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Feminismus und GeldMehr schenken in der Freundschaft

Warum führen wir kein gemeinsames Konto mit der besten Freundin? Zusammenhalt kann Abhängigkeit von Staat und Patriarchat verkleinern.

Warum nicht über Geld reden? Foto: Ralph Peters/imago

ber Geld spricht man nicht. Zum Glück ist das, zumindest um mich herum, vorbei. Ich spreche oft über Geld. Von Freun­d:innen weiß ich, wie viel sie verdienen, und frage Bekannte, was sie für angemessene Honorare halten. Für uns ist das selbstverständlich geworden, weil nur dieses Wissen uns davor schützt, besonders als junge Frauen, als Menschen mit Migrationsgeschichten, unfair bezahlt zu werden.

Manchmal sprechen wir auch darüber, was wir mit unserem Geld machen, was wir uns gekauft haben oder wofür wir sparen. Und manchmal sagen wir uns, dass gerade fast keines da ist. Nur über eines sprechen wir kaum: über Geld in unseren Freundschaften. Wenn aus zwei Menschen ein Paar wird, dann merkt man das daran, dass sie nun zusammen nach Hause gehen – und nur noch eine:r für beide zahlt. Wir gehören zusammen! Fühlt sich schön an, mache ich auch. Irgendwann habe ich mich aber gefragt: Warum schmeiße ich fast nie für eine Freundin mit? Wir gehören ja auch zusammen! Warum eröffnet man mit seinem Liebespartner ein Konto, aber nicht mit seiner besten Freundin?

Ich bin es nicht gewohnt, zusammen Cappuccino zu trinken, und dann zahlt jeder 3,20. Aber was wir machen, heißt: Ich zahle heute, du nächstes Mal. Ist eigentlich auch nur: Jede:r zahlt für sich. Wie viel schöner wäre es, wenn wir auch in Freundschaften mehr teilen? Wenn ich gerade mehr verdiene, klar, lade ich dich ein.

Und sagen zu können: Ich bin gerade eher pleite, aber ich würde trotzdem mit ins Theater. Kannst du das übernehmen? „Geben stärkt Gemeinschaft“, schreibt bell hooks in ihrem wirklich besonderen Buch „all about love“. Etwas für jemand anderen herzugeben, beschreibt sie als eine Dimension von Liebe, die einen auch selbst erfüllt. Aber es ist nicht nur das: Es ist auch eine Frage von Macht – und dieser etwas entgegensetzen zu können.

Kapitalismus und Patriarchat greifen zusammen

bell hooks beschreibt, wie Großfamilien an Bedeutung verloren. „Kapitalismus und Patriarchat haben als Unterdrückungsstrukturen über die Zeit zusammengearbeitet, um diese größere Einheit zu untergraben und zu zerstören“, schreibt sie. Erst so seien Kleinfamilien zur primären Organisationsform geworden, oft beherrscht und deshalb abhängig vom Vater. „Diese Abhängigkeit wurde, und ist, der Nährboden für Machtmissbrauch“, schreibt hooks.

Großfamilien oder Menschen ohne Blutsverwandtschaft, die sich unterstützen, auch finanziell, können Abhängigkeiten verkleinern: von Männern, aber auch von Banken und vom Staat, von Eltern und Herkunftsverhältnissen. Warum schmeißen wir nicht als Freund:innen zusammen, damit sich eine von uns ein neues Fahrrad kauft, das Startkapital für einen Kredit für ihr Business zusammenhat oder ein Buch schreiben kann, ohne nebenbei arbeiten zu müssen? An vielen Orten der Welt ist es normal, sich unter Verwandten Geld zu borgen und zu schenken. Wir können auch als Freund:innen davon lernen.

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Susan Djahangard
Susan Djahangard arbeitet von Hamburg aus als freie Journalistin. Für die taz schreibt sie vor allem die Kolumne "Sie zahlt" über Feminismus, Geld und Wirtschaft.
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6 Kommentare

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  • „Kapitalismus und Patriarchat haben als Unterdrückungsstrukturen über die Zeit zusammengearbeitet (...)" (Bell Hooks)

    Weder Kapitalismus noch Patriarchat haben jemals irgend etwas gemacht - und schon gar nicht "gearbeitet". Das ist von jeher der Job derer, die über kein Kapital verfügen - und dies völlig unabhängig von deren Geschlecht.

    "(...) zusammengearbeitet, um diese größere Einheit (Großfamilie) zu untergraben und zu zerstören“ (Bell Hooks)

    Großfamilien waren die Grundstruktur in Agrargesellschaften und diese damit die Basis des Patriarchats. Erst mit der Industrialisierung, also mit dem entstehenden Kapitalismus entstand aus neuen ökonomischen Voraussetzungen die Kleinfamilie. Mithin ist der Kapitalismus auch der Hauptgrund für den Untergang des Patriarchats.



    (Kleiner Grundkurs Politische Ökonomie)



    Hooks Off!

  • Solidarität? Ja gerne! Und den Frauen ist so etwas wohl auch eher zuzutrauen als Männern. Eben weil vielleicht Macht- und Hierarchie- Denken bei Frauen eine geringere Rolle spielen. Bislang verzichten und teilen aber nur wenige und fast immer nur einzelne Menschen. Völlig falsch und abwegig ist daher der Gedanke die Abhängigkeit vom Staat verringern zu wollen. Der Staat ist nicht nur Instrument von Solidarität und sozialer Sicherheit, es werden dabei auch, genau wie gefordert, die Reicheren stärker herangezogen. Und die Unterstützung kommt aus einem definierten Recht und nicht aus Sympathie. Sie kommt ohne Dankbarkeit zu erwarten, ohne persönliche Abhängigkeitsgefühle zu erzeugen, ohne bestimmte Gruppen zu bevorzugen. Das ist natürlich auch noch sehr verbesserbar aber doch trotzdem gut, durch privates Handeln ergänzbar aber auf keinen Fall ersetzbar.

  • Tja, so kann auch bell hooks mal daneben liegen.

    Die Definition gemäß Duden für "Patriarch" ist:



    "ältestes männliches Familienmitglied oder Mitglied eines Familienverbandes (!), das als Familienoberhaupt die größte Autorität besitzt"

    Der Patriarch braucht also die Großfamilie, um überhaupt Patriarch sein und seine patriarchalische Macht ausüben zu können.

    Übrigens kommt etwa der Historiker Bernhard Jussen am Beispiel der Franken zum genau gegenteiligen Schluss:



    Die bei den Franken übliche Kleinfamilie führte zu einem bilateralen Verwandschaftssystem mit einer stärkeren Stellung der Ehefrau und ist der Grund, warum Ehrenmorde, Mädchentötungen und Cousinenehen nicht verbreitet waren.

    Damit wurde das römische Gesellschaftssystem, das auf männliche Verwandschaftslinien, Ahnenkult und eine starke Stellung der Hausväter - der Patriarchen - umgekrempelt.

    Deshalb konnten sich nach Jussen im westlichen Europa relativ schnell konkurrierende Sozialformen, wie Gilden, Bruderschaften und Grundherrschaften (laut Jussen in dieser Form eine fränkische Erfindung), bilden.

    Wenn die Autorin sich also ein Konto mit ihrer Freundin teilen will, folgt sie im Sinne Jussens exakt der an Kleinfamilien orientierten Tradition des lateinischen Europas, indem sie eine alternative Sozialform zur Großfamilie nutzt.

  • Und wenn man sich dann so schön zusammenschmeist und innerhalb von 10 Jahren mehr als EUR 20.000 von A nach B wechseln, dann wird für jeden weiteren EUR mind. 30 Prozent Schenkungsteuer fällig. Und bei jedem noch so kleinen weieren Transfer ist ne Steuererklärung abzugeben.

    Hat sich bell hooks zu diesem Problem der Gemeinschaftskonten irgenwie geäußert?

  • „Kapitalismus und Patriarchat haben als Unterdrückungsstrukturen über die Zeit zusammengearbeitet, um diese größere Einheit zu untergraben und zu zerstören“...

    Ist denn in Gesellschaften, die durch Großfamilien geprägt sind das Patriarchat besiegt? Und warum sollte das Patriachat an der Zerstörung von Großfamilien interessiert sein? Die Macht des Patriachats wird dadurch doch ehe kleiner. Die Stellung von unabhängigen Frauen in Gesellschaften mit patriarchalischen Großfamilien ist sicherlich nicht besser als in der hiesigen Gesellschaft. Wo kann eine Frau eher selbst entscheiden, was sie mit ihrem Geld/Zeit/Leben machen möchte? Und verhindert die Großfamilie Abhängigkeit und Machtmissbrauch? Das zentrale Argument des Artikels zieht nicht.

    Der Kapitalismus verbietet ja auch nicht das Zusammenleben in Großfamilien (z.B. Familienbetriebe) die Notwendigkeit ist aber nicht mehr gegeben wie z.B. landwirtschaftlich geprägten Gesellschaften. Aber gut, dass die Kapitalisten trotzdem schuldig sind.

  • "bell hooks beschreibt, wie Großfamilien an Bedeutung verloren. „Kapitalismus und Patriarchat haben als Unterdrückungsstrukturen über die Zeit zusammengearbeitet, um diese größere Einheit zu untergraben und zu zerstören".

    Nach dieser Logik wären Großfamilien (wie Clans u. dgl.) nicht vom Patriarchat beherrscht. Steile These. Der Beleg durch die Realität würde mich interessieren.