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Feuerkatastrophe in AustralienOpfer, Täter, Ignoranten

Australien ist von der Klimakrise so bedroht wie kein anderes Industrieland. Trotzdem gibt es bisher praktisch keine Klimapolitik.

Abbau in Queensland: Kohle ist das zweitwichtigste Exportgut in Australien Foto: Jean-Paul Ferrero/imago-images

Berlin taz | Die Umweltschützer vom „Climate Action Network“ (CAN) waren entsetzt. Bei der UN-Klimakonferenz im Madrid fragte ihr Newsletter: „Australien – ist es möglich, so schlecht zu sein?“

Die Antwort gibt die Politik der letzten Jahre. Während der Kontinent von der größten Hitzewelle, Dürreperiode und Feuerkatastrophe seiner jüngeren Geschichte heimgesucht wird, verweigert die konservative Regierung zu Hause und international eine wirksame Klimapolitik. Australien hat seine Emissionen kaum gesenkt, hat schwache Klimaziele und keine konkreten Pläne für den Ausbau von erneuerbaren Energien. Regelmäßig landet Australien bei Ländervergleichen zum Klimaschutz auf den hintersten Plätzen. Die Regierung verweigert Geld für den „grünen Klimafonds“ der UNO und schwänzte den „Klima-Aktionsgipfel“ von UN-Chef Guterres im September.

Dabei ist die Klimakrise Down Under sehr präsent. Kein Industrieland ist verwundbarer als der Südkontinent, keines hat eine schlechtere Klimabilanz, und in keinem anderen Land der Welt ist Klimapolitik so wichtig, dass sie regelmäßig über das Schicksal der Regierung entscheidet. „Australien liegt an der vordersten Front des Klimawandels“, sagt Bill Hare, Leiter des renommierten Thinktanks Climate Analytics und selbst Australier. „Aber unsere Verwundbarkeit wird oft übersehen.“

Das beginnt mit der Geografie. „Unser Kontinent ist ökologisch sehr anfällig“, meint Hare: Der Süden ist ein riesiges Trockengebiet, anfällig für Hitze und Dürren, der Boden ist arm, die Landwirtschaft leidet inzwischen unter einer dreijährigen Trockenzeit. Das Great Barrier Reef vor der Nordostküste stirbt, weil sich im Klimawandel der Ozean erwärmt. Viele Wälder bestehen aus Eukalyptusbäumen, die auch wegen ihres Harzes brennen wie Zunder. Aber ein demokratisches System, westlicher Wohlstand und ein gutes soziales Netz täuschten laut Bill Hare eine Stabilität vor, die derzeit gerade sichtbar in Rauch aufgeht.

Premierminister Scott Morrison und seine Regierung haben lange abgestritten, dass es einen Zusammenhang zwischen der Feuerkatastrophe und dem Klimawandel geben könne. Noch im November nannte Vizepremier McCormack das eine Idee von Grünen und „innerstädtischen Verrückten“. In der Tat gibt es im Land immer wieder große Brände. Ob es einen Fingerabdruck des Klimawandels in den Buschfeuern gibt, errechnet derzeit eine Arbeitsgruppe an der Universität Oxford. Ergebnisse werden Ende Januar erwartet.

Eine angekündigte Katastrophe

Allerdings passen die Rekordhitze, die Rekorddürre und die Rekordfeuer genau zu den Warnungen, die etwa der UN-Klimarat IPCC für die Region veröffentlicht hat. Schon 2013 führte die australische Wetterbehörde für Temperaturen über 50 Grad Celsius auf der Skala die Warnfarbe Lila ein. Und der Klimabericht der Regierung von 2018 klingt ebenfalls wie eine Vorhersage der Katastrophe: Mehr als ein Grad Erwärmung im langjährigen Mittel, Rückgang der Niederschläge und der Flusspegel im Süden und „langfristiger Anstieg bei extremem Feuerwetter und der Länge der Feuersaison“.

Die australischen Pro-Kopf-Emissionen an Treibhausgasen gehören zu den höchsten unter den Industriestaaten

Für Greg Mullins, den ehemaligen Chef der Feuerwehr im betroffenen Bundesstaat New South Wales, ist die Sache ohnehin klar: „In der Öffentlichkeit ist der Groschen gefallen, dass unsere unkontrollierbaren Feuer vom Klimawandel angetrieben werden“, sagte er dem US-Radiosender NPR. „Unsere nationale Regierung will nichts vom Klimawandel wissen. Als Chefs der Feuerwehr haben wir beobachtet, wie die Buschfeuer, die Stürme, die Überflutungen schlimmer werden, wenn Extremwetter immer extremer werden. In Australien brennen jetzt Regionen, die noch nie gebrannt haben.“

Wie schlecht die Ökobilanz des Kontinents ist, hat Climate Analytics in einer aktuellen Studie festgehalten: Die Pro-Kopf-Emissionen des 26-Millionen-Volks an Treibhausgasen gehören mit etwa 25 Tonnen pro Jahr zu den höchsten unter den Industriestaaten (Deutschland: 11 Tonnen), die Klimaziele für 2030 dagegen zu den schwächsten; die versprochene Reduktion von 26 Prozent bis 2030 will die Regierung zum großen Teil durch Tricksereien bei der Buchhaltung erbringen – diese harte Haltung war einer der Gründe für das Scheitern der Klimakonferenz in Madrid.

Dabei läge der „faire Anteil“ von Australien am globalen Klimaschutz, der Wirtschaftskraft und Geschichte einbezieht, für die Experten von Climate Analytics bei einem Minus zwischen 47 und 85 Prozent. Weil staatliche Vorgaben fehlen, verschwenden Industrie, Kraftwerke und Verkehr deutlich mehr Energie als in anderen Ländern, teilweise steht das Land schlechter da als Indien und China. Die Waldbrände verschlimmern die Lage noch: Nach ersten Schätzungen hat die Feuerkatastrophe bisher fast 350 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt – ein Plus von über 60 Prozent auf den CO2-Ausstoß des Landes.

In der Hauptstadt Canberra ist das Klimathema zwischen den wechselnden Regierungen ein heißes Eisen: Das Kioto-Protokoll wurde lange Jahre nicht ratifiziert. Ein Emissionshandel wurde 2012 von Labor eingeführt und 2014 von den Konservativen wieder abgeschafft. Der aktuelle Premier Morrison nutzte auch die Energiepolitik, um seinen Parteifreund Malcolm Turnbull loszuwerden, der für begrenzten Klimaschutz wirbt.

„Klimapolitik ist in Australien die Frage, an der sich Wahlen entscheiden“, sagt Frank Jotzo, Direktor des Zentrums für Klima- und Energiepolitik an der Australian National University in Canberra. Im Land und der Politik ist die Kohle allgegenwärtig: Sie erzeugt etwa zwei Drittel des Stroms und ist der zweitwichtigste Exportartikel des Landes.

Pläne für eine dekarbonisierte Wirtschaft

Andererseits habe laut Umfragen für etwa zwei Drittel der Bevölkerung das Klimathema hohe Priorität, sagt Jotzo, das dürften inzwischen durch die Waldbrände noch mehr sein. Auch wenn die Bundesregierung einen langfristigen Klimaplan verweigert, die Bundesstaaten hätten durchaus Planungen für eine „dekarbonisierte“ Wirtschaft.

„Schon jetzt sind neue Solar- und Windkraftwerke viel billiger als neue Kohle“, sagt Jotzo. „Mittelfristig wird unser Strom vollständig aus Erneuerbaren kommen und Kohle nur ein Exportgut bleiben.“ Der Wissenschaftler sieht die Katastrophe deshalb auch als Chance für einen Richtungswechsel: „Diese Krise könne Wendepunkt sein. Premier Morrison ist bisher eingeschlossen in seiner Position, nicht zu handeln. Die Waldbrände geben ihm einen Grund, das zu ändern.“

Der Premier könne nun sein Land vor Schaden schützen, eine zutiefst konservative Haltung, wie sie auch konservative Regierungen in Großbritannien und Deutschland hätten, so Jotzo: „Vielleicht wird 2020 das Jahr, wo der politische Streit darüber beginnt, was genau wir gegen den Klimawandel tun, und nicht mehr, ob wir überhaupt handeln.“

Ein mögliches erstes Zeichen: Am Wochenende kündigte Morrison eine Kommission ein, die die Brände untersuchen soll, und deutete an, die Regierung könne über schärfere Klimaziele reden. Klimapolitik bleibt in Australien eine brennende Frage.

