Finnische Studie zum Grundeinkommen: Es ist still ums Thema

Finnland wagte schon vor einigen Jahren einen Versuch zum Grundeinkommen. Trotz positiver Resultate gab es keinen politischen Fortschritt.

Mann mit Zylinder steht in seiner Werkstatt

Trommelbauer Juha Järvinen aus Südösterbotten bekam 2018 Grundeinkommen in Finnland Foto: privat/dpa

„Stellt euch vor, wir hätten jetzt ein Grundeinkommen“, hatte die finnische Monatszeitschrift Ny Tid im vergangenen Frühjahr getitelt, als die erste Coronawelle auch in Finnland zugeschlagen hatte. Würde es das nämlich schon geben, dann könnte sich die Regierung auf die Bekämpfung der Pandemie konzentrieren, statt die meiste Zeit mit Überlegungen zu verbringen, welche Hilfen nötig seien, damit Kulturschaffende, andere Selbstständige und Kleinunternehmer überleben könnten. Von den Marginalisierten unter den Marginalisierten, wie den Menschen ohne Papiere und Wohnung, ganz zu schweigen.

Passenderweise zeitgleich wurde damals von der Sozialversicherungsbehörde Kela der Abschlussbericht über den Grundeinkommensversuch vorgelegt, der in Finnland zwischen 2017 und 2018 durchgeführt worden war. Die rechte Regierungskoalition in Helsinki, die den zweijährigen Versuch initiierte, hatte mit diesem Experiment primär herausfinden wollen, welchen Beschäftigungseffekt die monatlich 560 Euro haben würden, die den 2.000 arbeitslosen Versuchspersonen steuerfrei ausgezahlt wurden. Konkret, ob die EmpfängerInnen eines solchen garantierten Einkommens eher mehr oder weniger bereit sein würden, auch kurzzeitige oder schlechter bezahlte Arbeit anzunehmen.

So gestellt wurde die Frage nicht beantwortet. Beim Vergleich zwischen den Arbeitslosen und einer gleich großen Kontrollgruppe, für die die üblichen Vorschriften der Arbeitslosengesetzgebung galten, lautete das Fazit nämlich: „Im Prinzip lief es auf dem Arbeitsmarkt für keine Gruppe besser oder schlechter.“ Ein Effekt, der dagegen mit Sicherheit nachgewiesen werden konnte: „Die Grundeinkommensempfänger berichteten über ein besseres subjektives Wohlbefinden.“ Sie hatten weniger psychischen Stress erlebt, waren zufriedener mit ihrem Leben gewesen und hatten ihre wirtschaftliche Situation auch als deutlich positiver empfunden.

KritikerInnen hatten dem finnischen Versuch eines Minigrundeinkommens von Beginn an vorgeworfen, eine neoliberale Mogelpackung zu sein. Und sie hatten das Konzept deshalb verdächtigt, dieses Werkzeug in Wirklichkeit nicht ernsthaft testen, sondern eher endgültig begraben zu wollen. „Ein immer wiederkehrendes Argument war ja, dass so ein Grundeinkommen dazu führen würde, dass Menschen passiv werden und nicht mehr versuchen, einen Job zu finden“, sagt Simon Birnbaum, Politikwissenschaftler am schwedischen Institut für Zukunftsstudien. „Aber genau das bewies der finnische Versuch dann faktisch gerade nicht.“

Positive Resultate könne man nicht leugnen

Umgekehrt könne man die positiven Resultate des Experiments nicht leugnen, nämlich „dass das gesundheitliche Wohlbefinden der Grundeinkommensbezieher im Vergleich zu dem der Vergleichsgruppe wesentlich besser war“, betont Birnbaum: „Interviews mit ihnen ergaben auch, dass sie ein größeres Vertrauen zu ihren Mitmenschen und zu gesellschaftlichen Institutionen bekamen.“

Markus Jäntti, Professor am sozialpolitischen Institut der Universität Stockholm, bewertet das von ihm eigentlich als „unseriös“ bewertete finnische Experiment deshalb auch als einen „gescheiterten Versuch, die Notwendigkeit eines Grundeinkommens zu hinterfragen oder weiter zu verzögern“.

In Finnland ist es nach dem Testlauf trotzdem wieder recht still zu diesem Thema geworden. Was beweise, dass so ein Versuch einerseits „keine Garantie für einen Fortschritt bei der politischen Umsetzung bedeutet“, sagt Birnbaum. Andererseits seien solche Experimente aber „eine wichtige, wenn auch nicht notwendige oder ausreichende Voraussetzung für die Entwicklung und Umsetzung von Grundeinkommen“. Das deutsche Pilotprojekt brachte in den letzten Wochen auch wieder neues Leben in die skandinavische Debatte. „Eine Riesenchance“ erhofft sich beispielsweise Schwedens grüne Zeitung Syre.

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