Fahrverbotsurteil zu Diesel-Fahrzeugen: Grüne Regierung gegen Gesundheit
Das Land Baden-Württemberg legt gegen das Diesel-Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart eine Sprungrevision ein. So wird Zeit gewonnen.
Der Rechtstreit entstand, weil in Stuttgart (und vielen anderen Städten) die Grenzwerte für Stickoxide schon seit Jahren überschritten werden. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verklagte deshalb das Land, es solle den Luftreinhalteplan für Stuttgart verschärfen.
Ende Juli gab das Verwaltungsgericht Stuttgart der DUH recht. Das Land müsse seinen Maßnahmenplan nachbessern. Einzig erfolgversprechende Maßnahme sei dabei ein generelles Fahrverbot für Dieselfahrzeuge unterhalb der Schadstoffklasse 6 im gesamten Stadtgebiet, so das Gericht.
Große Teile der Grünen wollten, dass das Land dieses Urteil akzeptiert. Denn natürlich ist es peinlich, wenn ausgerechnet eine von den Grünen geführte Landesregierung gegen ein konsequent an der Gesundheit orientiertes Urteil Rechtsmittel einlegt.
Ähnliches Verfahren in Leipzig
Die CDU wollte jedoch, dass das Land in Berufung geht. Dann wäre der gesamte Prozess vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim noch einmal neu aufgerollt worden. Argument der CDU: So hätten auch die von der Autoindustrie beim Dieselgipfel Anfang August versprochenen Software-Nachbesserungen berücksichtigt werden können. Allerdings hatte das Land solche Software-Lösungen bereits im VG-Verfahren ins Spiel gebracht und das Gericht hatte sie als völlig ungenügend abgelehnt. Vermutlich ging es der CDU auch eher um maximalen Zeitgewinn.
Nun einigte sich die grün-schwarze Koalition auf einen Mittelweg, den auch schon das VG empfohlen hatte. Das Land legte Sprungrevision ein und brachte den Rechtstreit direkt vors Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dort geht es nur noch um Rechtsfragen. Im Mittelpunkt steht dann wohl eine eher banale Frage: Kann das Land Fahrverbote für Dieselfahrzeuge anordnen, solange der Bund sich weigert, die entsprechenden Verkehrszeichen (blaue Zone) hierfür einzuführen.
Ein ähnliches Verfahren wird bereits Anfang 2018 in Leipzig verhandelt. Dann geht es um die Luftreinhaltung in Düsseldorf. Auch dort muss geklärt werden, mit welchen Verkehrszeichen Dieselfahrverbote angeordnet werden können.
Die Lage könnte sich jedoch schlagartig ändern, wenn die Bundes-Grünen in einer Jamaika-Koalition durchsetzen, dass es künftig Verkehrsschilder für eine strenge blaue Umweltzone gibt. Dann könnte sich die Stuttgarter Landesregierung nicht mehr hinter den fehlenden Schildern verstecken. Sie müsste Farbe bekennen, ob ihr die Interessen der Diesel-Fahrer und -Hersteller wichtiger sind oder die der Anwohner von Autoverkehrsachsen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja