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Flüchtlinge auf der Westbalkan-RouteUngarn lässt nicht ab vom Einzäunen

2000 Menschen wollen am Sonntagmorgen die ungarisch-österreichische Grenze überqueren. Allein am Samstag wurden 5000 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet.

Derzeit Weltmeister im Zäune hochziehen: Ungarn. An der Grenze zu Kroatien verlegen Soldaten Stacheldraht. Foto: ap

Bukarest/Athen/Hegyeshalom dpa/ap | | Ungarn wehrt sich gegen Kritik an seinem geplanten Zaun an der Grenze zu Rumänien. Außenminister Peter Szijjarto wies Äußerungen seines rumänischen Kollegen Bogdan Aurescu am Sonntag scharf zurück: „Wir sind ein mehr als tausend Jahre alter Staat, der in seiner Geschichte oft nicht nur sich selbst, sondern auch Europa verteidigen musste. So wird es bleiben, ob das dem rumänischen Außenminister gefällt oder nicht.“

Ungarn hatte diese Woche seinen Stacheldrahtzaun an der Grenze zu Serbien fertiggestellt. Flüchtlinge versuchen deshalb, auf Umwegen über Rumänien und Kroatien nach Ungarn zu kommen. Nun will die Regierung in Budapest auch dort Zäune errichten, was Kroatien und Rumänien aufbringt. Aurescu sagte am Samstag, der geplante Zaun sei inakzeptabel und widerspreche dem Geist der Europäischen Union.

Szijjarto entgegnete unter anderem: „Wir hätten mehr Bescheidenheit von einem Außenminister erwartet, dessen Ministerpräsident derzeit ein Gerichtsverfahren droht.“ Gemeint ist ein Verfahren wegen Korruptionsverdachts gegen den rumänischen Regierungschef Victor Ponta. Für Montag bestellte das ungarische Außenministerium den dortigen Botschafter Rumäniens ein.

Derweil sind am Sonntagmorgen 2000 Flüchtlinge im ungarischen Grenzbahnhof Hegyeshalom aufgebrochen, um zu Fuß über die Grenze nach Österreich zu gehen. Ungarische Polizisten begleiteten sie bis zum Grenzübergang an der alten Landstraße nach Wien, wie das staatliche ungarische Fernsehen M1 berichtete. Züge hatten die Menschen zuvor von der kroatischen Grenze nach Hegyeshalom gebracht.

EU will Flüchtlinge aus Kroatien umsiedeln

Laut der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung arbeitet die EU derzeit an einem Plan, auch Flüchtlinge aus Kroatien oder Slowenien auf die Mitgliedstaaten zu verteilen. Die Zeitung beruft sich auf einen Entwurf für das Treffen der EU-Innenminister am kommenden Dienstag. Darin heißt es, dass auch aus jenen „Mitgliedstaaten im Südosten, die am stärksten vom Flüchtlingsstrom auf der Westbalkanroute betroffen sind“, Umsiedlungen möglich sein sollen.

Bisher gab es nur die Planung, Migranten aus Italien, Griechenland und Ungarn in andere Länder umzusiedeln, insgesamt 160.000 Menschen. Da sich Ungarn aber nicht auf diese Weise helfen lassen will, seien alle Passagen bezüglich Ungarn aus dem Beschluss gestrichen, so die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Damit wird ein Kontingent von 54.000 Personen frei, das neu von anderen EUMitgliedsländern aufgenommen werden kann. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat darüber dem Bericht zufolge bereits am Freitag mit dem kroatischen Premier Zoran Milanovic geredet.

Neues Unglück vor der Insel Lesbos

Unterdessen hat sich ein neues Unglück vor der griechischen Insel Lesbos ereignet: Nach dem Untergang eines Flüchtlingsbootes werden 26 Menschen vermisst. Die Küstenwache konnte 20 Menschen aus den Fluten retten, teilten die Behörden mit.

Ein litauischer Hubschrauber der europäischen Grenzmission Frontex habe vor der Südostküste der Insel Menschen gesichtet. Daraufhin seien zwei Boote der Küstenwache zum Rettungseinsatz hinausgefahren. Nach Angaben von Überlebenden waren insgesamt 46 Menschen auf dem Boot, das vor der Küste sank.

Erst am Samstag war vor derselben Insel in der Nähe der türkischen Küste ein fünfjähriges Mädchen beim Untergang eines Boots ums Leben gekommen, mehrere Menschen waren verschollen.

Alleine am Samstag wurden aber auch fast 5000 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet. Beim größten von insgesamt 20 Rettungseinsätzen in den Gewässern vor Libyen wurden 1137 Menschen von zwei Schiffen in Sicherheit gebracht, wie die italienische Küstenwache mitteilte. An der Operation, bei der auch eine Frauenleiche geborgen wurde, waren Schiffe von Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen sowie eine Fregatte der Bundeswehr beteiligt, die Hunderte der Flüchtlinge aufnahm. Die britische und kroatische Marine sowie ein Frachtschiff halfen ebenfalls mit.

Wie eine dpa-Reporterin an Bord der Bundeswehr-Fregatte „Schleswig-Holstein“ beobachtete, wurden in einem fast zwölfstündigen Einsatz 767 Flüchtlinge von einem Holzboot und einem Schlauchboot an Bord geholt. Dies sei die größte Anzahl von Menschen, die die Fregatte bisher an einem Tag gerettet habe, sagte ein Sprecher an Bord. Die meisten der geretteten Menschen stammten aus dem Sudan sowie aus Eritrea, Somalia und Syrien.

Die Fregatte mit den Flüchtlingen soll voraussichtlich am Sonntagmittag in Palermo auf Sizilien einlaufen, um die Menschen an die zuständigen Behörden zu übergeben. Die „Schleswig-Holstein“ ist eines von zwei deutschen Schiffen, die sich seit Ende Juni an der EU-Mission zur Seenotrettung und Bekämpfung der Schleuserkriminalität im südlichen Mittelmeer beteiligen. Insgesamt haben die deutschen Schiffe seitdem fast 2400 Menschen geholfen. Zuvor hatte die Bundeswehr unter einem nationalen Mandat insgesamt 5673 Flüchtlinge gerettet.

Seit Jahresbeginn sind nach Zählung der Internationalen Organisation für Migration mehr als 2600 Menschen beim Versuch ums Leben gekommen, von Libyen aus über das Mittelmeer nach Italien zu gelangen. Über 120 000 (Stand 18. September) schafften es demnach bis an die Küste des südlichen EU-Mitgliedstaats.

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