Was Frauen beim Sex stört: Wie kommen wir zusammen?
Viele Frauen klagen über schlechten Sex mit Männern. Was sie sich wünschen und warum Kommunikation oft scheitert. Eine feministische Analyse.
S ein Penis war toll, ich war horny, aber dann …“ – „Warum rutschen Typen beim Lecken immer so nach?“ – „Er beherrscht das erotische Spiel einfach nicht.“ – „Der hat an meinen Nippeln gedreht, als wären es Knöpfe einer Maschine.“
Wir schreiben das 21. Jahrhundert, es hat sich herumgesprochen, dass Frauen lustvolle Wesen sind. Viele Männer wollen fortschrittlich sein, Beziehungen auf Augenhöhe führen, ihre Partnerinnen glücklich machen. Auch im Bett. 62 Prozent der heterosexuellen Männer sagen, ihnen sei wichtig, ihrem Gegenüber einen Orgasmus zu schenken, wie eine Befragung der Datingplattform Parship zeigt. Trotzdem klagen Frauen oft. Und das nicht nur nach Grenzüberschreitungen und Gewalt. Auch konsensualer Sex ist oft schlecht.
Dafür sind Frauen mitverantwortlich, klar. Aber Tipps, wie Frauen sich optimieren sollen, gibt es genug. Und das versuchen sie auch: Sie besuchen Vulva-Workshops, gehen zur Therapie, üben mit Youtube-Tutorials zu squirten, kaufen schicke Dessous. Viele Männer kennen nicht einmal ihre Kondomgröße.
Trotzdem kommt der Hinweis von Männern oft schneller, als frau gucken kann (voraussichtlich auch unter diesem Beitrag): „Frauen müssen sich eben einfach mal locker machen“, und so weiter. Reflexhafte Abwehr von Kritik verhindert aber nicht nur echte Interaktion, sie ist auch analytisch unbefriedigend. Denn wenn Männer so gar nichts falsch machen, wieso sind dann lesbische Frauen weitaus zufriedener im Bett als Hetero-Frauen?
Es gibt Menschen, die unabhängig vom Geschlecht einfach nicht harmonieren, ihre Körper passen nicht zusammen oder ihre Vorlieben unterscheiden sich zu sehr. Doch die Unzufriedenheit von Frauen im Bett ist mehr als nur Pech im Einzelfall. Das belegt auch der Gender Orgasm Gap. Dabei handelt es sich, ähnlich wie beim Gender Pay Gap, um die Lücke zwischen diesen beiden Geschlechtern: Während 70 bis 100 Prozent der Männer in Hetero-Partnerschaften regelmäßig zum Höhepunkt kommen, trifft das nur auf 65 Prozent der Frauen zu. Bei One-Night-Stands kommen Frauen noch seltener. Woran liegt das, und wie ließe es sich ändern?
Die guten Nachrichten zuerst: An der Biologie kann der Orgasm Gap nicht liegen: Eine Klitoris hat doppelt so viele Nervenenden wie ein Penis, ist also wesentlich empfindsamer. Viele Hürden, die Frauen den Sex-Spaß vermiesen können, stören dank der Erfolge feministischer Kämpfe heute weniger als früher – etwa die Sorge, ungewollt schwanger zu werden, oder das Diktat der Keuschheit.
Trotzdem spielen gesellschaftliche Bedingungen weiterhin eine Rolle: Es macht zum Beispiel einen Unterschied, ob man eine Wohnung und darin den nötigen Rückzugsraum hat, um intim zu werden. Als Grund für Unlust nennen Frauen häufig ihre Doppelbelastung durch Lohn- und Fürsorgearbeit. Frauen, denen von Geburt an noch immer viel stärker als Männern vermittelt wird, dass sie gut aussehen müssen und was genau das bedeutet, fühlen sich – wenig überraschend – beim Sex fast doppelt so häufig wie Männer unwohl in ihrem Körper.
