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Experte zu AfD und Verfassungsschutz„Die Lage der Partei ist desaströs“

Der Gesamt-AfD droht die Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall. Das wäre der Anfang vom Ende, sagt Rechtsextremismus-Experte Alexander Häusler.

Die AfD: Bald nur noch eine lästige Randerscheinung? Foto: Hans Christian Plambeck/laif
Sabine am Orde
Interview von Sabine am Orde

taz: Herr Häusler, viel spricht dafür, dass die AfD als Gesamtpartei bald durch den Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird und dies früher oder später auch öffentlich bekannt wird. Was würde das für die AfD bedeuten?

Alexander Häusler: Eine Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall bringt die AfD in die schwierigste Situation seit ihrem Bestehen. Die Lage für sie ist desaströs. Bisher hat die Partei eine ziemlich beispiellose Erfolgsserie hingelegt, es ging von Wahlerfolg zu Wahlerfolg, auch durch immer neue populistische Provokationen. Diese Erfolgsserie ist durch die Coronapandemie eingebrochen.

Und die AfD hat auch die populistische Eskalationsschraube überdreht. Sie ist dadurch in ihrer Entwicklung immer weiter nach rechts gerückt und quasi zwangsläufig ins Visier der Verfassungsschutzbehörden gekommen. Die Konsequenz für die AfD ist verheerend.

Inwiefern?

Die AfD wird bei ihren nationalkonservativen Wählermilieus verlieren, denn die wollen nicht in den Ruch kommen, rechtsextrem zu sein. Sie wird beim Personal Federn lassen müssen, weil Leuten, die im Staatsdienst sind – wie Polizeibeamte, Lehrer oder Soldaten – Konsequenzen drohen, wenn sie bei einer Partei aktiv sind, die in der Rubrik Rechtsextremismus geführt wird.

Und sie wird finanzielle Einbrüche haben, weil sie auch stark von Privatspendern lebt und ein Unternehmer sich eine Spende an die AfD nun zweimal überlegen wird, wenn er Gegenkampagnen fürchten muss, weil er eine rechtsextreme Partei unterstützt. Die Erfolgsgeschichte der AfD dürfte vorbei sein.

AfD und Verfassungsschutz

Der sächsische Verfassungsschutz hat den Landesverband der AfD als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft. Es ist der vierte Landesverband nach Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Auch in diesem Fall sehen die Behörden hinreichend gewichtige „tatsächliche Anhalts­punkte“ für den Verdacht extremistischer Bestrebungen.

Der „Flügel“, die offiziell aufgelöste Strömung um Björn Höcke, ist laut Bundesamt für Verfassungsschutz sogar erwiesen rechtsextremistisch, die Nachwuchsorganisation Junge Alternative ebenso wie die vier Landesverbände gelten als Verdachtsfall.

Nach Informationen der taz und anderer Medien hat das Bundesamt zudem geplant, die Gesamtpartei als Verdachtsfall einzustufen. Nach mehreren Berichten aber klagte die AfD quasi prophylaktisch dagegen vor dem Kölner Verwaltungsgericht. Bis in Köln eine Entscheidung in der Eilsache fällt, ist die Rechtslage nun so: Die Behörde darf die Partei einstufen, aber reden darf sie darüber nicht. Weil sie aber wohl die Landesämter für Verfassungsschutz und auch das Parlamentarische Kontrollgremium im Bundestag informieren wird, könnte es durchaus sein, dass diese Information früher oder später an die Medien durchsickert. In Sachsen ist genau dies gerade wieder passiert.

Warum sind Sie bezüglich des Einbruchs in der Wählergunst so sicher? Die AfD hat den sogenannten bürgerlichen WählerInnen schon zahlreiche Anlässe geboten, sich abzuwenden – zum Beispiel durch Gaulands Äußerung über den NS als „Vogelschiss“. De facto ist aber wenig passiert.

Der rechtspopulistische Tabubruch funktionierte da noch: Man konnte sich als angeblicher Vertreter des Volkswillens inszenieren und dazu sagen, man gehöre nicht in die rechte Ecke. Mit dieser Masche hat die AfD ihre Erfolge erzielt. Aber das funktioniert nicht mehr, wenn die rechtsextreme Einstufung ausgesprochen ist.

Die „Das wird man doch mal sagen dürfen“-Milieus, die gesellschaftlich etwas zu verlieren haben, werden Abstand nehmen. Dann bleiben die bekennend rechtsextremen Wähler.

Die AfD kontert gern mit dem Argument, die anderen Parteien würden den Verfassungsschutz politisch instrumentalisieren, eine Stasi 2.0 quasi. Kann das verfangen?

Der neurechte Vordenker Karlheinz Weißmann hat mal aus seiner Sicht etwas Richtiges befürchtet: Der AfD drohe ein Rückfall in eine „Lega Ost“, wenn sie sich weiter radikalisiere. Im Osten verfängt diese Erzählung von der Stasi 2.0 vielleicht, aber nicht bundesweit. Weißmann und Co setzen auf die Lücke zwischen CDU/CSU und dem rechten Rand. Und eben nicht auf bekennenden Rechtsextremismus.

Sie wissen ja: Die Geschichte der rechten Parteien in der Bundesrepublik war bis zur AfD eine Geschichte der Erfolglosigkeit: All diese Parteien, wie die Republikaner oder der Bund Freier Bürger, sind den Weg in die Marginalisierung gegangen. Erfolg kann man nur haben, wenn man auch konservative Milieus mobilisiert.

Wo Sie gerade auf die Republikaner verweisen: Bei denen ging 1992 mit der Überwachung durch den Verfassungsschutz der Niedergang einher: Sehen Sie da Parallelen?

Das ist schwer zu vergleichen. Die Lage ist heute ja eine ganz andere, sowohl was die politische Situation angeht als auch die Situation im rechten Lager. Die Republikaner hatten damals noch Konkurrenz, die AfD hat sich ja quasi zum Dach des rechten Lagers entwickelt. Aber natürlich gab es damals und gibt es heute innere Widersprüche in diesen Parteien, die durch Druck von außen und den Verfassungsschutz verschärft werden.

Was heißt das für die AfD?

Die AfD ist ja eine Art eine Sammlungsbewegung aus verschiedenen Kernmilieus: der nationalliberalen Richtung mit marktradikalen Wirtschaftsansichten, dem nationalkonservativ gesinnten Milieu von früheren Unionsanhängern und den völkischen Nationalisten und offen Rechtsextremen. Die drei Strömungen haben eine Art Burgfrieden geschlossen, und dank der permanenten Erfolge bei Wahlen konnten die Konflikte unter den Teppich gekehrt werden. Aber jetzt brechen sie aus.

Im Interview: Alexander Häusler

58, ist Sozialwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus (Forena) der Fachhochschule Düsseldorf. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte ist die AfD.

Welche Rolle spielt dabei der Verfassungsschutz?

Er erhöht den Druck. Die Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall wirkt wie ein Damoklesschwert, sie ist existenzbedrohend. Die AfD hat ihren Erfolg aus der Zustimmung dieser unterschiedlichen Milieus gewonnen. Wenn die Brücke zum bürgerlichen Lager bricht, dann war’s das mit diesen Erfolgen. Allein mit ostdeutschen Protestwählern und offen Rechtsextremen lassen sich keine großen Wahlerfolge erzielen.

Noch gibt es in der Partei Leute, die noch etwas zu verlieren haben, die eine gesellschaftliche Stellung haben – die sind wichtig für die Außenwirkung für die Partei. Sonst bleiben nur die rechten Hasardeure, die sowieso nichts mehr zu verlieren haben.

Der Niedergang der AfD wäre also eingeläutet?

Ja, zumindest das Ende ihrer bisherigen Erfolgsserie.

Das wurde allerdings in der noch relativ kurzen Geschichte der AfD schon mehrfach behauptet.

Ja, ich habe auch schon oft gedacht, jetzt ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Und dann war es das doch nicht. Man muss also vorsichtig sein. Aber wenn man überlegt, wo in der Bundesrepublik der Platz für eine Rechtsaußenpartei ist, kommt man zu dem Ergebnis: Mit ihrer populistischen Eskalationsschraube hat sich die AfD ihr eigenes Grab geschaufelt. Interessanterweise haben sich viele der erfolgreichen Rechtsaußenparteien in Europa ja auch genau andersherum entwickelt.

Vom Rechtsextremismus Richtung Mitte.

Genau. Die sind, wie der frühere Front National, die Lega oder auch Parteien im skandinavischen Raum, in der rechtsextremen Ecke entstanden und haben eine taktische Zivilisierung durchlaufen. Sie sind in die Mitte gerückt, um größere Wählersegmente zu erreichen. Die AfD ist den umgekehrten Weg gegangen und hat jetzt das Stigma des Rechtsextremismus.

Was glauben Sie: Was wird dann passieren?

Die AfD wird weiter versuchen, sich juristisch zu wehren. Fatal wäre natürlich, wenn ihre Klagen erfolgreich wären und der Verfassungsschutz die Einstufung zurücknehmen müsste.

Wenn die AfD aber damit scheitert und die Partei als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft ist, wäre das Ende der Ära Meuthen automatisch eingeleitet. Seine Konkurrenten von ganz rechtsaußen könnten jubilieren, dass der ganze Anpassungskurs gescheitert ist, und sich durchsetzen. Meuthen könnte dann die Reißleine ziehen, die Partei verlassen und einen Teil der AfD mitnehmen. Sie könnten dann in den westdeutschen Bundesländern Republikaner 2.0 spielen.

Wenn man Ihnen folgt, gäbe es also eine Art Republikaner 2.0 im Westen und eine „Lega Ost“. Wie erfolgreich könnten solchen Parteien sein?

Nicht sehr. Wahrscheinlich müssten sie zumindest im Westen der Republik um die Fünfprozenthürde kämpfen, der Niedergang wäre sehr wahrscheinlich. Aber derzeit ist das natürlich noch ein Prozess mit offenem Ausgang.

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12 Kommentare

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  • Ich finde es grundsätzlich schon ziemlich problematisch, wenn eine Behörde, die der Bundesregierung direkt unterstellt ist, mit solchen massiven Mitteln (bis hin zur Telefonüberwachung) gegen die größte Oppositionspartei des Parlamentes vorgehen will.

  • Vermutlich ist das Abschreckungspotential einer Einstufung zwischenzeitlich gesunken.



    Wer permanent gesellschaftlich als Nazi oder rechtsextrem hingestellt wird, der nimmt es irgendwann nicht mehr wahr. Auch - oder gerade - wenn eine weisungsgebundene Behörde dies nun sogar schriftlich macht.



    Das betrifft auch Gruppen ausserhalb der AfD (siehe Querdenker), die auf diese Weise der AfD zugeführt werden.



    Man kann nur einmal rechtsextrem sein.....

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    Oder aber wir bekommen eine Retrobetrachtung zur NPD. Wieviel wurden die bereits durch Verfassungsschutz unterwandert. Damals waren viele Staatsdiener in der Parteistruktur man fand nur leider keine Möglichkeit die Partei zu Zersplittern. Der Hinweis des Bundesverfassungsrichters hat mir sehr gefallen damals. Man könnte sie ja evtl. beim Geld kriegen ....

  • Also um ehrlich zu sein, erscheint mir die Meinung etwas zu optimistisch. Die Menschen, die die AfD gewählt haben sind ja nicht auf einmal ganz anderer Meinung. Die Einschätzung könnte im allergünstigsten Fall wahr werden. Ich bin da etwas pessimistischer. Eine weitere Sorge habe ich aber auch im besten Falle. Wenn die AfD wirklich komplett verschwindet, würden dann ja noch mehr Leute CDU wählen. Somit ist eine linke Politik noch weiter entfernt als mit AfD. Was der Verfassungsschutz bez. der AfD tut ist natürlich richtig, denn sie sind rechtsextrem, aber ob es dadurch besser wird, wage ich zu bezweifeln...

    • @Nobodys Hero:

      Diese Einschätzung teile ich. Schon die Vermutung, dass es noch einen relevanten Anteil eigentlich Konservativer in der AfD gäbe die nun durch die drohende Beobachtung abgeschreckt wären scheint mir fraglich. Dass diese Leute sich selbst als konservativ einordnen mag ja sein, wenn man sich die von ihnen vertretenen Positionen anschaut ist diese Bezeichnung aber bestenfalls ein Euphemismus. Weiter wäre da dann die Erzählung der AfD nach der der VS lediglich der verlängerte Arm der "Altparteien" sei und die bei dem Maß an fundamentaler Systemfeindlichkeit in deren Reihen durchaus gute Chancen hat zu verfangen. Recht hat Häusler allerdings damit, dass die Situation nicht mit der der Reps in den 90ern vergleichbar ist, nur ist auch das eben leider auch eine eher schlechte Nachricht, weil unabhängig von einer möglichen Beobachtung Alles in Allem wenig dafür spricht, dass sich das problematishe Milieu rechts-populistischer Anti-Demokraten in absehbarer Zeit auflösen oder auch nur deutlich reduzieren wird.

