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Flugtaxi-Entwickler kündigt Insolvenz an„Kein Transportmittel für die Allgemeinheit“

Der Flugtaxi-Entwickler Lilium will Insolvenz anmelden. Das Konzept weise ohnehin in die falsche Richtung, meint Mobilitätsexperte Andreas Knie.

Flugtaxi von Lilium, sieht schick aus, ist aber eher ein Transportmittel für die Reichen und Schönen Foto: Angelika Warmuth/reuters

Berlin taz | „Typisch Grüne!“ entrüstet sich Markus Söder nach der Entscheidung des Bundes, den Flugtaxi-Entwickler Lilium nicht mit 50 Millionen Euro zu subventionieren. Das sei mal wieder „Bayern-Bashing“, schreibt der Ministerpräsident des Freistaats beim Kurznachrichtendienst X und wittert darin auch gleich den drohenden Niedergang des Technologie-Standorts Deutschland.

Am Donnerstag kündigte das Luftfahrtunternehmen Lilium an, einen Insolvenzantrag zu stellen. Es hofft, die Entwicklung ihres Flugtaxis danach in Eigenverwaltung fortführen zu dürfen. Mitte Oktober hatte sich der Haushaltsausschuss des Bundestags gegen die Subventionierung des Unternehmens entschieden. Laut Informationen des Bayerischen Rundfunks wohl aufgrund des Widerstands von FDP und Grünen. Zuvor hatte die bayerische Regierung zugesagt, das Unternehmen mit Verwaltungssitz in Oberpfaffenhofen bei München mit 50 Millionen Euro zu unterstützen – sollte der Bund sich ebenfalls beteiligen.

Kein zukunftsfähiges Konzept

Flugtaxis sind gewissermaßen besteigbare Riesendrohnen, also elektronisch betriebene Flugobjekte, in denen Pas­sa­gie­re Platz nehmen können. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge war der Erstflug eines Lilium-Flugtaxis bisher für Anfang 2025, die Zulassung für den Vier- bis Sechs-Sitzer für 2026 geplant. Ein ambitioniertes Ziel, denn bisher habe es noch nie einen bemannte Flug gegeben, so der Mobilitätsexperte Andreas Knie. Er hält nicht viel von dem Konzept. „Wir können unsere Verkehrsprobleme nicht dadurch lösen, dass wir sie von der Straße in die Luft verschieben.“ Auch dort sei schließlich der verfügbare Platz begrenzt, gleichzeitig könnten die Taxis nur eine geringe Personenzahl transportieren und würden die Umwelt durch Lärm belasten. „Dazu kommt, dass wir eine Infrastruktur für Start und Landung bräuchten“, so Knie. Flexibel wie herkömmliche Taxis wären die Äquivalente in der Luft also auch nicht.

Transportmittel für die Reichen und Schönen

Der Bund hat aus Sicht des Sozialwissenschaftlers daher die richtige Entscheidung getroffen, Lilium nicht zu stützen. „Flugtaxis sind kein Transportmittel für die Allgemeinheit, sondern nur für die Reichen und Schönen.“ Schon jetzt sei absehbar, dass die Nutzungskosten immens wären. Öffentliches Geld habe beim Aufbau eines kommerziellen Flugtaxi-Entwicklers nichts zu suchen. „Die offenbar fehlenden Investitionen aus der Privatwirtschaft sprechen ja auch eine klare Sprache“, meint Knie. Es gäbe scheinbar einfach keinen Markt für Flugtaxis, da unterm Strich die Nachteile überwiegen würden.

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15 Kommentare

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  • Es ist schon witzig, das in der ganzen Diskussion kaum darüber gesprochen wird, das Lilium die Versprechen gar nicht einhalten kann. Einfach nur der Physik wegen - es existieren keine Akkus die eine ausreichend hohes Leistungsgewicht haben. Ein Fachmagazin hatte das mal durchgerechnet, eine Bundesbehörde hat es nachgerechnet (und bestätigt).



    Die schaffen um die 2 Minuten Schwebeflug und 20 km Reichweite. Und ohne neue Technologie bleibt das auch so.

  • 1909 kostete ein Ford Model T1 850US$. Ein Pferd für die nicht-SchickiMicki-Eliten US$150. Das war auch im Betrieb deutlich billiger, es benötigte im Verkehr wesentlich weniger Raum, und es kam mit viel unebeneren Wegen, also ohne kostspielige von der Allgemeinheit bezahlte Infrastrukturmaßnahmen, zurecht. Es ist mir völlig unbegreiflich, wie sich das jemals durchsetzen konnte. Hätte man lieber gleich per politischem Akt verbieten sollen.

  • taz: *Der Flugtaxi-Entwickler Lilium will Insolvenz anmelden. Das Konzept weise ohnehin in die falsche Richtung, meint Mobilitätsexperte Andreas Knie.*

    Da muss man kein Mobilitätsexperte sein, um zu wissen, dass man mit Flugtaxis keine Verkehrswende hinbekommt, mit der man den Klimawandel ('wenigstens ein bisschen') aufhalten kann.

    taz: „Typisch Grüne!“ entrüstet sich Markus Söder nach der Entscheidung des Bundes, den Flugtaxi-Entwickler Lilium nicht mit 50 Millionen Euro zu subventionieren.

    CSU-Söder wird auch wissen, dass das mit den "Flugtaxis" alles nur Blödsinn ist (im Grunde 'eine Spielerei für reiche Leute'), aber Söder wäre nicht Söder, wenn er nicht gleich wieder gegen die Grünen schimpfen würde.

  • Verfolge das Unternehmen schon seit mehreren Jahren, da es schließlich um CO2 freies Fliegen auf Kurzstrecken und Batteriebetrieb ging, sowie das VTOL (vertical takeoff and landing) schon ne interessante, technische Sache ist. Aber es hieß von Lilium immer, dass 2024 SOP für den Markteintritt geplant war. Sollten allerdings die Zulassung des Fluggerätes nicht erreicht werden und, viel wichtiger, die Auftragsbücher leer sind, dann brauchts auch keine Subventionen, da der potentielle Markt schon entschieden und das Konzept abgeschrieben hat.

  • Wenn den Bayern ihre SchickiMicki-Drohnen zuhauf über die Köpfe rauschen würden, dann wäre ihre Reaktion auf den Spaß der Reichen und Schönen gewiss anders. Vielleicht hätten Söder und Dobrindt mal das 5te Element sich anschauen sollen. Da hätten sie vielleicht eine Vorstellung davon was sich im Luftraum abspielen kann.

  • Kurz und knapp den Nagel auf den Kopf getroffen. Flugtaxis fand ich auch mal interessant. Zu der Zeit lebte Kurt Cobain noch. ;-) In der Zwischenzeit sind die Erkenntnisse gereift, auch in der Gesellschaft. Vom Flughafen zum Golfplatz mag das Vehikel interessant sein. Wer sich Ressourcenbedarf und Energieeffizienz auch nur näherungsweise betrachtet, wirft das Konzept in die Tonne. Oder ins Utopie-Museum neben dem uranbetriebenen PKW.

  • „der verfügbare Platz begrenzt, gleichzeitig könnten die Taxis nur eine geringe Personenzahl transportieren und würden die Umwelt durch Lärm belasten.“ Das gilt alles auch für‘s Auto. Besetzungsgrad zur Zeit ca. 1,2 Personen bei z.T. mehreren Tonnen Gewicht und nahezu Kleinbusmassen. Konsequenter Weise sollte kein Cent Subvention für irgendwelche Geräte dieser Sorte hergeben werden. Egal welcher Antrieb.

  • Herr Knie, Soziologe und selbsternannter "digitaler Mobilitätsforscher", macht Aussagen zur Praktikabilität dieses Luftfahrzeugs? Das ist etwas so wie wenn ich meinen Rottweiler zu den Zukunftsperspektiven der Kernfusion befrage. Das Gerät ist ein VTOL, also ein Senkrechtstarter und -lander. Kennt keine Ampeln, Kreuzungen, Verkehrsstatus. Und obendrein, das Allerbeste, Klimakleber sind ihm schnurzpiepe. Dabei handelt es sich um high-tech vom Feinsten. Viele neue zukunftsweisende, vor allem Klimaschonende, Technologien könnten mit solch einem Technologieträger entwickelt werden. Aber nein, Deutschland ruiniert zielstrebig seine Zukunft. Frankreich hat angeboten die Kosten bis zur Serienreifen zu übernehmen, falls die Firma nach Frankreich umzieht (darüber liest man/frau hier nichts) Dreimal darfste raten... Das deutsche Individuum muss sich weiterhin wurmartig durch den Straßen- oder desolaten Schienverkehr quälen.

    • @maxwaldo:

      Kleine Korrekturen: beim Flugtaxi handelt es sich nicht um High-Tech-Innovation. Sondern um eine zu groß geratene Drohne. Die gibt es schon viele Jahre, für ein paar hundert bis einige tausend Euro. Gefühlt jeder zweite Tourist läuft damit schon rum. Die Dinger haben mehrere Nachteile: viel zu kurze Flugzeit auf Grund zu geringer Batterie-Kapazität (und das ohne Passagiere!) und zu große Wetterabhängigkeit für einen verlässlichen Flugbetrieb. Jeder, der mal bei schlechtem Wetter bei niedriger Flughöhe in der Luft war, weiß was ich meine. Das alles ist allgemein bekannt, selbst Investoren und Soziologen. Und letztere erforschen das Zusammenleben von Menschen. Ein wichtiges Thema für die Mobilität von eben diesen.

    • @maxwaldo:

      .... Das ist etwas so wie wenn ich meinen Rottweiler zu den Zukunftsperspektiven der Kernfusion befrage. ....



      ----



      Kenne nicht die Physikkenntnisse deines Hundes, doch vielleicht hat der etwas Ahnung vom "Luftverkehr im Luftraum "Charlie - Golf!"



      Dort gibt es keine Ampeln, Klimakleber.... aber reichlich Kreuzungen, Parkräume & an vielen Ecken, über/in auch in G, den "Schupo" der per Radar & Funk den "Verkehr regelt, auf den ALLE hören müssen!.



      Sprich: "Der Bereich ist "hoch geregelt & überwacht!" :-)



      www.ulmagazin.de/l...en-piloten-wissen/



      Dein Hund wird Dir auch sagen, das "Flugtaxis" HI-Tech, ähnlich wie der "Transrapid" sind.



      Ne gute, leider unnütze Idee, UND. das ist wohl die Hauptsache,:



      "Unwirtschaftlich, weil in unser Verkehrssystem nicht, oder nur mit RIESEN-Kosten & Aufwand integrierbar! Als Massenverkehrsmittel so brauchbar, wie eine EXTRASPUR auf unseren Straßen, auf der nur > 200Km/h gefahren werden darf!!"



      Ps. Solange noch niemand erfunden hat, wie es möglich ist, "rechts ran zu fliegen", um den Stau abzuwarten, den "Abschleppflieger" durchzulassen, wird das nix mit Flugtaxis aus öffentlichen Mitteln!" :-)

      • @Sikasuu:

        Es ist bekannt, dass der Flugraum, zumindest über 1500ft kontrollierter (controlled airspace=eigentlich geregelter...) Luftraum ist. Aber das ist ja gerade das gute. Der KFZ-Verkehr ist völlig ungeregelt. Automatisiertes Fliegen ist schon alleine wegen der unregelmässigen Topographie eines Erdverkehrs viel einfacher, sicherer zu bewerkstelligen.



        Das Thema ist aber keine Thema der Praktikabilität sondern mehr ein Indikator der rückwärtsgewandten Denke und des ausufernden Sozialneids in Deutschland. Die 50 Mio vom Bund sind doch lediglich ein mini-Token des Commitments der BuRegierung. Ein Zeichen an Investoren und Mitarbeiter der Firma es gibt eine Zukunft in D für euch. Die Firma wird weiter existieren und ihre Apparate verkaufen. Es gibt 700 Festbestellungen. In 10 Jahren werden wir uns in den A_sch beißen weil Technologie und qualifizierte Mitarbeiter D den Rücken gekehrt haben. Transrapid, Solartechnologie, jetzt klimaschonendes Fliegen und ___ (fill in the blanks) alles flieht aus D nur weil ideologisch versteinerter Tunnelblick uns in die Steinzeit zurückschiessen will. Die Zukunft meistern heißt anpacken, nicht verweigern.

    • @maxwaldo:

      Private Investoren haben bis jetzt 1,5 Miliarden € in das Projekt gesteckt. Die wollen aber nicht mehr zahlen. Wieso?

      Der Bund und Bayern sollen mit 1 Milionen bürgen. Nur macht die Firma 300000 € minus im Monat.

      Ja und Frankreich will die Produktion übernehmen. nach der Insolvenz. Aber weit unter Wert.

      Und das deutsche Individium hat bestimmt keine 100 € für ein Kurzstreckenflug über. Zum Taxipreis gibt es solche Flüge nicht.

  • Gute Entscheidung! Das Projekt kann irgendein Milliardär finanzieren, aber nicht der Bund und Steuerzahler. Und der Söder zeigt immer wieder, das er das Potential von Trump in sich hat. - Beleidigen, hetzen und gierig nach Macht.

    • @Hans-Peter Wagner:

      Ich fange gar nicht erst mit dem Aufzählen von Projekten an, die der Steuerzahler finanziert, ohne etwas davon zu haben, sofern er nicht zu den Reichen gehört.



      Söder, Trump, Erdogan, Xi, Kim, Putin und und und... - das neue "Normal"?

  • ... „Wir können unsere Verkehrsprobleme nicht dadurch lösen, dass wir sie von der Straße in die Luft verschieben.“ Auch dort sei schließlich der verfügbare Platz begrenzt, gleichzeitig könnten die Taxis nur eine geringe Personenzahl transportieren und würden die Umwelt durch Lärm belasten. ...."



    ----



    Dem ist nicht mehr hinzuzufügen!



    Diese Art von Mobilität hilft uns bei unseren "Mobilitätsproblemen" nicht einmal im Promillebereich.



    Und die Kosten für Infrastruktur, Regelung, Sicherheit uvam. ,also das "Geld", ist besser in Modernisierung & Ertüchtigung unserer Massenverkehrsmittel angelegt!



    Ps. Nicht "flasch" verstehen:



    Ein PKW ist auch kein Massenverkehrsmittel das hilft o.a. Probleme zu lösen. Gleich mit welcher Energie der angetrieben wir.



    DER ist nur ein TEIL eines Verkehrsmix, hat seine Berechtigung in der Fläche, doch ist, in der heutigen Ausführung, im Ballungsraum "die Pest"!

    ..... weil total "unverhältnismäßig" im Vergleich Leermasse & Nutzlast!!