Paula, 34
Einen anderen Aspekt betont die Psychotherapeutin Anne Ehrlich. Sie arbeitet in ihrer Berliner Praxis mit feministischem Ansatz. Das heißt, sie berücksichtigt neben der Psychologie auch die Probleme, die eine männerdominierte Welt für Frauen mit sich bringt. Dabei fällt ihr auf, dass oft noch ein rückständiges Bild von Sex vorherrsche. „Nämlich die hetero-männliche Denkweise, Sex sei erst, wenn der Penis in die Vagina eindringt.“
So verschieden Frauen und ihre Vorlieben auch sind: Diese Haltung ist für die allermeisten ein Problem. Auch für alle 20 Frauen, mit denen die taz gesprochen hat. Eine von ihnen ist Paula aus Berlin. Sie ist 34, beruflich erfolgreich und insgesamt zufrieden mit ihrem Leben. Sie liebt Sex und hatte schon viele Partner – sowohl lose Affären als auch feste Beziehungen.
„Neulich war ich total horny. Mein Date kam zu mir, wir haben rumgemacht“, erzählt sie beim Treffen in einer Weinbar in Berlin-Wedding. „Aber der hat mich gar nicht gestreichelt, bloß stumpf an meinen Brüsten und meiner Muschi rumgedreht – als wären das Knöpfe, die er nur aufdrehen muss, und dann startet die Maschine.“ Sie wünsche sich, dass Männer sie am ganzen Körper berühren. „Ich habe doch auch Oberschenkel, Hüfte, Po, Nacken, Schultern …“
Selbst wenn stattfindet, was gemeinhin als Vorspiel bezeichnet wird, sei der Sex nicht per se gut, kritisiert indes die 35-jährige Führungskraft Tessa aus Franken. „Oft machen Männer zwei Minuten da unten rum und denken dann wohl: ‚Jetzt habe ich sie doch geleckt, was will sie mehr?‘“ So geht es nicht nur ihr. Vergleicht man die aktuelle Situation mit den 1950er Jahren, gibt es sogar Rückschritte: Heute befriedigen Männer Frauen sogar seltener oral bis zum Orgasmus, wie eine Studie belegt.
Das Vorspiel abschaffen
Therapeutin Ehrlich fordert deshalb, das „Vorspiel“ abzuschaffen. „Nur als Begriff und Konzept“, betont sie. Denn selbst Männer, die sich dabei ins Zeug legten, schielten letztlich meist auf Penetration. Viele, viele Frauen empfinden mehr Lust beim Küssen, Streicheln, Fingern oder Lecken. Neu ist dieses Wissen über weibliche Lust nicht. Schon in den 1970er Jahren erschien mit dem „Hite Report“ eine umfassende Studie über weibliche Sexualität. Lou Pagets „Der perfekte Liebhaber“ aus dem Jahr 2000 bietet Nachhilfe über den weiblichen Körper und beliebte Sextechniken.
Wer grundsätzlicher verstehen will, warum es vielen Männern so schwerfällt, ihre Gefühle wahrzunehmen und zu zeigen, kann Werke über Männlichkeit wie von bell hooks oder Klaus Theweleit lesen. „Aber das Problem ist doch: Die meisten Männer interessiert das gar nicht, warum sollten sie denn lesen, sie kommen ja auch so meistens auf ihre Kosten!“, bemerkt Paula. „Andere lesen vielleicht mal was, aber verstehen es offensichtlich nicht.“
Das Internet ist voll mit Ratschlägen – der Klassiker: mehr Kommunikation. Wie die meisten Frauen wünscht sich das auch Tessa. Nur Reden während des Liebesspiels selbst, das turne sie ab. „Ich mag es ja auch mal hart, mit Klaps auf den Hintern und so. Nur beleidigt und ‚Bitch‘ genannt werden will ich wirklich nicht.“ Als dies neulich passiert sei, hätte ihr Sexpartner das sofort an ihrem Gesichtsausdruck erkennen können. „Ich kommuniziere viel. Aber nonverbale Signale verstehen Männer ja oft gar nicht“, seufzt sie. Also habe sie es explizit ausgesprochen. Er sei dann eingeschnappt und die Affäre kurz darauf vorbei gewesen.