      • @Ingo Bernable:

        Der Anteil an konservativen, nicht rechtsextremen Menschen in der AfD ist groß. Die Wählerschaft aus den Reihen wird mit zunehmender Rechtsradikalisierung allerdings geringer. Die AfD macht von sich reden, weil es diese Meinungen, Äußerungen und Ansichten vom rechten Rand in die Schlagzeilen schaffen - das ist gut so, denn sonst würde diese Partei wohl fälschlicherwise anders wahrgenommen - aber das "laute Schreien" der einfältigen Nichtdenker trägt eben dazu bei. Gleichwohl kostet die Rechtsradikalisierung den Konservativen die Wählerstimmen. Die Wählerstimmen derer am rechten Rand sind dagegen bald erschöpft.



        Kurzum: Je rechtsradikaler sich die AfD gibt, desto weniger Leute aus dem konservativen Lager, die sich nicht mehr von der CDU/CSU vertreten sahen, werden ihr folgen. Und dann hoffentlich ist diese Partei von der Bildfläche verschwunden.

        • @Lars B.:

          Wie schon erwähnt sollte man die Kategorisierung anhand der Taten bzw. der vertretenen Positionen und nicht auf Grundlage einer Selbstverortung vornehmen. Und wenn man sich mal anschaut welche Positionen die AfD insgesamt vertritt, beispielsweise zu Fragen von Familien- und Geschlechterpolitik ebenso wie zu Fragen der Sozial- und Immigrationspolitik, dann ist da beim besten Willen nichts dabei was man noch als konservativ bezeichnen könnte. Die Programmatik ist reaktionär, nationalistisch, anti-liberal (Allein die Bemerkung im Grundsatzprogramm "Der Islam gehört nicht zu Deutschland." ist spätestens dann nicht mehr mit der grundgesetzlich verankerten Religionsfreiheit zu vereinbaren wenn sie in politische Handlungen übersetzt wird.) und letztlich rechtsradikal. Wer Mitglied einer rechtsradikalen Gruppe ist und deren Ziele unterstützt (und sei es auch nur durch Mitgliedsbeiträge), ist kein Konservativer sondern ein Rechtsradikaler.

      • @Ingo Bernable:

        Die Situation ist mit der der Republikaner in der Hinsicht vergleichbar, dass der AfD ihr Hauptthema abhanden gekommen ist. So wie Mitte der 90er hat sich auch jetzt die Flüchtlingsproblematik spürbar entspannt. Coronaleugnen oder Machismus ist dafür kein adäquater Ersatz. Dazu hat die AfD ein Führungsproblem (bzw. die Abwesenheit nicht komplett peinlicher "Führer"), leidet unter einer Ermüdung des Dauerprotests und dem Abgang des Lieblingsfeindbilds Merkel.

        • @Dorian Müller:

          Meinen Sie nicht. dass sich das gesamtgesellschaftliche Klima seit den 90ern derart verschoben hat, dass rechtsextreme, rassistische sowie sozialdarwinistische Positionen heute in breiteren Bevölkerungskreisen Akzeptanz finden als das etwa vor dreißig Jahren der Fall war?



          Ich finde schon, dass die AfD heute einen in ihrem Sinne besser vorbereiteten politischen Resonanzboden vorfindet als damals die Republikaner ... das zeigt sich ja nicht nur in quantitativer Hinsicht in Form von Wahlergebnissen. Obwohl die Republikaner sich auch schon abmühten, sich einen seriösen bürgerlichen Anstrich zu geben, wurden sie das braune Schmuddel-Image schlicht nicht los.



          Heute reagieren selbst Linksliberale mit empörtem Augenaufschlag, wenn die AfD als Nazi-Truppe tituliert wird ... man solle doch bloß nicht all die Wirtschaftsliberalen, Nationalkonservativen und sonstigen besorgte Bürger, die sich dort tummeln, mit der Faschismuskeule erschlagen.



          Vielleicht geht ja noch was mit dem Herrn Meuthen?

        • @Dorian Müller:

          Naja, an Feindbildern, an denen die AfD und ihre Anhängerschaft sich erfolgreich abarbeiten können, wird es auch in Zukunft nicht mangeln ... ich denke da beispielsweise an den aktuellen Nachfolger der ehemaligen CDU-Vorsitzenden Merkel. Und kommt es im Herbst zu einer schwarz-grünen Koalition auf Bundesebene, ergeben sich noch viel mehr Gelegenheiten, sich als Alternative zu den „Systemparteien“ aufzuspielen.



