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FDP nach der Brandenburg-WahlDie Liberalen suchen den Ausweg

Cem-Odos Gueler
Kommentar von Cem-Odos Gueler

Nach ihrer krachenden Wahlniederlage sucht die FDP in der Ampel die Schuld und stellt eine Art Ultimatum. Will sie so von eigenen Konflikten ablenken?

Was nun? Christian Lindner (l) und Zyon Braun, brandenburgischer Spitzenkandidaten der FDP, nach der Landtagswahl in Brandenburg

D as muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: In Brandenburg erhielt die FDP bei den Landtagswahlen nur etwa 10 Stimmen mehr, als es dort ungültige Wahlzettel gab. Mit 0,8 Prozent beenden die Liberalen ihre Pleiteserie bei den Landtagswahlen mit ihrem bislang historisch schlechtesten Zweitstimmenergebnis.

Hätte das Wahl-Bundesland in Westdeutschland gelegen, wäre das ein Grund für die FDP gewesen, die Arbeit in der Ampelregierung in Berlin bereits jetzt zu beenden.

Doch so bleiben die Liberalen bei ihrer schon nach der Sachsen- und Thüringen-Wahl erprobten Strategie, die Koalitionspartner mit Drohgebärden vor sich herzutreiben.

Ampel-Aus am 21. Dezember?

Christian Lindner hatte dafür am Montag diese Formel parat: Es gelte jetzt, Mut zu beweisen – entweder für die weitere Arbeit in der unliebsamen Koalition oder, um „eine neue Dynamik zu entfachen“.

Nach einem Datum gefragt, wann der Mut zum gemeinsamen Regieren auch in blanke Angst umschlagen könnte, auf ewig für die Arbeit in der Ampelregierung in Mitverantwortung gezogen zu werden, nannte der FDP-Chef spontan den kalendarischen Winteranfang am 21. Dezember.

Liberale Uneinigkeit

Unklar ist, ob die Regierung die Hürden bis dahin überhaupt nehmen kann. Zudem ist die FDP sich bei einem entscheidenden Thema auch intern uneinig: Lindner hält das Rentenpaket, das am Freitag im Bundestag debattiert werden soll, insgesamt für zustimmungsfähig. Doch seine Fraktion verlangt Änderungen, mit der die Kapitalmarktdeckung der Rente noch weiter vorangetrieben wird. Wäre es da nicht viel leichter, die Koalitionspartner als Sündenbock für die innerparteiliche Diskussion zu nutzen und die Regierung platzen zu lassen?

Auch in der FDP weiß man, dass leere Drohungen auf Dauer die eigene Substanz ebenso sehr aushöhlen wie zu volle Versprechungen. Neben der Frage, ob sie weiterregieren wollen oder nicht, müssen die Liberalen daher erst mal für sich beantworten, wie sie aktuell in dieser Auseinandersetzung ihre Glaubwürdigkeit behalten wollen.

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Cem-Odos Gueler
Parlamentsbüro
Berichtet seit 2023 als Korrespondent im Parlamentsbüro der taz unter anderem über die FDP und die Union. Studium der Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Köln, Moskau und London.
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23 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Vermutlich spekulieren die sowieso darauf das sie mit einem guten Marketing Konzept und genügend Geld um überall Präsent zu sein, schon noch über 5 % kommen werden.



    Der Gedanke wäre zumindest Nachvollziehbar, da es ja schon ein paar mal so lief.

    Ich denke nur auch, das sie dabei die aktuelle politische Lage des Landes falsch einschätzen. Bei den nächsten beiden Bundestagswahlen (in 1 und in 5 Jahren) wird vermutlich ne Rekord Wahlbeteiligung zu verzeichnen sein.



    Und Unentschlossene die früher dann vllt mal FDP wählten weil es nichts anderes gab, wird es nur wenig geben.



    Ich glaub nicht das diese Unentschlossenen Wähler überhaupt noch FDP wählen würden, und ebenfalls glaube ich nicht das sie noch mehr als 5 % ausmachen...

    Unvergessen bleibt bei der FDP natürlich auch ihre Slogans alla "wir sind die Partei der Besserverdienenden" oder ihre ganz offene Käuflichkeit bei der Hotelier Geschichte vor einigen Jahren.



    Somit ist ihnen der Untergang gegönnt und wohl verdient :-)

  • Diese Partei ist komplett LOST, sie will es nur noch nicht wahrhaben. Ihre einzige Aufgabe sieht sie im Bruch des Koalitionsvertrages (Bsp Tariftreuegesetz) und der Aufkündigung so gut wie aller mühsam ausgehandelter Kompromisse. Sowas wählt nicht mal mehr ein Firmenchef, weil der versteht, wie wichtig Vertragstreue ist.

    Lindner hatte ja schon seine eigene Firma an die Wand gefahren, er kann offenbar nicht anders.



    Das Verrückte ist, daß die FDP nicht kapiert, dass sie als Kleinstpartei nicht ihre neoliberale Ideologie zu 100% durchsetzen kann.

    Da die Bündnisgrünen die Blockaden selbst täglich erleben und sehr genau wissen, daß die FDP allein aus Prinzip alles sabotiert, ist jetzt die einzig interessante Frage, was am Ende mehr schadet: Das Aufkündigen einer vorhersehbar komplett sinnlosen "Koalition", oder der vorhersehbare zermürbende Endlosstreit in der Ampel bis zum regulären Wahltermin.

    Ich glaube, dass ein gut kommunizierter Austritt aus der Ampel weit weniger Schaden anrichten würde...

  • FDP-Wähler wollen keine Partei, die lediglich als Mehrheitsbeschaffer rot-grüner Politik dient und ansonsten vielleicht die allerschlimmsten Exzesse minimal abmildert.



    Denn würden sie das wollen, würden sie ja ohnehin SPD oder Grüne wählen.



    Von daher macht es keinen Sinn für die FDP, auch nur einen Tag länger in der Ampel zu bleiben, wenn man von Diäten, Pensionsansprüchen, Beförderungen und Verbeamtung von Parteigenossen etc. einmal absieht.

  • Die FDP macht seit zwanzig Jahren Politik für die reichsten 1% der Bevölkerung. Also ist ein Stimmenanteil von 0.8% angemessen, ja sogar ganz gut: Sie werden von 80% ihrer Klientel gewählt. Schade nur, dass es nicht über 5% Millionäre gibt. Zumal ja auch noch andere Parteien den Filthy Rich forciert in den Anus kriechen: Die AFD mit Substanz, formerly known as CDU, hat sogar einen waschechten Black Rock zum Chef gemacht! Und auch AFD Nazis und BSW sind bei den Stinkreichen recht beliebt, wie es die Millionenspenden beweisen. Das Marktsegment in Arschkriecherei ist einfach überlaufen.

  • Besser nicht regieren als schlecht regieren. Die FDP hat sich ihre Niederlagen selbst zuzuschreiben.

  • Selbstauflösung wäre die beste Lösung, mit dem derzeitigen Personal kann man nichts anfangen, die wissen immer nur wie es nicht geht und wollen die Privilegien der Privilegierten ausbauen.



    Ansonsten Ideen, die sich nicht mal Retro-Merz zu äußern traut. Mir graut schon immer wenn ich in der Regionalzeitung die dümmlichen Anmerkungen von Lokalpolitikern dieser Partei lese und die arroganten Gesichter dazu sehen muss.

  • So, so - die Kirmespartei FDP macht die Ampel nahezu alleinverantwortlich. Denken diese Egomanen auch daran, dass sie es waren/sind, die getroffene Vereinbarungen immer wieder unterlaufen? Denken sie auch daran, dass sie es sind, die die Ideologie der Schuldenbremse aus allein populistischen Gründen hochhalten? Wider jeden gesunden Wirtschaftsverstand? Sehen sie auch die Tatsache, dass sie NUR und AUSSCHLIEßLICH ihre eigene Klientel bedienen? Haben die auf dem Schirm, dass die ehemals "freie" Partei zu einem Lobbyhaufen geschmolzen ist? Erkennen sie auch, dass sie aus nicht nur diesen Gründen gegen jede Massnahme in Sachen Klimaschutz sind - gegen den Willen der Mehrheit in der Bevölkerung? Die Wähler*-innen sind nicht ganz so blöd, wie sie offenbar von dieser Ex-Partei eingeschätzt werden.

  • 0,8 Prozent

    Gegen die Kräfte des (Wählenden-)Marktes sind selbst Christian Lindner und Wolfgang Kubicki machtlos...

  • "Neben der Frage, ob sie weiterregieren wollen oder nicht, müssen die Liberalen daher erst mal für sich beantworten, wie sie aktuell in dieser Auseinandersetzung ihre Glaubwürdigkeit behalten wollen."

    welche Glaubwürdigkeit?

  • @2CENTS MORE

    Volle Zustimmung. Kann weg. Könnte von mir aus zurück, wenn sie damit aufhört, Freiheit für den Menschen mit Freiheit für den Geldbeutel zu verwechseln

  • Lindner hat doch völlig Recht. Ohne die Ampel wäre die FDP gar nicht in der Situation, dass der Wähler auch die Konsequenzen der kruden Ideen dieser Partei sehen könnte. Auf oppositionelle Dampfplauderei beschränkt, konnten doch einige mehr glauben, was sich Lindner und Co da so zusamenfantasierten.

  • Eine Partei schafft sich ab und ich bin ihr dankbar dafür.



    Sie war mal eine wichtige Bürgerrechtspartei sowie Wirtschaftsliberal.



    Dann wurde sie eine neoliberale, also kapitalistische, Klientelpartei.



    Danach veramschte sie die sogenannte Friedensdividende, indem sie dem Neoliberal einen arroganten Spaß der Nutznießer hinzufügte.



    Derzeit geriert sich der Parteivorsitzende und Finanzminister, angesichts kaputt gesparter Infrastruktur (und sonstiger Krisen), als Verfechter einer schwarzen Null, die Mitursache für die kaputte Infrastruktur ist. Auf die Idee, Steuerschlupflöcher und Steuerhinterziehung zu bekämpfen, fällt ebenfalls in sein Ressort, kommt er nicht. Verkehrsminister und Bildungsministerin sind bestenfalls Underperformer.



    Neue Ideen oder gar Konzepte Fehlanzeige.

    • @2Cents more :

      Das ist die zutreffende Beschreibung der FDP.

  • Es läuft auf eine Westpartei hinaus, die Akzeptanz ist bei steigender Wahlbeteiligung und größerer Polarisierung noch geringer als ziemlich klein. Die Thematik der Partei trifft auf die Sorgen der Bevölkerung offenbar im Konfrontationskurs. Und abgestraft wird sicherlich auch von denjenigen, die von vollmundigen FDP-Wahlversprechen enttäuscht wurden.



    Etwas frustrierend für die Partei Genschers, der gebürtig aus dem Saalkreis stammte.



    /



    tagesspiegel.de 22.08.24



    "Der Literaturprofessor Dirk Oschmann, mit dem der Parteichef und Bundesfinanzminister in seinem neuen Podcast spricht, bescheinigte FDP wie Grünen eine notorische Erfolglosigkeit in Ostdeutschland. „Die FDP und die Grünen haben nie einen Fuß auf den Boden bekommen im Osten, nirgendwo, außer eben vielleicht in den größeren Städten.“ Die FDP sei eine Partei, „in der sich der Osten (...) im Großen und Ganzen nicht wiederfindet“...."

  • das problem der fdp ist doch, dass sie sich als eine partei verkauft haben, die es anpacken will und alles was die fdp jetzt an politik macht, besteht aus verhinderung, nicht gestaltung. das scheint selbst bei der kernklientel nicht mehr zu ziehen.



    wie da, aus sicht von lindner ein mehr dieser politik, die schon jetzt nicht ankommt, die wende bringen soll, das ist nicht ansatzweise nachvollziehbar.

    • @nutzer:

      Sehe ich ähnlich.