Das kennt Paula auch. Der aus ihrer Sicht „völlig naive“ Rat, mehr zu kommunizieren, regt die Mittdreißigerin auf. Sie spreche immer aus, was sie wolle – vor, während oder nach dem Sex. „Aber egal, wie lieb ich es formuliere, reagieren die Typen oft total daneben.“ Von Abwehr, Beleidigtsein, Ignoranz, Rechtfertigungen, Trotz, bis hin zu Aggressivität oder Flucht habe sie schon alles erlebt. „Ich habe das Reden aufgegeben.“
Warum klappt das mit dem Reden oft nicht? Psychologin Ehrlich verweist hier auf unbewusste Elemente männlicher Identität. „Wenn eine Sexualpartnerin Wünsche ausspricht, kommt bei Männern oft an: ‚Du bringst es nicht‘. Das darf aber nicht sein, weil die sexuelle Performance ein zentraler Bestandteil der männlichen Identität ist: Um ein ‚echter‘ Mann zu sein, muss man es ‚im Bett bringen‘.“ Auch für diejenigen mit den besten Vorsätzen sei es deshalb schwer, Rückmeldungen anzunehmen und umzusetzen, so Ehrlich.
Ein aktueller Trend scheint zu sein, dass Männer im Bett heute viel nachfragten. Die 28-jährige Fiona erzählt, sie hatte dadurch von Anfang großes Vertrauen zu ihrem Date. Die beiden waren sich einig: „Es ist hot, vor dem Küssen zu fragen, ob das gerade cool wäre.“
„Wer sich nicht sicher ist, sollte fragen“, rät Ehrlich – und setzt sofort zu einem „Aber“ an. Entscheidend sei dabei die Motivation: „Fragen die Männer, weil sie Strafanzeigen vermeiden oder weil sie gute Liebhaber sein wollen?“ Wem das Gegenüber als Mensch wichtig sei, der achte sowieso auf dessen Körpersprache, betont die Psychotherapeutin. „Das geht übrigens auch bei One-Night-Stands und Affären – sofern der Mann sein Gegenüber als Subjekt wahrnimmt.“
Fiona hat dennoch, obwohl ihr Date sie bei allem um Erlaubnis gefragt hat, eine schlechte Erfahrung gemacht. Bei einem ihrer nächsten Treffen behandelte der Mann, der anfangs so einfühlsam schien, sie völlig respektlos. Therapeutin Ehrlich warnt deshalb: Nur weil Männer nachfragten, hieße das nicht unbedingt, dass sie patriarchale Vorstellungen überwunden hätten.
Fiona, 28
„Wenn der männliche Part jetzt dauernd fragt: Darf ich dich küssen? Darf ich deinen BH öffnen? Darf ich deine Brust anfassen?, macht immer noch er die aktiven Schritte und sie muss es abnicken“, sagt Ehrlich. Es ist die alte Rollenverteilung. Je fortschrittlicher Männer sich gäben, desto größer sei gar die Gefahr, dass wichtige Schutzimpulse von Frauen abgebaut würden, warnt die Therapeutin, die auch Frauen mit Gewalterfahrung behandelt.
Kein Zweifel, schlechter Sex kann schlicht an fehlendem Respekt oder Egoismus liegen. Was aber ist mit den Männern, die es wirklich besser machen wollen? Ehrlich findet, diese sollten sich einreihen „hinter Millionen Frauen, die an ihrer Sexualität arbeiten.“ Um zu unterstreichen, dass nicht in Stein gemeißelt ist, was Menschen begehren und was sie erregt, gibt Ehrlich ein Beisspiel aus ihren Therapien:
Sogar Frauen, die in der Vergangenheit gewaltvollen Sex erlebt und als normal betrachtet hätten, seien in der Lage, die „erlernte Verknüpfung von Gewalt/Unterwerfung mit Sexualtiät/Erregung“ zu hinterfragen – und aufzulösen. Das sei schwierig und mitunter ein langer Prozess. „Aber Veränderung ist möglich.“ Die Voraussetzung dafür sei zu begreifen: „So wie ich das gelernt habe, ist das für mich nicht optimal“, so Ehrlich.
Männer, die sich Mühe geben
Mit Männern, die sich Mühe geben, kennt sich auch Sexualwissenschaftler Kim Posster aus Leipzig aus. Er forscht und schreibt zu kritischer Männlichkeit. Das A und O sei, dass jeder – „also wirklich jeder“ – bei sich selbst anfange. „Auch wenn man denkt: Die anderen Männer sind schlimm! Aber ich bin ja anders.“ Posster schildert deshalb eine Situation aus seinem eigenen Intimleben, durch die er viel gelernt habe. Vor vielen Jahren habe er mal mit einer erfahreneren Frau geschlafen. „Ich war sehr gestresst, ob es schön für sie ist“, gibt er zu. Beim Kuscheln danach habe er laut vor sich hin gegrübelt, ob er gut gewesen sei. Entgeistert habe sie ihn angesehen: „Warst du gerade dabei?“
Statt ihm die Bestätigung zu geben, auf die er gehofft hatte, machte sie ihm damit klar, dass er sie überhaupt nicht wahrgenommen habe. Sonst hätte er ja bemerkt, wie sehr sie den Sex genossen hat. Posster machte ihre Reaktion aggressiv. Sie trat mit ihrer eigenen Sichtweise auf. Er erschrak über sich selbst und kam so zu einer Erkenntnis: „Ich wollte mir eigentlich gar nichts von der Frau sagen lassen.“
Im Rückblick ist er dankbar für Erfahrungen wie diese. Sie hätten ihm gezeigt: „Auch ich trage misogyne Anteile in mir.“ Posster fordert: „Statt Sexpartnerinnen als schmeichelnde Spiegel zu benutzen, müssen Männer sich auf Frauen als eigenständige Personen einlassen.“ Dazu gehört, dass sie im gleichen Moment etwas ganz anders fühlen können als man selbst, die gleiche Situation ganz anders wahrnehmen können.
Zentral sei, dass Männer endlich von alten Skripten ablassen. Diese werden unter anderem, aber nicht nur, von Mainstream-Pornos verbreitet. Wie könnte die Veränderung praktisch aussehen? „Das kann heißen: Ich kann als Mann auch mal der ‚kleine Löffel‘ sein, also mich von der Frau in den Arm nehmen lassen“, sagt Posster. „Es kann heißen, als Mann viel mehr zu stöhnen. Oder es kann heißen, eine Zeitlang komplett auf Penetration zu verzichten, damit Raum entsteht herauszufinden, was einem noch alles gefällt.“
Dem entgegen stehe oft Angst. Angst, die Kontrolle zu verlieren, Angst vor negativen Gefühlen. „Aber auch Unsicherheit oder Scham gehören eben dazu. Männer sollten lernen, das auszuhalten und besser damit umzugehen“, findet Posster. Das würden sich auch Paula und Fiona wünschen. „Es ist ja überhaupt nicht schlimm, wenn mal etwas schiefläuft oder man nicht on the same page ist, nur leider gehen Männer damit oft nicht cool um. Und das ist eigentlich das Nervige.“
Possters letzter und wichtigster Tipp lautet: „Sucht nicht nach Tipps!“ Sonst wiederhole sich immer weiter die falsche Logik, dass Männer versuchen, Leistung zu bringen, statt loszulassen und zu wagen, mit einem anderen Menschen gemeinsam etwas Neues zu erleben.“
Was Frauen wollen
Penelope
„Was ich noch nie verstanden habe, ist, dass Männer beim Lecken, wenn ich etwas zurückrutsche, weil sie sie es übertreiben, sofort nachrutschen. Und das nicht nur einmal!“, lacht die 33-jährige Penelope, Mutter, Krankenpflegerin und Medizinstudentin aus Ludwigshafen. Intim war sie in ihrem Leben mit neun Partnern, meist in festen Beziehungen. „Das mit dem Nachrutschen haben bestimmt sechs von denen gemacht.“ Egal, wie innig sie mit einem Mann gewesen sei, hätten diese oft ihre nonverbalen Signale oft nicht verstanden.
Außerdem stört sie, wenn Männer beim Versuch, „in meine Vagina einzudringen, den Eingang nicht finden“. Das an sich sei noch kein Problem. Gefühlvoll danach zu suchen könne Teil des Spiels und sehr schön sein. „Aber stattdessen benutzen die dann immer sofort Kraft“, ärgert Penelope sich. „Dieses Rumgestocher ist echt unangenehm.“
Mary
Mary wohnt in einem Dorf an der Weinstraße. Sie ist 41, Krankenschwester, seit 20 Jahren verheiratet und hat fünf Kinder großgezogen. Über Sex spreche sie – mit ihren Freundinnen – sehr offen. Bei der Frage, was sie im Bett stört, bricht sie in Lachen aus. Wie kommt’s? Schämt sie sich etwa doch? „Nee, aber wo soll ich da bloß anfangen?“
Dann zählt sie auf: In ihrer Ehe habe jede Leidenschaft gefehlt „oder wenigstens ab und zu ein Stellungswechsel, eine Pause, mal kurz quatschen oder lachen und dann nochmal von vorne“. Dass er mal fragt, was sie überhaupt mag, darauf hat Mary 20 Jahre lang vergeblich gewartet. Sie räumt ein, dass sie sich früher nicht getraut hätte etwas zu sagen. „Ich habe eben meine ehelichen Pflichten erfüllt.“
Nach 20 Jahren hat ihr das gereicht. Sie hat sieben lange Gespräche mit ihrem Mann geführt. Ohne, dass sich etwas geändert habe. Inzwischen hat sie ihn, auch deshalb, verlassen. Ihr neuer Lover sei ganz anders – und sie endlich erfüllt.
Jenny
Jenny ist 48, aus Dresden, dreifache Mutter und Autorin. Seit Jahren lebt sie in einer glücklichen Partnerschaft. Dabei sei ihr Freund „manchmal fast schon zu einfühlsam und sanft“. Ihn zu einem anderen Sex-Modus anzustiften, habe sie schon lange aufgegeben. Trotzdem ist sie zufrieden. Schwierig sei für sie eher der fehlende Rückzugsraum mit den Kindern in einer beengten Wohnung.
Jenny, 48
„Jedes Mal, wenn ich guten Sex mit Männern hatte, dachte ich: Da war eine Frau am Werk. Danke, liebe Vorgängerin! Woher sonst soll er es auch wissen?“ Sie ist überzeugt: Erfahrung mache besser, niemand lerne allein aus Büchern. „Ich denke deshalb, dass es schon etwas nützt, Männern Feedback zu geben“. Aber, gibt sie zu: „Ich selbst habe mich das nicht immer getraut, weil ich weiß, wie schnell viele davon verletzt sind.“
Ein anderer Grund sei, dass einige sexuelle Begegnungen für sie so schlimm gewesen sind, dass sie nur noch weg und nie wieder mit dem Mann sprechen wollte. „Zum Beispiel als ich einmal für eine Verabredung extra in ein anderes Land gereist bin.“ Er habe sehr gut ausgesehen, Frauen respektiert und sich große Mühe gegeben. „Aber danach war ich verletzt. Also physisch. So fest hat er an mir gerubbelt.“
Mareike
Dass ihr Date mal den Mund aufmacht, das hätte sich Mareike, 27, Projektmanagerin aus Frankfurt, gewünscht, als neulich das Kondom in ihrer Vulva verloren ging. Sie habe das erst nicht bemerkt. Er schon. „Aber er hat einfach weitergemacht und dann angefangen neben seinem Penis mit seinen Fingern in mir herumzustochern.“ Das sei extrem unangenehm gewesen. In diesem Moment hätte sie sich gewünscht, dass er sagt, was los ist, und ihr überlässt, wie sie nun vorgehen wolle.
Eigentlich hätte sie sich eine kleine Entschuldigung erhofft, da das „echt unangenehm“ für sie gewesen sei. „Stattdessen aber musste ich ihn auch noch beruhigen!“ Ja, sie verhüte, mit einer Hormonspirale, keine Sorge. Was mit Verhütung ist, sollten Männer vor dem Sex klären. „Dass sie das nicht tun, ist ja auch ein Klassiker.“
Danach habe er einfach weitergemacht, doch ihre Stimmung war dahin. Nach zwei Stunden sagte sie: „Ich kann nicht mehr“, da sie körperlich erschöpft gewesen sei und „nur noch schlafen wollte“. Unzufrieden war sie mit 10 von 15 Sexpartnern in ihrem Leben. „Mittlerweile bin ich aber in einer Beziehung mit einem tollen Partner.“
Fiona
Fiona und ihr Date, das sie über die Plattform Bumble kennengelernt hat, waren sich von Anfang an einig: „Es ist hot, vor dem Küssen zu fragen, ob das gerade cool wäre.“ Sie ist 28, glücklicher Single und lebt in Freiburg. Bei ihrem ersten Treffen unterhalten sie sich über ihre vergangenen Beziehungen, Geschlechterklischees und Männlichkeit. „Ich mochte seine entspannte Art, es hat sich direkt super vertraut angefühlt.“
Sie schlafen miteinander. Mehrmals. „Das war der Hammer! Ich habe es so genossen“. Besonders gefallen habe ihr die Abwechslung, wer jeweils den aktiveren Part einnimmt. Doch bei einem der nächsten Treffen sei „der Vibe plötzlich ganz anders“ gewesen. Er empfängt sie nicht an der Tür, sondern im Bett liegend, bietet ihr nichts zu trinken an und verkündet: „Heute ist Chill-Tag. Leg dich zu mir!“ Imperative, Rummachen, Ausziehen.
„Er hat dann ziemlich schnell meinen Kopf runtergedrückt, so dass ich ihm einen Blow-Job gebe“, berichtet sie. Als sie an seinem „ekligen Geruch“ bemerkte, dass er nicht einmal geduscht hatte, habe sie sofort aufgehört. Doch es ging weiter, irgendwann nahm er sie von hinten, drückte ihr Gesicht fest ins Kissen. Sie habe sich nicht gewehrt, nicht „Nein“ gesagt. „Das war nicht schmerzhaft, also nicht körperlich.“ Aber sie habe sich „benutzt“ gefühlt. Besonders enttäuscht sei sie über den Kontrast zu den Treffen davor. Sie erklärt sich das so: „Der dachte sich wohl: ‚Wir haben genug gedated, ich habe mir lang genug Mühe gegeben, jetzt nehme ich mir einfach, was ich will.‘“
Tessa
Tessa, 35, ist Führungskraft in einem internationalen Unternehmen. Kürzlich hatte sie eine Affäre mit einem Mann, der „unglaublich gut küsste“. Sie mussten das Ganze geheim halten. „Das war aufregend, auf so was stehe ich ja voll.“ Aber sobald sie unter sich waren und es losging, sei jede erotische Spannung weg gewesen. „Der hat nur noch Schema F abgespult: Blasen, Lecken, Penetrieren, fertig“, ärgert sie sich.
Ihre Erklärung: „Der guckt halt stupide Pornos und versucht das dann nachzumachen.“ Gegen Pornos habe sie überhaupt nichts, betont Tessa. „Aber aus Mainstream-Pornos übernehmen Typen misogyne Haltungen und langweilige Skripte.“ Sie verstehe nicht, warum Männer sich nicht endlich gute Pornos gönnten. „Ach, und eins noch“, schiebt sie hinterher: „Harter Sex ist auch mal geil, aber mich nervt, wenn stures Rammeln zur Routine wird.“
Paula
Paula, 34, schläft alle paar Wochen mit einem anderen Mann. Auch wenn sie in einer Partnerschaft ist. „Aber gerade hier in Berlin und beim Online-Dating geben die Kerle sich oft überhaupt keine Mühe“, schimpft sie. Sie stehe „weder auf egoistische und dominante Arschlöcher noch auf unterwürfige Sklaven“. Im Bett wünscht sie sich mehr „selbstbewusste, erwachsene Männer“.
Erotik sei für sie vor allem ein Spiel, bei dem Spannung wichtig sei. Es bringe sie um den Verstand, wenn Männer sich so richtig gehen ließen, sodass sie mitbekomme, wie nach und nach die Erregung ihres Gegenübers ansteige. „Das kann durch Worte, durch einen Blick oder auch nur durch ein einziges heftiges Ausatmen sein.“ Sie mag, es geteased zu werden, zum Beispiel wenn ihr die Berührung, nach der sie lechze, einen Augenblick lang vorenthalten werde.
Anstrengend findet sie, wenn Männer unbedingt wollen, dass sie kommt. Das habe sie in den letzten Jahren häufig erlebt – und nur auf den ersten Blick passe es überhaupt nicht zur „Egonummer, die viele abziehen: Egal, wie die Typen sich vorher aufführen: Am Ende musst du kommen. Als ob die den Orgasmus der Frau als Beleg dafür brauchen, dass sie gute Lover sind.“
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