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Experte zum Faschismus in den USA„Bei Trumps Gewalt geht es um Lust“

Was in den USA seit Trump passiert, sei klar faschistisch, meint Journalist Jeff Sharlet. Nicht nur Weiße fühlten sich davon angesprochen.

Trump vor Fans in New York 2015 Foto: Christopher Gregory/getty images
Interview von Annika Brockschmidt

taz: Herr Sharlet, Sie haben lange Zeit den Begriff „Faschismus“ gemieden, eher von extremen Rechten gesprochen, um die Bewegung zu beschreiben, die Sie beobachten. Weshalb haben Sie nun Ihre Meinung geändert?

Jeff Sharlet: Der Faschismus war in den USA immer präsent. Es gab Elemente des Faschismus, aber er konnte nicht das herrschende Paradigma werden. So viele Communities von People of Colour haben in den USA die Erfahrung gemacht, unter faschistischer Kontrolle zu leben. Viele Sheriffs haben mit faschistischer Macht geherrscht. Aber eine richtige faschistische Regierung? Nein, die würden wir nicht bekommen, dachte ich.

Warum?

Der Grund war derselbe, der die USA unter den Industrienationen so ungewöhnlich macht: die Verehrung für Gott. Und manche mögen fragen: Oh, ist dieses superchristliche, nationalistische Zeug nicht einfach auch faschistisch? Nach dem, was ich gelesen habe, ist ein Kennzeichen des Faschismus der Personenkult. Bei diesem Personenkult geht es nicht nur um eine Galionsfigur, es geht um eine Lizenz. Es braucht einen irdischen Avatar der absoluten Macht – den Übermenschen, wenn man so will –, um all die Hitlers, all die kleinen Trumps zu lizenzieren. Ich dachte, sie würden den „Vater“ nicht gegen den „Führer“ austauschen. Ich lag falsch.

Wann wurde Ihnen das klar?

2015, als Trump die goldene Rolltreppe im Trump Tower herunterfuhr, um seine Präsidentschaftskandidatur anzukündigen. Die Realität ist, dass George W. Bush und George H.W. Bush, gegen die ich demons­triert habe, keine Faschisten waren. Sie waren Imperialisten. Es gibt mehr als eine Sorte des Bösen auf der Welt. Aber als Trump die goldene Rolltreppe herunterkam – das war faschistische Ästhetik. Bis dahin hatten wir in den USA, selbst unter Reagan, nicht wirklich einen Personenkult. Wir hatten die Gründer, wir hatten den Mythos, und wir hatten die Gewalt. Aber wir glaubten an uns selbst: eine strahlende Stadt auf einem Hügel. Bei der Gewalt von Trump geht es um Lust. Es handelt sich, wie ich in „The Undertow“ zeige, um einen Kult des militanten Erotizismus.

Warum mögen weiße Evangelikale Trump, obwohl er ein dreifach verheirateter, vulgärer Mann ist, der offen über seine Affären spricht?

Ich habe genug mit diesen Leuten zu tun gehabt, um sagen zu können: Junge, die reden wirklich gerne und viel über Sex! Der Sex, den man nicht haben sollte, ist eines ihrer Lieblingsthemen, ebenso der genaue Weg zum Sex, den man nicht haben sollte – und sie können dabei ins Detail gehen. Trump gab ihnen die Lizenz dazu. Er gab ihnen die Erlaubnis für unangemessene sexuelle Gedanken. Er gab ihnen damit auch die Erlaubnis für faschistisches Gedankengut.

Bild: Foto: privat
Im Interview: Jeff Sharlet

Jahrgang 1972, ist US-amerikanischer Journalist und Autor. Er recherchiert zu religiösen Subkulturen in den USA. In seinem neuen Buch “The Undertow: Scenes From a Slow Civil War“ („Der Sog: Szenen aus einem langsamen Bürgerkrieg“), zeigt er, warum der Faschismus in den USA Fuß fasst. Dafür reiste er durch das Land und sprach mit Amerikaner*innen, die vom Bürgerkrieg träumen.

In Ihrem Buch „The Undertow“ schreiben Sie über eine Kirche in Omaha, Nebraska, in der ein weißer Pastor seine auch aus vielen People of Colour bestehende Gemeinde zum Bürgerkrieg aufruft. Wofür steht dieses Bild?

Pastor Hank Kunneman spricht von der Kirche als Miliz. Wie immer mehr Kirchen in den USA unterstützt seine Kirche Waffenbesitz nicht nur, sondern die Kirchenmitglieder haben auch Waffen. Pastor Kunneman ist zwar ein Weißer, aber in seiner auch Schwarzen Gemeinde bezeichnet er sich selbst als Schwarzen Mann. Er sagt „Ich war verloren. Ich war ein weißer Mann. Ich ging in die Schwarze Kirche und wurde wiedergeboren.“ Plötzlich befinden wir uns also in einem Raum der Wiedergeburt. Er sagt auch: „Diese Männer da hinten, diese Männer mit den Waffen, warum sind die da? Die Kirche ist bewaffnet, weil die Engel bewaffnet sind. Aber man kann die Engel nicht sehen. Wozu brauchen wir also bewaffnete Männer? Damit man sie sehen kann. Aus demselben Grund haben wir auch das Kreuz, damit man es sehen kann.“

Er setzt die Waffe und das Kreuz gleich?

Diese Leute ehren die Waffe. „Ich erkläre es euch mit Psalm 23“, sagt Pastor Kunneman, „dein Stock und dein Stab“, und dann macht er einen verdammten Elvis-Hüftschwung. Der Stab ist die Waffe und der Phallus. In dieser Vorstellung ist Schwarzsein eine Art von Sexualität, und Kunnemann besitzt diese potente sexuelle Macht auf die gleiche Weise, wie er behauptet, er habe ein Mandat für den Krieg, um die Nation zurückzuerobern. Das meint er nicht nur im übertragenen Sinne, er sagt ganz offen: „Der Krieg kommt. Wir werden einen Krieg führen, und wir werden ihn gewinnen.“

Wis­sen­schaft­le­r*in­nen wie Anthea Butler argumentieren, dass „Weißsein“ ein Versprechen von Macht ist. Es versteckt sich hinter „Farbenblindheit“, aber das macht es nicht weniger rassistisch. Es ermöglicht, BPoC in die Bewegung aufzunehmen, solange sie sich für die Aufrechterhaltung der Strukturen der White Supremacy einsetzen.

Das Wichtigste, was man über die Funktionsweise des amerikanischen Faschismus verstehen muss, ist die Art und Weise, wie er People of Colour absorbiert. Ich schreibe in „The Undertow“ über eine Kundgebung in Sunrise, Florida. Man erwartet dort Kubaner, aber man findet auch eine große venezolanisch-US-amerikanische Gemeinschaft, eine nicaraguanisch-US-amerikanische, eine große puertoricanisch-US-amerikanische Community – sie alle sind für Trump.

Was sind Ihrer Meinung nach die zentralen Ideen, die wir begreifen müssen, um das Ausmaß des amerikanischen Faschismus zu verstehen?

Ist es das Weißsein? Ist es die Klasse? Geschlecht? Misogynie? Die Erschöpfung an der Pandemie? Liegt es an den Bildschirmen? Der Klimakatastrophe? Ja, all das spielt eine Rolle. Der gemeinsame Nenner ist aber Trauer, unverarbeiteter Verlust – sei es der Verlust des Privilegs, das mit dem Weißsein einhergeht, sei es realer wirtschaftlicher Verlust, sei es der Verlust des Glaubens an die Zukunft. Ob es, wie bei Ashli Babbitt, die beim Sturm auf das Kapitol, an dem sie teilnahm, getötet wurde, die erdrückende Verschuldung ist, in der sie steckt, oder die zunehmende Obdachlosigkeit, die sie umgibt und die sie nicht verstehen kann. Menschen wie ihr fehlt eine Sprache für strukturelle Ursachen von Problemen – wenn zum Beispiel ein obdachloser Mann in ihren Garten defäkiert. Sie sagt sich dann: Ich bin des Mitleids müde, ich bin es leid, gegen den Strom zu schwimmen. Und der Sog zieht sie dann in die Wut.

Dieses Interview wurde aus zwei Gesprächen, die über einen Zeitraum von zwei Wochen stattfanden, zusammengestellt und gekürzt. Eine längere englische Version erschien bei „Religion Dispatches“.

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24 Kommentare

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  • Dass Religion, also der Glaube an einen Gott, vor Faschismus schützt, kann man nach den deutschen Erfahrungen nun wirklich seit 80 Jahren nicht mehr ernsthaft behaupten. Der ländliche Protestanismus hat der NSDAP zu ihren ersten wegbereitenden Wahlerfolgen verholfen.

  • Menschen wie Trump sei ein Survival Training empfohlen - um mal wieder die Mitmenschen schätzen zu lernen...



    Alleine wären sie nämlich nix...

  • Aha. Mordlust. nur warum und wozu? Aber egal.

    • @Land of plenty:

      Das erklärt Jeff Sharlet doch sehr anschaulich und analytisch genau am Beispiel von Ashli Babbitt im letzten Abschnitt des Interviews. Lesen Sie das noch einmal nach.



      Im übrigen arbeitet Sharlet den Zusammenhang von Trump, Faschismus, religiöser Bigotterie bzw. Fundamentalismus, Gewalt und Sexualität überzeugend heraus. Und beschreibt damit ziemlich treffend die spezifischen Charakteristika dieses US-Faschismus. Der sich dann natürlich hinsichtlich der politischen Systeme, historischen Entwicklung und gesellschaftlichen Strukturen deutlich vom Faschismus in, sagen wir, Russland, Israel und auch hierzulande* klar unterscheidet. Aber ja, es gibt auch gemeinsame, sozusagen globale Merkmale.



      * Ich habe diese Beispiele natürlich nicht absichtslos oder zufällig genannt, da wir in der taz schon heftig in anderen Kontexten über genau diese Beispiele diskutiert haben. Es geht mir dabei jedoch nicht um den „Faschismus an der Macht“, sondern um eine eher schleichende Faschisierung liberaler demokratischer Gesellschaften. (Im Fall Russlands ist das Kind natürlich schon lange in den Brunnen gefallen bzw. nie so richtig aus demselben herausgekommen, auch schon vor Putin nicht.)

  • Schade, das endet zu abrupt. Es hätte noch mehr ins Detail gehen müssen, um die Argumentation überzeugend zu machen. Die Kommentare machen das ganz deutlich.

  • "Aber als Trump die goldene Rolltreppe herunterkam – das war faschistische Ästhetik."



    Glasklare Analyse. Wer erinnert sich nicht noch an Hitler auf der goldenen Rolltreppe.



    Aber ernsthaft, man sollte nicht derart leichtfertig und analytisch unterbelichtet mit Kategorien wie Faschismus operieren. Schon gar nicht wenn man diesen Begriff ganz und gar auf eine gewisse megallomane Ästhetik und Gewaltaffinität verkürzt, gleichzeitig aber eine ganze Reihe von Definitionsmerkmalen nicht einmal am Rande erwähnt. Etwa den Umstand, dass die radikale US-Rechte kaum ein Interesse an einer Gleichschaltung von Gesellschaft und Medien haben dürfte weil die extreme Polarisierung der Gesellschaft genau das ist was sie am Leben erhält. Ebenfalls dürfte eine autoritär-korporatistische Wirtschaftspolitik so ziemlich das Letzte sein wofür sich amerikanische Alt-Right-Fans erwärmen dürften. Und das anti-individualistische Mitmarschieren in einer uniformierten Massenbewegung und die vollkommene und bedingungslose Unterordnung eigener Belange unter die Interessen der 'Volksgemeinschaft' scheint mir mit dem US-Narrativ der nahezu unbeschränkten persönlichen Freiheit ebenfalls schwer vereinbar. ...



    Kurz, eine goldene Rolltreppe macht noch keinen Faschismus.

    • @Ingo Bernable:

      "Polarisierung"?

      Das ist leider verharmlosend. Die US-Rechte lebt derzeit vor allem von Hass, geschürt durch gezielte Dessinformation und Propaganda.

      Hier ein Beispiel: Gesetze gegen Schwule, Lesben und vor allem die Hetze gegen Trans und Dragqueens.

      Hier wird einfach behauptet diese seien pädophil und würden Kinder/ Jugendliche gezielt manipulieren (grooming).

      Und das obwohl es zur gleichen Zeit in den USA immer noch Befürworter von Kinderehen gibt... unter den Reps.

      Alles ist gut so lange es ein Mann und eine Frau sind.

      Wenn Sie Zeit und Lust haben auf Details empfehle ich dazu sehr diesen Beitrag von "some more news": www.youtube.com/watch?v=6wHva3JXPh0

      Jegliche Sexualkunde wird dämonisiert, Bücher in Schulen und öffentlichen Bibliotheken verboten, entfernt und verbrannt.

      Dann noch die Hetze gegen "Woke".

      Eine Gleichschaltung der Medien, auf der rechten Seite, ist sehr wohl zu beobachten in den USA. Sind diese nicht rechts genug entstehen eben noch radikalere Plattformen.

      Was war/ ist bitte MAGA wenn nicht eine unifomierte Massenbewegung?

      Ja die USA sind individualistisch und die Rechten hassen den "Staat".

      Die eigenen Interessen werden jedoch sehr wohl untergeordnet, wenn auch nicht bewusst.

      Oder glauben Sie es war im Sinne der Abgehängten einen Milliardär zu wählen, der dann die Steuern für die Reichen kürzt?

      Die US-Rechte und ihre Propagandamaschiene wird von sehr reichen Menschen finanziert und organisier. Diese manipulieren damit erfogreich die Massen um ihre Interessen durchzusetzen.

      Gegenüber diesen werden dann, ohne es zu wissen, die eigenen Interessen untergeordnet.

      Unbeschränkte Freiheit hat in den USA nur wer genug Geld hat.

      • @sociajizzm:

        "Eine Gleichschaltung der Medien, auf der rechten Seite, ist sehr wohl zu beobachten in den USA. Sind diese nicht rechts genug entstehen eben noch radikalere Plattformen."



        Das spricht doch eher für eine freie Medienlandschaft als für eine angebliche Gleichschaltung. Zur Erinnerung, dass bedeutet, dass Journalist*innen die abweichende Meinungen vertreten Veröffentlichungsverbot oder Schlimmeres droht.



        "Was war/ ist bitte MAGA wenn nicht eine unifomierte Massenbewegung?"



        Personenkult war das ganz sicher, eine Massenbewegung setzt aber eine (idR militärisch-hierarchische) Struktur und Organisation voraus, die die MAGAs im Ganze so gar nicht haben, sondern eigentlich ein ziemlich disparater Haufen mit auch einigen inneren Widersprüchen sind. Tendenzen die in diese Richtung gehen, wie etwa die Proud Boys, sind meinem Eindruck nach, trotz der eigentlich ziemlich prägenden Rolle des Militärs in der US-Gesellschaft, doch sehr weit davon mehr zu sein als der Lunatic Fringe.

        • @Ingo Bernable:

          Als kleine “Nachlese” zum Thema kann ich Ihnen - aber auch @Soziajizzm - die Lektüre “Wie Demokratien sterben” der US-amerikanischen Politologen Levitsky und Ziblatt empfehlen.



          Am Beispiel der historischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA beschreiben die Autoren, wie Demokratien zumeist nicht mit einem lauten Knall (Revolution, Militärputsch) sterben, sondern durch langsames, stilles Dahinsiechen. Dies werde erst erkannt, wenn es zu spät für Gegenwehr sei, da die demokratisch legitimierten staatlichen Institutionen (Gewaltenteilung) zunächst noch scheinbar gut funktionierten, ja, von den zukünftigen Despoten sogar strategisch geschickt genutzt würden, um ihre Macht zu festigen. Das gelte gleichermaßen für die Justiz und die Medien.



          Auch das Anzweifeln der Ergebnisse freier demokratischer Wahlen bzw. die Einflussnahme durch Wahlmanipulation gehöre zu den probaten Mitteln solcher Despoten. Dabei hatten Levitsky/Ziblatt natürlich Trump fest im Blick. Dass der seine Anhänger zum “Sturm aufs Kapitol” anstiften würde, hätten sich die Autoren 2019, beim Erscheinen der englischsprachigen Erstauflage ihres Buches, wohl selbst in ihren kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Ich auch nicht.

        • @Ingo Bernable:

          Aktuell sind bewaffnete "paramilitärische" Gruppen tatsächlich noch so ziemlich der Lunatic Fringe.

          Ob dies so bleibt ist die Frage.

          Die zunehmende Gewalt gegen LGBTI und Andersdenkende lässt durchaus Zweifel aufkommen.

          Es gibt bereits konservative Bauern die sich organisieren um für mehr Wasserrechte zu kämpfen, zur Not mit Gewalt. Auch hier ist noch nicht absehbar, wie sich das entwickelt.

          Eine stramm organisierte Struktur,ist nicht zu erwarten, da gebe ich Ihnen Recht.

          Veröffentlichungsverbote gibt es keine.

          Morddrohungen und andere Einschüchterungsversuche jedoch schon.

          Dies wird durch die Rhetorik von Politik und rechten Medien stark befördert. Da wird schon regelrecht ein Kampf gegen einen "Feind" heraufbeschwören.

          Hinzu kommt, dass die Meinungsvielfalt in den Massenmedien in den USA insg. schon sehr stark eingeschränkt ist.

          Fazit:



          Ich würde schon sagen die Reps sind zunehmend faschistisch, die USA jedoch noch immer noch eine Demokratie, dies setzt Grenzen. Wenn die rechten könnten, würden diese sicher weiter gehen. Es wird ja bereits stetig geprüft, wie weit die Grenzen des sagbaren/machbaren verschoben werden können.

          Natürlich verharmlosen die Amerikaner nicht den Nationalsozialismus, aber nur weil dieser nicht Teil ihrer eigenen Geschichte war, sondern der Feind.

          Anstelle dessen wird verharmlost oder komplett verschwiegen:



          Der eigene Genozid der Ureinwohner, die Rolle der Südstaaten im Bürgerkrieg, die Sklaverei, KKK und Lynchmobs, die Zwangssterilisation von Behinderten, Zoning, und vieles Mehr.

          Geschichtsrevisionismus ist eher eine deutliche Gemeinsamkeit, als ein Unterschied.

    • @Ingo Bernable:

      Sicher doch, eine goldene Rolltreppe definiert keinen Faschismus.



      Was mich aber irritiert ist, dass Sie einen Gauland als Nazi bezeichnen, einen Trump aber nicht einmal als Faschisten. Irgendwie erkenne ich da kein konsistentes System.

      • @Rudolf Fissner:

        Es geht, so simpel wie konsistent um die Frage der ideologischen Verankerung. Trump und Anderen seines Schlages würde es niemals in den Sinn kommen den NS als 'Vogelschiss' zu bagatellisieren, zudem liegt ihre ideologische Fundierung eher in rechts-libertärem Gedankengut als in einer Kontinuität der prä-faschistischen Konservativen Revolution. Dass dieses ebenso radikal Rechts ist ist unbenommen, donnoch folgt es in vielen Aspekten einer fundamental anderen inneren Logik.

      • @Rudolf Fissner:

        Da haben Sie natürlich einen Punkt … dennoch werde ich @Ingo Bernable immer darin unterstützen, vor eine Ideologisierung bzw. politischen Instrumentalisierung des Faschismusbegriffs zu warnen.



        Bzgl. der USA bzw. des Trumpismus hat Sharlet durchaus neue Überlegungen eingebracht, die man ablehnen oder bedenkenswert finden kann.



        Wenn ich an unsere Diskussionen über historischen Faschismus, Nazis, Russland, Israel, aber auch die AfD hierzulande denke, finde ich, wir sollten hinsichtlich des Faschismusvorwurfs sehr genau überlegen, was da die jeweils eigentliche Aussage oder Intention entsprechender Vergleiche, also die Botschaft sein soll, die damit transportiert weird.

        • @Abdurchdiemitte:

          Ich bin da ganz bei Ihnen. Da ist halt nur dieser eine wichtige Punkt, wo es überhaupt nicht passt.

        • @Abdurchdiemitte:

          Besten Dank.

  • Man hätte die Faktoren, die diese Menschen zu "Faschisten" machen, vielleicht noch ein bisschen mehr präzisieren können, denn es sind ja eigentlich alle da:



    - Militanz



    - Männlichkeit



    - Wiederherstellung eines alten (imaginären) Zustands von Glorie



    - Führerfigur



    - Glaube, "auserwählt"/besser zu sein und mit einer Mission beauftragt zu sein



    - Re-Interpretation und Kooptation von Religion



    - Vage Ideologie und Zielformulierung



    Fehlt was?

    • @Zhongli Quan:

      Ja, Kriterien die wirklich zu einer trennscharfen Abgrenzung taugen. Die Melange von Herrscherpersönlichkeit, militärischer Macht und instrumentalisierter Religion findet sich historisch nämlich in diversen Varianten mindestens seit den ersten Hochkulturen und man kann wohl kaum römische Kaiser und europäische Monarchen allesamt zu Faschisten erklären. Gleichzeitig gestalten sich einige der Kriterien auch innerhalb der historischen Faschismen durchaus unterschiedlich, während Kirche und das Motiv der 'Reconquista' im Franquismus eine ganz zentrale Rolle spielten, war das Verhältnis zwischen Kirche und deutschem NS mindestens reziprok ambivalent und darüber ob dieser eher zu alter oder neuer Glorie wollte war meinem Eindruck nach selbst dessen eigenen Ideologen oft nicht so ganz klar.

      • @Ingo Bernable:

        Das Problem scheint ja zu sein, dass Sharlet bestimmte, typische Elemente der US-amerikanischen Gesellschaft - besonders seine Ausführungen zum Verhältnis von Macht, Gewalt, Sexualität und Religion in den USA finde ich gut nachvollziehbar - , zutreffend beschreibt (nur weil wir sie in Europa nicht verstehen, müssen sie ja nicht falsch sein), das Ganze aber verkürzend unter dem Begriff Faschismus subsumiert.



        Wenn ich Sie richtig verstehe, beklagen Sie einen gewissen inflationären Gebrauch des Faschismusbegriffs, der eher ideologischen Motiven entspringt als historischer wie politik- und sozialwissenschaftlicher Analyse? Das sehe ich genauso.



        Da wir aber um diese Instrumentalisierung im politischen Diskurs wissen - das betrifft ja auch die hier heiß diskutierte Frage, ob es sich bei dem autokratischen System des Putinismus in Russland um Faschismus handelt - und wir uns im taz-Forum schließlich nicht in einem politikwissenschaftlichen Seminar bewegen, können wir mit diesem Umstand eigentlich doch ganz gelassen umgehen, oder?



        Mit Blick auf die Opfer jedweder Form von Diktatur und Gewaltherrschaft weltweit sind solche Debatten möglicherweise sogar zweitrangig.

      • @Ingo Bernable:

        "Römische Kaiser und europäische Monarchen" erfüllen aber bei weitem nicht alle diese Kriterien, taugen als Gegenargument also gar nichts. Im übrigen habe ich die Partei vergessen, und die hat Trump (wie Franco die Falange), sich zu eigen gemacht.



        Irgendwie muss man ja "Faschismus" definieren, wenn man DT als Faschisten bezeichnet, und das hat Sharlett nur sehr aus dem Bauch heraus getan.

        • @Zhongli Quan:

          Es gibt durchaus gute und praxistaugliche Definitionen, eine der gängigsten lieferte etwa Emilio Gentile. Wenn man diese oder eine der anderen etablierten nicht verwenden und Trump als Faschisten sehen will, wäre dann aber schon auch die Frage nach den politischen Konsequenzen zu stellen. Braucht es einen Bruch der Westintegration, Sanktionen, ein internationales Miltärbündnis um die USA vom Faschismus zu befreien?

          • @Ingo Bernable:

            Björn Höcke ist Faschist, da sind wir uns doch einig, korrekt?

            Wenn die AFD den Bundeskanzler stellen würde, wäre Deutschland dann eine faschistische Diktatur?

            Oder eher eine Demokratie regiert von Faschisten, wie in Italien?

            Ich vermute Letzteres.

            Das Selbe gilt auch für die USA.

            Trump mag faschistische Tendenzen aufweisen und die Republikaner immer weiter ins rechte bis rechtsradikale abdriften, aber die USA werden auch durch eine Regierung dieser Partei, keine Diktatur.