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12 Kommentare

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  • "... wie kein anderes Industrieland" Dieser Halbsatz impliziert, dass Australien ein Industrieland sei. Auf dem Weltmarkt tritt es aber hauptsächlich als Rohstofflieferant auf. Es besitzt keine nennenswerte Auto- Stahl-, Chemie- oder IT-Industrie.

    • @Forscher:

      Tatsächlich sind große Industrieanlagen dort eher die Ausnahme... kann mich außer in Küstenstätten wo z.B. Eisenerz vorverarbeitet wird oder ner Raffinerie in Sydney spontan nicht groß an was erinnern.

  • Keine Frage ein schönes Land... aber wer mal in Victoria - Klima wie bei uns, da wirds auch mal kalt - in einem ungedämmten zusammengetackterem Holzhaus war, mit einem übergroßen Heizlüfter Marke "Vulkan" wundert sich über den Pro kopf Verbrauch dort nicht.

    das ist kein erste Welt Land... eher 2b+.

    • @danny schneider:

      Die Klimazonen Australiens reichen von äquatorial bis gemäßigt.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Jetzt zeigen wir wieder mit dem Finger auf andere.



    Was machen die Australier? Sie verkaufen ihre Kohle an Japan, China, Korea, Indien etc. und die erzeugen damit Strom um Produkte herzustellen, die alle kaufen.

    Fangen wir doch erst mal bei uns an. 50 Millionen PKW aus Stahl der mit Kohle hergestellt wurde. Und kommt mir jetzt nicht einer "den kann man auch mit Wasserstoff aus Windkraft erzeugen".



    Nein, weniger ist die Lösung. Dann kann man sich auch mal ein gutes Steak auf den Grill packen.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Ich mag aber kein Steak, ich möchte lieber Bahn fahren.

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @Gregor Tobias:

        Na dann essen sie halt ne Avocado.

        Ein Steak zu Hause ist aber weniger umweltschädlich als Bahn fahren.

  • Australien brennt bei 38 genauso wie bei 41 Grad.



    Hier wird eine Katastrophe zum Aussie-Bashing übelster Art missbraucht.



    Russland und China dagegen - der größte Exporteur und der größte Verbraucher der fossilen Brennstoffe - kein Wort.

    • @agerwiese:

      das es dort aber seit Jahren zu wenig regnet (und normal ist es schon nicht viel), ist fakt... klar hat das nichts mit der Temperatur direkt zu tun.

      Aber erhöhte mittlere Temp. und Trockenheit bedingen sich halt gegenseitig

    • @agerwiese:

      What about: Wenn man in jedem Artikel über Klimapolitik Russland und China nennen soll, dann aber bitte auch Europa und die USA. Wenn man den Export und Verbrauch fossiler Brennstoffe pro Einwohner rechnet, schneiden Russland bzw. China kaum schlechter ab, als Australien.

  • Solar-thermisch kann in Australien auf einem Bruchteil der Freifläche genug Wasserstoff erzeugt werden, dass kein Tropfen Öl, kein Krümmel Kohle mehr verbrannt werden muss. Zu e-fuels verarbeitet wird sich mit Wasserstoff in Zukunft auch gutes Geld verdienen lassen und die Abschattung durch Solaranlagen wird mancher Kreatur guttun. Manchmal scheint es, die Menschheit wolle sich ausrotten - möglichst schnell.

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    shame on you; was war das nur für ein Klimaabkommen kurz nach den Anschlägen in Paris und wann war das nochmal .... der Wirtschaft scheint die zunehmende Radikalität auf mehreren Ebenen durchaus zu Pass zu kommen; danke Bezos für deine Güte