          Nebenbei: in einer solchen politischen Konstellation kommt im wesentlichen auf die (dann hoffentlich) sozialdemokratische und linke Opposition an, dann sowohl ein Gegengewicht zur grün-neoliberalen Regierungspolitik zu organisieren als auch der AfD als der vermeintlich alternativlosen und einzigen Protestpartei gegen den Mainstream das Wasser abzugraben.



          Keine leichte Aufgabe, das künftige Zusammenspiel auf der linken Seite des Bundestagsplenums und auch nicht einfach, der AfD erfolgreich gegen den Karren zu fahren, ohne sich dabei selbst populistischer Stilmittel zu bedienen.

        • @Dorian Müller:

          Ich würde mir ja wirklich wünschen, dass sie Recht behalten. Das fehlende Thema würde ich allerdings eher für einen temporären Effekt der Coronakrise halten. Denn als Ursache für den Zulauf würde ich eher eine Art diffuse, gärende Unzufriedenheit, ein sich zu kurz gekommen fühlen bei vielen sehen als reale Probleme. Worin bestand denn real die "Flüchtlingsproblematik"? Merkel erklärte dazu "Wir schaffen das" und selbstverständlich haben 'wir' das geschafft. Was denn auch sonst? Und zumindest den nicht komplett verblödeten Rechten dürfte ebenso klar gewesen sein, dass 'die' 'uns' eben nicht die Jobs, die Frauen und die Butter vom Brot klauen werden, aber als Erzählung um Ängste und Ressentiments zu schüren funktioniert es eben und dafür werden sie auch wieder andere Erzählungen finden.



          Was das Führungspersonal angeht muss man in der Tat erstaunt feststellen, dass die Besetzung durch eine wandelnde Dackelkrawatte in Gutsherrenkluft bislang nicht wirklich ein Problem war. Was passieren könnte wenn da mal jemand auf den Plan tritt der tatsächlich über Charisma und demagogische Qualitäten verfügt will ich mir deshalb lieber gar nicht erst ausmalen.

      • @Ingo Bernable:

        Die optimistische Prognose Häuslers, dass sich das Thema AfD mit einer Einstufung der Partei als Verdachtsfall quasi von selbst erledigen würde, teile ich ebenfalls nicht.



        Zwar halte ich es mit Häusler für sinnvoll, von der AfD nicht als einen monolithischen rechtsextremistischen Block, sondern von mehreren Strömungen zu sprechen - wobei mir Häuslers Differenzierung des "bürgerlichen" Teils der AfD zwischen wirtschaftsliberal und nationalkonservativ nicht ganz einleuchtet -, aber das Problem für das Gros der AfD-Wähler (nicht nur im Osten!) ist ja nicht der verbale Radikalismus ihrer Wortführer.



        Im Gegenteil, die permanenten normativen Grenzverschiebungen nach rechts - inklusive des taktisch motivierten Zurückruderns (Vogelschiss-Metapher Gaulands) - müssen deren Wähler nicht erst mitnehmen zu der Grenze, über die die AfD ihr Klientel haben will, nein, diese haben die Grenze schon lange/schon immer überschritten ... die AfD verleiht deren Gesinnung nur die parlamentarisch-rechtsstaatlichen Weihen und befreit sie von ihrem NPD-oder-wie-auch-immer-Schmuddelkinder-Image. Wobei letzteres Staatsdienern mit entsprechend brauner Gesinnung wichtig sein dürfte, der Mehrheit wird das wohl mittlerweile auch wumpe sein, denn der Demokratie-Zug ist für solche Zeitgenossen schon längst ohne sie abgefahren.



        Meine persönliche Einschätzung: es gibt keine bürgerliche Mitte, zu der das Klientel, von dem im Zusammenhang mit der AfD die Rede ist, "zurücküberzeugt" werden kann, auch nicht mit sozusagen regierungsamtlichen Massnahmen wie einer Verdachtsfall-Einstufung durch den VS.



        Und ich höre auch immer nur, dass von einer solchen Einstufung gesprochen wird ... bisher ist ja noch nichts passiert. Der"Auftakt" für dieses Verfahren wurde vom Berliner VS ja schon gründlich vermasselt, was nichts Gutes ahnen lässt. Am Ende geht die AfD noch gestärkt daraus hervor.