Flugzeugabsturz in der Ukraine: „Da lag die Leiche eines Mädchens“
Haben Separatisten das Flugzeug in der Ostukraine versehentlich abgeschossen? Die Erzählung eines Kämpfers stützt diese These.
BERLIN taz | Erstmals hat ein Kämpfer der ostukrainischen Separatisten gegenüber Journalisten bestätigt, was geschah, nachdem die Maschine des Flugs MH17 von Malaysia Airlines über der Ostukraine abstürzte. Der Milizionär der Kampfeinheit „Oplot“ äußerte sich gegenüber einem Reporter des Corriere della Sera am Montag auf dem Bahnhof Tores, als er mit seinen Kameraden den Kühlzug mit den Leichen des Flugzeugabschusses bewachte. Seine Erzählung stützt die Version, wonach die Separatisten das Flugzeug aus Versehen abschossen, weil sie es für ein Militärflugzeug der ukrainischen Regierungsstreitkräfte hielten.
„Am Donnerstagabend befahlen uns unsere Kommandeure, mit unseren Waffen und viel Munition auf Lastwagen zu steigen“, berichtete der Milizionär, nach eigenen Angaben 31 Jahre alt und früherer Bergarbeiter aus Tores, dem Zeitungsbericht zufolge. „Vielleicht zehn Minuten vorher hatte es am Himmel eine Riesenexplosion gegeben. ’Wir haben gerade eines der Flugzeuge der Kiewer Faschisten abgeschossen‘, sagte man uns und wir wurden gewarnt, aufzupassen, weil ein Teil der Crew rechtzeitig abgesprungen sei. Wir müssten eventuell kämpfen, um sie aufzugreifen.“ Also rückte seine Einheit in Richtung des Flugzeugabsturzes vor – auf der Suche nach gelandeten feindlichen Fallschirmspringern.
„Wir suchten Fallschirme am Boden und in den Bäumen. Plötzlich sah ich etwas in einer Lichtung. Darunter lag die Leiche eines kleinen Mädchens. Es kann nicht älter als fünf gewesen sein. Es lag mit dem Gesicht nach unten. Das war furchtbar. Da habe ich gemerkt, dass es ein ziviles Flugzeug war. Kein militärisches. Und alle diese Toten waren Zivilisten.“
Seinen Namen und Rang wollte der Milizionär dem italienischen Reporter nicht nennen. Und er fühlte sich auch nicht schuldig: „Natürlich waren es nicht wir, die den Jet abgeschossen haben“, sagte er. Die Täter müssten „Banditen“ auf Befehl der Kiewer Regierung gewesen sein, beendete er seine Erzählung – im Widerspruch dazu, wie er sie begonnen hatte.
Wie der Reporter von Corriere della Sera bilanzierend schreibt: „Seine Worte sind aufschlussreich, weil er ganz natürlich erzählte, ohne nachzudenken, nachdem er uns gesagt hatte, wie die internationalen Beobachter gerade ihre Inspektion der Waggons beendet hatten und dass seine Einheit den Befehl hatte, die Waggons zu bewachen. In ihrer Unschuld und Einfachheit ist die Geschichte bedeutsam.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung