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Feuerzeugwurf bei Union BerlinEin viel zu schwacher Treffer?

Der von einem Feuerzeug getroffene Bochumer Torhüter Patrick Drewes steht in der Kritik. Die Attacke selbst wird kurioserweise nebensächlich.

Tut das wirklich weh? Patrick Drewes fasst sich an den Kopf, nachdem ihn ein Feuerzeug getroffen hat Foto: Lisi Niesner/reuters

B raucht es neben der halbautomatischen Abseitserkennung und der Torlinientechnologie nun auch eine Wurfgeschossschmerzmesstechnologie? Vermutlich ist keine Szene in dieser Bundesligasaison häufiger vor- und zurückgespult worden als der Feuerzeugwurf vom Samstag an der Alten Försterei. Der Tatverdacht der Schauspielerei bewegt viele Fußballherzen. Bochums Torhüter Patrick Drewes hatte nicht nur den Argwohn der Anhänger von Union Berlin auf sich gezogen.

War das nicht eigentlich eine Schwalbe? Hatte er sich nach dem unstrittigen Kontakt mit dem Feuerzeug nicht mit beträchtlicher Verzögerung an den Kopf gefasst und war erst dann in die Knie gegangen? Fehlte dem Wurfgeschoss nicht erheblich an Tempo, um wirklich für einen Brummschädel zu sorgen? War es im Grunde genommen nicht eigentlich ein Streifschuss? Hätte Drewes nicht einfach weiterspielen können, anstatt sich gestützt von zwei Betreuern vom Platz zu schleppen?

Das Feuerzeug wurde wie selbstverständlich Teil des Spiels, die Kollision zwischen Feuerzeug und Drewes so seziert wie ansonsten das Aufeinandertreffen von zwei Sportlerkörpern. Und dafür braucht es natürlich auch Experten, die sich auch in diesem Fall gefragt oder ungefragt zu Wort meldeten. Zu letzteren gehörte der ehemalige Schiedsrichter Manuel Gräfe, der die Gelegenheit beim Schopfe packte, um über die Plattform X seinen vermeintlichen Wissensvorsprung mit aller Welt zu teilen.

Der Wurf des Feuerzeugs, bekannte er pflichtschuldig, sei natürlich inakzeptabel, aber „das Schmierentheater von Drewes“ auch. Um aus angeblich „gut informierten Kreisen“ weiterzugeben, das Krankenhaus habe eine weitere Untersuchung abgelehnt. Der Grund? „Kein Hämatom,keine Hautverletzung,keine Schramme.“ Was Gräfe wohl den Fußballfans damit sagen wollte? Selbst die Krankenakte von Drewes zeigt, dass der 31-jährige Keeper das Spiel hätte fortsetzen müssen.

Spekulative Debatte

War Patrick Drewes von diesem Feuerzeug wirklich fest genug getroffen worden, um berechtigterweise nicht mehr weiterzuspielen? Das war kurioserweise für nicht wenige offenbar die Hauptfrage nach den Ereignissen an der Altern Försterei. Alles andere wurde nebensächlich. Hat nicht Torhüter Oliver Kahn einst trotz Platzwunde nach einem Golfballwurf in Freiburg weiter sein Tor gehütet? Ging es Drewes und dem VfL Bochum nicht einfach nur darum, sich den ersten Sieg in der Saison am grünen Tisch zu erschleichen?

Selbst wenn dem professionellen Augenschein nach der Schmerzgrad bei Drewes am Samstag nicht hoch genug gewesen ist, ist diese Debatte müßig, weil ihr der spekulative Boden nicht vollends zu entziehen ist.

Der Deutsche Fußball-Bund sieht die Möglichkeit des Einspruchs gegen ein Spielergebnis im Falle der „Schwächung der eigenen Mannschaft durch einen während des Spiels eingetretenen Umstand“ vor. Die Bochumer hätten auch mit Drewes in den Schlussminuten auf dem Platz argumentieren können, dass der Vorfall das Team etwa mental verunsichert hätte. Man kann diese Szene so häufig drehen und wenden wie man mag, das Problem bleibt der Wurf des Feuerzeugs und nicht der Umgang damit. Patrick Drewes wird sein Verhalten aber gewiss noch lange vorgehalten werden.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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12 Kommentare

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  • Beim VfL Osnabrück gab es eine Szene vor Jahren, da hatte das Feuerzeug NIEMANDEN getroffen. Der Schiri hat es aufgehoben und das Spiel für beendet erklärt.

  • Ein Bert Trautmann wird aus Drewes garantiert nicht. Diese Schauspieleinlagen sind unter anderem der Grund, weshalb ich Rugby den Vorzug gebe.

  • Drewes offenbart den Italiener in uns allen. (scnr)



    de.wikipedia.org/w...3%BCchsenwurfspiel



    (Gewalt im Fußball geht gar nicht.)

  • Toxische Männlichkeit in Reinstform.

    • @Mendou:

      Ich bitte sie, das ist doch keine Männlichkeit

  • Beim Vorbeiblättern - Huch - 🙀🥳🙄 -

    “Selbst wenn dem professionellen Augenschein nach der Schmerzgrad bei Drewes am Samstag nicht hoch genug gewesen ist, ist diese Debatte müßig, weil ihr der spekulative Boden nicht vollends zu entziehen ist.“ ?????

    Mit Friedrich Schiller “Herr. dunkel war der Rede Sinn.“ “Der Gang zum Eisenhammer“



    (einer für Peter Köhler! Woll;)

  • Es ist eine Unsitte, dass Fussballprofis mit immer dreisteren Schauspieleinlagen versuchen, ein Fußballspiel nicht durch sportliche Leistung, sondern auf anderem Wege für sich zu entscheiden.



    Und das darf kritisiert werden, auch wenn ein Vollidiot, der von Union direkt identifiziert wurde und entsprechend bestraft wird, sich mal komplett daneben benimmt.



    Der Feuerzeugwurf war eine schwachsinnige Aktion, die entsprechend geahndet werden wird.

    Dass Drewes das aber zum Anlass nahm, hier Punkte schinden zu wollen, diese Handlung ist auch isoliert zu bewerten.

  • oder ist es vielleicht so, dass drews dem thema eine bärendienst erweist?

    Jeder kann sich den Wurf ubd die Reaktion auf youtube selber aus 3 perspektiven anschauen und sich seine meinung bilden.

  • Das Werfen von Gegenständen in Fußballstadien ist seit Jahren (Jahrzehnten?) systematisch verharmlost worden. "Kann man nix gegen machen."; "Hat ja nicht getroffen."; "Die Spieler tun gut daran, sich aufs Spiel zu konzentrieren."

    Jeder Wurf, sei es "nur" mit einem Becher oder einem Feuerzeug, ist ein Versuch der schweren Körperverletzung, im Grunde des Mordes. Passiert so etwas, wird der Werfer sofort herausgesucht und mit Rechnung vor die Tür gesetzt, sonst Spielabbruch. Wie kann man das ernsthaft schönreden?

    Stattdessen müssen wir uns ehemalige Mitkasper dieses Zirkus' anhören, die meinen, Drewes hätte gefälligst auf die Zähne beißen müssen wie ein richtiger Mann ...

  • Es gibt doch Ärzte am Spielfeldrand. Beim Boxen schaut doch ein Arzt drauf. Natürlich wirft man keine Gegenstände, aber man spielt auch nicht den sterbenden Schwan.

    • @Mouse:

      Ne Amöbe wird einsehen, dass ein mutmaßlich sterbender Schwan nicht den Tatbestand einer ebenso versuchten wie mutmaßlich erfolgten möglichen schweren Körperverletzung erfüllt. Sehr wohl jedoch der Wurf eines Feuerzeugs gegen den Kopf ei es Menschen



      Wie gesagt, ein Einzeller begreift das.



      Der Edelfussballfan meint: "Nächstet Mal werf ick der Pussi wat dickeret uffn Nischel, denn hatsen Jrund ze heulln !"

      • @warburg:

        Amöben sehen aber auch ein, dass dies nicht für das Spiel an sich nicht entscheidend ist. Hätte er das Theater auch in der 1. Minute und/oder bei Rückstand gespielt? Wohl kaum. Viele Zweikämpfe werden härter geführt...