      Die FDP ist in einer strategischen Falle. Sie ist ja eigentlich teilweise von Unions-Wechselwählern abhängig.

      Konservative framen die Ampel aber (teilweise ungerechtfertigterweise) als "links". Das liberalkonservative Wechselwähler-Milieu nimmt ihr deshalb die Zusammenarbeit mit SPD und Grünen übel.

      Eine Perspektive mit einer Koalition mit der Union gibt es aber aus heutiger Sicht auch nicht mehr.

      Aus der Falle befreien könnte sie sich mit einem wie auch immer gearteten (Gesetz usw.) liberalen Herzensprojekt, das auch von Grünen und SPD unterstützt wird und gegen das auch die Union nicht "bashen" kann (im Vergleich z.B. zur durchaus urliberalen Cannabislegalisierung, die aber die Konservativen verschreckt).

      Es gäbe wahrscheinlich wenige Möglichkeiten für solch ein Projekt, aber die FDP sollte es versuchen. Grüne und SPD sollten die Partei darin unterstützen und sich auch etwas profilieren lassen.

    • @nutzer:

      das scheint selbst bei der kernklientel nicht mehr zu ziehen.

      Oder die FDP ist stimmentechnisch einfach bei der Kernklientel angekommen.



      Wieso diese Partei in ihrer marktradikal-neoliberalen Ausrichtung jemals mehr als ~1% der Stimmen bekommen hat, hat sich mir nie erschlossen.



      Es ist ja nicht so, daß die FDP noch eine wirkliche liberale Partei wäre, zumindest wäre sie mir seit langem nicht mehr als solche aufgefallen - was ich bedauerlich finde, denn gerade mit Blick auf die stetigen autoritären Tendenzen auch in der westlichen Welt wäre eine echte liberale Partei, die Bürgerrechte verteidigt, bitter nötig. Diese Positionen sucht man bei der FDP allerdings schon lange vergeblich. Die FDP hat sich längst zur Klientelpartei des oberstens Prozents der Republik gemacht, und da kommt sie bei den Wahlergebnissen jetzt an.



      Die Beteiligung an der Ampel hat diese Ausrichtung lediglich deutlich sichtbar gemacht.

  • Das Problem ist doch, das die FDP in der aktuellen politischen Lage nicht mehr gebraucht wird, weil die "liberalen Themen" in dieser Zeit irrelevant (im politischen Diskurs) geworden sind.

    Für keine der aktuell brisanten Fragen hat sie auch nur Interesse, geschweige denn eine sinnvolles Narrativ: Niedergang der deutschen Wirtschaft, Klimawandel, Migration, Weltpolitik.

  • Warum sollte die FDP in der jetzigen Situation die Koalition platzen lassen? Bei anschließenden Neuwahlen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie nicht wieder in den Bundestag einzieht. Auch die Grüne werden sich hüten den Totengräber abzugeben.

    Insofern ist es wahrscheinlich, dass dem Land das "Gehampel" bis zum Ende der Legislaturperiode erhalten bleibt. Ein verlorenes Jahr für das Land, nur die AfD wird es freuen, sie darf auf weiteres Wachstum hoffen.

    • @Sam Spade:

      Hauptsache, man sucht die Schuld nicht bei sich selbst - zumindest nicht öffentlich. Altbewährte Verdrängungsmethode, die gerade in der Politik weit verbreitet scheint.

    • @Sam Spade:

      Naja weitermachen ist für FDP halt auch keine Option, wenn Sie bei der Bundestagswahl noch 5% bekommen will.



      Sie wird irgendwie Aktionistisch aktiv werden müssen, denn sonst werden die Zustimmungswerte nicht mehr steigen.



      Gilt für alle 3 Parteien, nur ist es für die FDP existenzbedrohend sich weiter durchwurschteln zu wollen.

    • @Sam Spade:

      Soviel zu "lieber nicht regieren als schlecht regieren" ...

      • @Monomi:

        Die FDP bemüht sich doch weiterhin, nicht zu regieren - selbst als Regierungspartei.