            "Nur" Weniger demokratisch, unsicherer für Andersdenkende, weniger rechtsstaatlich (politische Begnadigungen), weniger sozial und ein nicht mehr so verlässlicher Bündnispartner.

  • Vielen Dank für das Interview, den Beitrag!



    Auch ich bin ein Anhänger von einer stets klaren Benennung des Gegebenen. Und so ist es völlig richtig das Trump´sche USAmerika als das zu benennen was es AUCH ist: faschistisch!



    Doch reicht diese – natürlich schon so – bis ins Mark erschütternde Benennung wirklich?



    Denn „faschistisch“ heißt definitionsgemäß nicht notwendig auch „rassistisch“!



    Doch RASSISTISCH ist das Trump´sche USAmerika eben auch!



    Doch beschreibt die Benennung als „faschistisch-rassistisch“ (gepaart mit der beschriebenen Waffen-LUST) wirklich „schon“ das Trump´sche USAmerika? Ich meine nein.



    Denn zu diesem ultimativ eingeforderten WEISSEN Allein-Daseinsberechtigungs-Anspruch der Anhänger des Trump´sche USAmerika, gesellt sich noch zu einem sehr großen Anteil die „Vertreter*innen“ der schieren ANGST; sei sie berechtigt oder nicht, und vor was auch immer.



    Doch so wie Hitler in seiner Zeit für die Deutschen „charismatisch“ wirkte, vermag Trump auf sich die gleiche Strahlwirkung zu entfachen. Und warum? Weil er einfach die ÄNGSTE seiner Anhänger aufgreift und ausspricht. Diese Ängste zu lösen; davon ist Trump nicht nur Lichtjahre entfernt; sondern NULL interessiert. Aber Trump benennt diese Ängste. Und schon deshalb ist er für seine Anhänger der Messias. Bei der AfD beobachten wir vergleichbares.



    Wirksame Gegenmaßnahme: BILDUNG!



    Doch dieser Etat erfährt gerade mal wieder in der BRD eine Kürzung.



    😉

  • Bissi ungenau. hier werden bestimmte sachen zu einseitig gesehen und es fehlt auch jede menge psychologie.

    1) Die leute haben nicht nur trauer und lust.



    2) Die asozialen strukturen in der ideologie bzw politik bzw kulturen sind nicht nur faschistisch und der faschismus ist auch nicht die einzig relevante asoziale kultur.



    3) Selbstverständlich gab es vor trump schon personenkult. den gab es schon bei den azteken!

    In amerika ist es nicht anders als in anderen kulturen.



    Wenn eine grundlegende asoziale haltung in den gesellschaften besteht, und die besteht so gut wie überall, ne mischung aus unwissenheit, sozial exklusive milieus/ideologien und gewalt, und diese gepaart wird mit massiver sozialer verwahrlosung oder bedrohungen der aktuellen norm, meist durch die herrschende klasse, blinde masse oder reformer ausgelöst, werden gewisse leute dies ausnutzen um so politik zu machen und an die macht zu kommen.



    wie sich das ganze dann ausformuliert, hat sehr mit den marketing- und aquisemethoden dieser leute zu tun, als auch eben mit den allgegenwärtigen dingen die eh schon bestand haben.

    Es ist ziemlich egal ob man es dann faschismus oder imperialismus nennt. Beides ist asozial und zwar in unbegrenztem ausmaß! da gibt es keine kategorischen grenzen.



    Faschismus ist imperialistisch und imperialismus kann sehr wohl und oft faschistische komponenten haben. Faschismus ist nur eine von vielen relevanten formen der asozialen führung/ideologie!

    Man muss sich auf die frage der gemeinsamen werte und aktuellen kulturform sowie auf die soziale gerechtigkeit konzentrieren. Denn das problem der massengeselschaften ist genau das seit jeher. Und all die varianten der soziale nund asozialen regierungsformen, sind shon lange bekannt.



    natürklc hhat der moderne faschismus mit den massenmedien und neuen techniken dazu gelernt, was die ausbeutung und kontrolle von massen angeht, aber letztenendes ist es so ziemlich das selbe spiel wie vor 10.000 jahren!