Fleischindustrie in Deutschland: Das Schweinesystem schrumpft

Die deutsche Fleischindustrie ist keine Boombranche: Sie schrumpft kontinuierlich. Diesen Konzentrationsprozess überleben nur große Fleischkonzerne.

Schweinehälften, dazwischen ein Arbeiter in Bewegungsunschärfe

Kein gutes Bild: Schweinehälften im Schlachthaus Foto: Westend61/imago

Deutschland ist keine Fleischoase, sondern liegt inmitten von Europa, das einen gemeinsamen Binnenmarkt hat. Die Quizfrage lautet daher: Wäre die deutsche Fleischindustrie noch konkurrenzfähig, wenn sie anständige Löhne zahlen würde?

Diese Frage ist allerdings gar nicht leicht zu beantworten, denn es fehlen belastbare Zahlen, wie viel teurer das Kilo Fleisch würde, wenn die Arbeitnehmer in den Schlachthöfen nicht ausgebeutet würden. „Aktuell gibt es dazu keine Berechnungen“, sagt Thomas Bernhard, Referatsleiter bei der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG). Bernhard schätzt aber, dass die Preise um 2 Euro pro Kilo Fleisch steigen müssten, „wenn das Wohl von Menschen und Tieren vom Bauern bis zum Tisch des Verbrauchers angemessen berücksichtigt werden soll“.

Bernhard kann die Sorgen der Fleischindustrie nicht nachvollziehen, dass sie dann nicht mehr konkurrenzfähig wäre. „Das ist immer eine Mischkalkulation.“ Schon jetzt würden ein Drittel bis die Hälfte eines geschlachteten Tieres exportiert, „weil die Deutschen keine Füße oder Schwänze essen wollen“. Entscheidend sei nicht der Export, sondern ob sich höhere Preise in Deutschland durchsetzen lassen: „Die Verbraucher müssen bereit sein, mehr Geld für Fleisch zu bezahlen.“

Es sei auch nicht zu befürchten, dass sich die Handelsketten dann mit billigem Importfleisch eindecken würden. „Im Ausland gibt es gar nicht die nötigen Schlachtkapazitäten“, sagt Bernhard. Es sei „höchstens langfristig denkbar“, dass die Fleischindustrie Schlachthöfe und Ställe in Billiglohnländern wie Rumänien aufbaut.

Schlachthöfe beauftragen Subunternehmer

Die Gewerkschaft NGG fordert daher seit langem, dass Werkverträge prinzipiell verboten werden, wenn es sich um den Kern des Geschäftsbetriebs handelt. Bisher beauftragen die Schlachthöfe diverse Subunternehmer, die dann das Schlachten übernehmen. Allerdings würde ein derartiges Gesetz nicht nur die Fleischindustrie treffen, sondern auch die Schiffsindustrie. „Das macht die politischen Verhandlungen bisher schwierig“, wie Bernhard erleben musste. Alternativ könnte man auch die einschlägigen EU-Verordnungen ändern, „aber das würde vermutlich Jahrzehnte dauern“.

Thomas Bernhard, NGG

„Im Ausland gibt es gar nicht die nötigen Schlachtkapazitäten“

Kritik an den NGG-Plänen kommt vom Frankfurter Unternehmensberater Klaus Martin Fischer, der auf die deutsche Fleischindustrie spezialisiert ist: Wenn Fleisch in Deutschland teurer würde, „öffnen wir Tür und Tor für Fleischimporte aus Drittländern“. Denn andere Weltregionen könnten Fleisch deutlich billiger produzieren. Dies würde beispielsweise für Osteuropa, die USA oder Brasilien gelten.

Fest steht jedenfalls: Die deutsche Fleischindustrie ist keine Boombranche, sie schrumpft kontinuierlich. Diesen Konzentrationsprozess überleben nur die größten Fleischkonzerne, während viele kleine Höfe schließen.

2019 haben die deutschen Schlachthöfe 59,7 Millionen Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde geschlachtet. Zählt man das Geflügel hinzu, erzeugten die Unternehmen knapp acht Millionen Tonnen Fleisch – 1,4 Prozent weniger als 2018.

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