Flüchtlingskinder in Kitas: Wenn der Elefant ein Panzer ist
Flüchtlingskinder sind oft traumatisiert und sprechen kaum Deutsch, wenn sie in eine Kita kommen. In Sachsen hilft ein neues Projekt, sie willkommen zu heißen.
GRÖDITZ dpa | Wenn in der Kita „Buratino“ Kneten angesagt ist, entstehen nicht nur kleine Schweinchen, Blumen und Schneemänner. Dann formt eines der Kinder auch schon mal einen Panzer. „Wir dachten zuerst, das ist ein Elefant“, erzählt die Erzieherin Bianca Plathe. Der vermeintliche Rüssel entpuppte sich allerdings als Panzerrohr. Kinder verarbeiten beim Spielen und Basteln ihre Erlebnisse – und Flüchtlingskinder die von Flucht und Krieg, wie Plathe berichtet.
Seit der Eröffnung eines Asylbewerberheims im September 2013, nur wenige hundert Meter entfernt, kommen viele Kinder von dort in das bunte Kita-Haus im Neubaugebiet des sächsischen Gröditz. 55 Jungen und Mädchen werden derzeit betreut, darunter 7 Flüchtlinge. Sie kommen aus Tschetschenien, Georgien oder Mazedonien. Manche bleiben länger, andere werden über Nacht abgeschoben. „Ein häufiger Wechsel“, sagt die Leiterin, Heike Seifert.
Sie hat sich mit ihrer Einrichtung für eine Teilnahme am Projekt „Willkommenskitas“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) beworben, ein nach Stiftungsangaben bundesweit einzigartiges Modellprojekt. Mit interkulturellen Schulungen, Beratern und dem Aufbau von Experten-Netzwerken werden die Kitas bei der Aufnahme von Flüchtlingskindern unterstützt. Seifert verspricht sich viel davon: „Manchmal sind es einfache Dinge, die man beachten muss. Darf ich dem Mann oder der Frau die Hand geben? Wie begegne ich den Eltern?“
Es gebe in Sachsen ohnehin zu wenig Personal in den Kitas, die Flüchtlingskinder seien eine zusätzliche Herausforderung, berichtet Seifert. „Sie brauchen Zeit, müssen intensiv begleitet und unterstützt werden.“ Keine leichte Aufgabe für die Pädagogen, die meist nicht für die Arbeit mit Kindern verschiedener Kulturen und Religionen ausgebildet sind.
Kita-Anspruch gilt auch für Flüchtlinge
Bis Ende August haben sich 34 sächsische Kitas für das DKJS-Projekt beworben. Ausgewählt wurden vier Häuser im ländlichen Raum. „Dort ist der Bedarf noch größer als in der Stadt, weil oft die Netzwerke fehlen“, erklärt DKJS-Projektleiter Axel Möller. Finanziert werden die „Willkommenskitas“ vom sächsischen Innenministerium und dem Kultusministerium. Bis Ende 2014 sind vorerst 45 000 Euro eingeplant, das Projekt soll bis 2017 laufen. Auch Träger aus anderen Bundesländern haben bereits Interesse bekundet.
Laut Bundesinnenministerium haben in den ersten neun Monaten des Jahres rund 136.000 Menschen einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Nahezu jeder vierte Flüchtling ist jünger als 14 Jahre, rund 14 Prozent sind jünger als sechs Jahre. Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz gilt prinzipiell auch für Flüchtlingsfamilien – aber erst, wenn sie drei Monate in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbracht haben und auf die Kommunen verteilt werden.
Silke Klewe von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung begleitet das Team der Gröditzer Kita in den nächsten drei Jahren. Mindestens einmal im Monat kommt sie vorbei, hört sich an, welche Ängste und Schwierigkeiten es gibt, geht mit den Erziehern in die Gruppe und gibt Tipps. „Wichtig ist es, Verständnis zu entwickeln und so damit umzugehen, dass die Flüchtlingskinder Wertschätzung erfahren.“
Zuerst geht es um die Grundbedürfnisse
Wenn die Kinder in die Kita kommen, sprechen viele kaum ein Wort Deutsch. Für das erste Gespräch ist meist eine Dolmetscherin dabei, doch im Alltag ist die Kommunikation schwierig. „Zuerst einmal geht es darum, dass sie ihre Grundbedürfnisse äußern können – Hunger, Durst, Schlaf“, berichtet Erzieherin Plathe. Manchmal bleibt nur die Verständigung mit Händen, Füßen und Bildern.
Es gebe viele schöne Momente, in denen die Gruppen spielerisch etwas über andere Kulturen erführen, sagt Plathe. Etwa, wenn ein Mädchen aus Libyen erklärt, warum bei ihnen die Frauen ein Kopftuch tragen. Oder ein Junge aus Montenegro einen Rap aufführt. Andererseits seien manche Flüchtlingskinder aggressiv, spielten Krieg nach. Vielen falle es schwer Spielzeug zu teilen. "Es bereichert uns und bremst zugleich", sagt Plathe.
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