Flüchtlingsprotest in Berlin-Kreuzberg: Infozelt abgefackelt
Am Donnerstagmorgen ist das Zelt der Flüchtlinge auf dem Kreuzberger Oranienplatz abgebrannt. Die Polizei geht von Brandstiftung aus.
BERLIN taz | Um vier Uhr morgens hatte die Polizei ihn noch geweckt, um ihm den Schlafsack wegzunehmen, mit dem Sharif sich unerlaubterweise zugedeckt hatte: ein Verstoß gegen die gesetzlichen Auflagen, unter denen die Flüchtlinge auf dem Kreuzberger Oranienplatz protestieren dürfen.
Wenig später wurde der Flüchtling erneut geweckt. Da stand das Versammlungszelt der Protestierer auf der anderen Seite des Platzes schon in hellen Flammen. Donnerstagmorgen erinnert nur noch ein schwarzer Rußkreis und stechender Brandgeruch daran.
Unbekannte zündeten das Zelt, das als Relikt des Protestcamps der Flüchtlinge auf dem Oranienplatz seit Mitte April allein dort steht, in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag gegen 4 Uhr 30 an. Das runde schwarze Versammlungszelt sei „in wenigen Minuten“ komplett niedergebrannt, erzählt Sharif. Er hat die Nacht mit mehreren anderen Flüchtlingen auf der nördlich der Oranienstraße gelegenen Platzseite verbracht.
Seit der Räumung des Protestcamps am 8. April setzen einige der Flüchtlinge ihre Proteste dort fort. Den Wiederaufbau ihres zunächst mit abgebauten Protestzeltes hatten sie mit Hungerstreiks und einer Baumbesetzung durchgesetzt. Neben dem Zelt durfte auf der Südseite des Platzes auch die Infobox der Flüchtlinge stehen bleiben.
Protestaktion geplant
Die steht nun neben dem schwarzen Rußkreis, in dessen Mitte die Flüchtlinge und ihre UnterstützerInnen eine Fahne aufgestellt haben. „Berlin for all born to live“ steht darauf. Ein „rassistischer, terroristischer“ Anschlag auf die protestierenden Flüchtlinge sei die Tat gewesen, sagt Sharif deutlich schockiert. Dass sie geplant war, steht für ihn und viele andere hier fest: Zum einen, weil der Brand genau in der Zeitspanne stattfand, in der die sonst ständig auf dem Platz anwesende Polizei den Ort regelmäßig für kurze Zeit verlässt.
Zum zweiten, sagt ein anderer Flüchtling, weil das Zelt so schnell niedergebrannt sei: „Sie müssen etwas benutzt haben“, vermutet er. Dass beobachtet worden sei, dass zwei männliche Jugendliche den Brand gelegt hätten, geht unter den am Donnerstagmorgen auf dem Platz anwesenden Flüchtlingen und UnterstützerInnen nur als Gerücht um. Keiner der Anwesenden hat das mit eigenen Augen gesehen.
Agenturberichten zufolge gehen auch die Behörden von Brandstiftung aus. Der Staatsschutz habe deshalb die Ermittlungen übernommen. Verletzte gab es bei dem Anschlag nicht. Am frühen Nachmittag debattiert heute das Berliner Abgeordnetenhaus über den zukünftigen Umgang mit den protestierenden Flüchtlinge. Die Flüchtlinge planen nach eigenen Angaben für Donnerstagabend, 19 Uhr, eine Protestaktion gegen den Anschlag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption