt Nachholbedarf“, sagte die heutige Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes in der Augsburger Allgemeinen. „Es braucht deshalb eine Zeitenwende, insbesondere, was die nachhaltige und zukunftsgerichtete Finanzierung des Bevölkerungsschutzes angeht.“
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte die Regierung auf, sofort ein Sondervermögen fürKlimaanpassung, Klimaschutz und Katastrophenschutz einzurichten. „Wie viele ‚Jahrhundertfluten‘ braucht es noch, bis die Bundesregierung begreift, dass das unser neues ‚Normal‘ wird, wenn sie jetzt nicht handelt? Wir können uns weitere Flächenversiegelung, Flüssebegradigung und unbegrenzten Treibhausgasausstoß nicht mehr leisten.“ Es sei nötig, den Extremwetterereignissen mit konsequentem Natur- und Klimaschutz zu begegnen. Dass die Gelder für die entsprechenden Maßnahmen fehlten, liege nicht zuletzt an der Schuldenbremse.
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